„Ich bin kein Postkartenkandidat“

Das Kandidatenkarussell für die OB-Wahl im kommenden Jahr beginnt sich zu drehen. Mehrere Ratsfraktionen des Mitte-Links-Spektrums sind auf der Suche nach einer/einem aussichtsreichen BewerberIn, die/der Amtsinhaber Uli Burchardt (CDU) im Juli 2020 den Wahlsieg streitig machen kann. Obschon aus der Findungskommission verlautet, man habe Stillschweigen über den Stand der Suche vereinbart, kursieren in der Stadt Namen. Darunter immer wieder der von Luigi Pantisano – in Konstanz seit seiner Zeit als erfolgreicher Quartiermanager kein Unbekannter. Grund genug für seemoz, den Architekten und Stadtplaner, der in der Landeshauptstadt für eine sozial-ökologische Bündnisliste im Gemeinderat sitzt, nach seinen Ambitionen zu befragen.

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seemoz: Sie wollen Oberbürgermeister von Konstanz werden. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Luigi Pantisano: Seit meiner Zeit als Quartiermanager in den Stadtteilen Berchen und Öhmdwiesen liegen mir und meiner Familie die Stadt Konstanz und die Menschen hier sehr am Herzen. Ja, ich kann mir vorstellen, Oberbürgermeister von Konstanz zu werden. Aber bis zu einer endgültigen Entscheidung über eine Kandidatur möchte ich weitere Gespräche führen mit den Fraktionen und Parteien in Gemeinderat, mit Freundinnen und Freunden und engagierten Menschen aus zivilgesellschaftlichen Initiativen aus Konstanz.

seemoz: In Stuttgart wurden Sie in den Gemeinderat gewählt und sind dort erfolgreich für ein sozial-ökologisches Bündnis aktiv.

Pantisano: In Stuttgart war ich maßgeblich daran beteiligt, dass wir mit Grünen und SPD die Umsetzung einer autofreien Innenstadt beschlossen haben. Radinitiativen habe ich bei einem Fahrradentscheid unterstützt und später in Verhandlungen mitgewirkt, um die Forderungen der Initiativen konkret umzusetzen. In einem Aktionsbündnis „Recht auf Wohnen“ war ich auch bei Kundgebungen gegen Leerstand und immer weiter steigende Mieten aktiv. Das hat viel Druck auf die Politik erzeugt. Selbst die CDU fordert seither höhere Investitionen für bezahlbaren Wohnraum und Schritte gegen Leerstand.

seemoz: Sie sind der Sohn italienischer „Gastarbeiter“. Spielt auch Ihre Herkunft eine Rolle für Ihr politisches Engagement?

Pantisano: Die Geschichte meiner Eltern, Maria und Giuseppe Pantisano, ihre Migration nach Deutschland und eine Kindheit im Wissen, dass die eigenen Eltern in der Fabrik hart arbeiten, damit es ihre vier Kinder einmal besser haben, hat mich sehr geprägt. Seit jeher setze ich mich für eine vielfältige Gesellschaft und gegen Rassismus ein. Ich engagiere mich seit vielen Jahren ehrenamtlich in antirassistischen Bildungsprojekten für Kinder und Jugendliche, setze mich für Geflüchtete ein und unterstütze Netzwerke gegen jede Form der Menschenfeindlichkeit. Aus diesen Erfahrungen heraus ist vor 10 Jahren auch die Idee entstanden, gemeinsam mit engagierten Bewohnerinnen und Bewohnern des Quartiers Berchen-Öhmdwiesen den Verein „Miteinander in Konstanz“ zu gründen.

seemoz: Bekommen Sie für Ihr Engagement auch Anfeindungen wie viele andere Politiker in Deutschland?

Pantisano: Leider ja, denn seit mehreren Jahren erhalte ich Morddrohungen gegen mich persönlich und meine Familie. Ich bin deutscher Staatsbürger, aber mein italienisch klingender Name, und die Herkunft meiner Eltern, sowie mein Einsatz gegen Rassismus sind sicher Gründe für diese Morddrohungen. Davon lasse ich mich aber nicht einschüchtern oder von meinem Weg abbringen. Ganz im Gegenteil, ich weiche keinen Zentimeter.

seemoz: Warum zieht es Sie denn jetzt wieder an den Bodensee?

Pantisano: Ein Oberbürgermeister hat große Gestaltungsmöglichkeiten und daher reizt mich diese Aufgabe sehr. Ein OB, der entschieden die aktuellen Herausforderungen in Angriff nimmt – vom Klimawandel bis zur Wohnungskrise – ist aktuell auch dringend nötig. Diese Aufgabe möchte ich gