Raus mit den Autos aus der Fahrradstraße?

Bereits in den nächsten Tagen soll der Verkehr in der „neuen“ Fahrradstraße in Petershausen anders geregelt werden. Das Ziel ist es, die Zahl der Kraftfahrzeuge in der Petershauser Straße und der Jahnstraße deutlich zu verringern. Dabei handelt es sich um einen Versuch, der bis zum Ende der Baumaßnahmen am Sternenplatz im Jahr 2020 laufen soll und von Verkehrszählungen begleitet wird, die den Erfolg messen sollen. Weitere Maßnahmen unter anderem zugunsten querender Fußgänger sind angekündigt.

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Die Fahrradstraße in Petershausen ist seit ihrer Eröffnung nicht zum Liebling der KonstanzerInnen geworden. Während die Fahrradstraße in der Schottenstraße ein ausgesprochenes Erfolgsmodell ist, ist in Petershausen allzu offenkundig, dass es sich um eine halbherzige Lösung handelt. Hier wollte die selbst ernannte Radstadt Konstanz das Fell des Bären Autolobby waschen, ohne es nass zu machen. Alle Appelle an die menschliche Vernunft und die gegenseitige Rücksichtnahme haben, wie auch sonst im Leben, wenig gefruchtet: Fast alle Beteiligten sind unzufrieden, dabei ist die zu erwartende Eingewöhnungsphase rund 15 Monate nach der Eröffnung längst vorbei.

Sternenplatz bewirkt mehr Verkehr

Die Lage in der Petershauser Straße und der Jahnstraße, in der AutofahrerInnen gegen RadfahrerInnen (nach Angaben der Polizei zumeist noch unblutig) um die Verkehrsflächen kämpfen, hat sich weiter verschärft. Der Sternenplatz wurde für Fahrräder gesperrt und Umleitungen für die anderen Verkehrsteilnehmer eingerichtet, die derzeit z.B. nicht durch die Spanierstraße kommen.

Der Verkehr ist damit erheblich dichter geworden und wird es bis zum Ende der Bauarbeiten auch bleiben. Nachdem die BusfahrerInnen unter großer öffentlicher Anteilnahme eine Verlegung der Bushaltestellen aus dem Einzugsgebiet der Fahrradstraße durchgesetzt hatten, verkehren jetzt zusätzlich auch noch umgeleitete Busse zwischen Ebertplatz und Zähringerplatz.

Da sich die Lage bis ins nächste Jahr hinein nicht ändern wird, hat sich die Stadt jetzt zum Handeln entschlossen: Kern der Neuregelung ist es, dass ein Teil der Fahrradstraße zwischen Steinstraße und Bahnübergang zumindest vorübergehend für Autos (nicht aber für Radfahrer) zur Einbahnstraße wird. Autos sollen dort nur noch in Richtung Norden fahren dürfen, vom Zähringerplatz in Richtung Bahnschranke geht nichts mehr, zumindest für jene AutofahrerInnen, die sich an solche Regeln halten.

Mitteilung der Stadt

In einer Medienmitteilung der Stadt Konstanz heißt es dazu: „Um den Verkehr zu reduzieren, gelten in der Radstraße ab Mitte nächster Woche testweise neue Regelungen. So wird in Höhe der Steinstraße die Durchfahrt für Kfz vom Zähringerplatz bis zum Bahnübergang gesperrt, Radfahrende können weiter fahren. Der Abschnitt der Jahnstraße zwischen Moltkestraße und Steinstraße wird als Einbahnstraße ausgewiesen und für den Radverkehr in Gegenrichtung freigegeben. Die Sofortmaßnahme soll zudem dazu beitragen, dass Fußgänger die Straße besser überqueren können. […] Die Regelungen gelten bis zum Ende der Baumaßnahme am Sternenplatz. Danach werden die Ergebnisse der Sofortmaßnahmen ausgewertet. Um belastbare Daten für einen Vergleich zu bekommen, werden Verkehrszählungen sowohl während der Bauarbeiten am Sternenplatz als auch während der zwischenzeitlichen Öffnung des Sternenplatzes von Mitte Dezember bis Fasnacht durchgeführt.“

Außerdem bereitet die Stadt ihren Angaben nach weitere Maßnahmen vor. Dazu ist unter anderem „geplant, an mehreren Stellen durch Fahrbahnteiler oder Schwellen in Fahrbahnmitte als gefährlich empfundene Überholvorgänge durch Kfz zu reduzieren und den Verkehrsablauf besser zu ordnen.“

Wie geht es weiter?

Die Frage, wie es in der Fahrradstraße in den Monaten der Bauarbeiten am Sternenplatz aussieht, ist von der Frage zu trennen, wie es mit der Fahrradstraße überhaupt weitergehen soll.

Dass es während umfangreicher Bauarbeiten zu Verkehrsproblemen kommt, für die man eine Lösung improvisieren muss, die nicht alle zufriedenstellen kann, ist selbstverständlich. Dass es dabei im Geflecht der Interessen von Bund (Bundesstraßen), Stadtwerken (Busse), motorisiertem Individualverkehr (Autos, LKW, Motorräder) sowie Fahrrädern und FußgängerInnen keinen Königsweg gibt, ist verständlich. Aber das ist ja nur ein vorübergehendes Phänomen.

Wichtiger ist es, sich Gedanken zu machen, wie die Situation in Petershauser Straße und Jahnstraße dauerhaft entspannt werden kann. Vielleicht ist die vorläufige Einbahnstraßenregelung dafür ja ein Modell? Aber auch hier zeigt sich: Dass Konstanz sich als „Radstadt“ bezeichnet, ist zu viel des Eigenlobes, denn es wird in der Verwaltung zuerst daran gedacht, wie man den Autoverkehr möglichst wenig behindert und nicht, wie man das Optimum für Fahrräder (und FußgängerInnen) herausholt. Das zeigt sich einerseits an der Baustelle Sternenplatz, die wie selbstverständlich für den Rad- (und nicht für den Auto-) Verkehr gesperrt wurde. Das zeigt sich aber auch an halbherzigen Lösungen wie in Petershauser Straße und Jahnstraße.

Der Bär schläft nie

Die steigende Zahl der im Verkehr getöteten RadfahrerInnen legt nahe, dass es ein echtes und freiwilliges partnerschaftliches Miteinander zwischen motorisiertem Verkehr und Velos im wirklichen Leben nicht gibt, sondern dass hier nur strikteste Trennung hilft: Separate Radwege statt hingepinselter Schutzstreifen, echte Fahrradstraßen statt autogerechte Straßen mit ein paar zusätzlichen Sonderrechten für RadlerInnen. Wer „Radstadt“ sagt, legt damit ein klares Bekenntnis zu einer deutlichen Bevorzugung des Radverkehrs ab, und davon kann in Konstanz bisher kaum die Rede sein.

Der angeblich so dringend gewollte Umbau zur Radstadt ist nicht Sache des Radbeauftragten allein, der innerhalb der Verwaltung vermutlich oft wie Don Quixote gegen die Windmühlen kämpfen muss. Er kann vielmehr nur gelingen, wenn bei sämtlichen Baumaßnahmen auch von der Verwaltungsspitze Druck zugunsten primär fahrradfreundlicher Lösungen gemacht wird, auch wenn darunter der motorisierte Individualverkehr vor echtem oder vorgeblichem Schmerz aufheult. Anders als durch eine solche positive Diskriminierung ist es nicht möglich, die verheerenden Folgen des jahrzehntelangen, völlig einseitigen autogerechten Umbaus unserer Städte wenigstens einigermaßen wieder auszugleichen. Wie das geht, zeigen andere Städte wie etwa Amsterdam. Wer Amsterdam will, muss auch (um-)bauen wie Amsterdam.

Bei all dem gilt: Der Bär der Autolobby schläft nie und beißt immer heftig um sich, es macht also keinen Sinn, ihn durch eine Trockenwäsche mit Föhnen und Legen besänftigen zu wollen. Wer dessen Fell waschen will, muss es richtig nass machen, und wer den Bären dann noch wacker einseift, kann ihn endlich sogar rasieren – bis er gänzlich nackt dasteht.

MM/Luciana Samos (Foto: Stadt Konstanz)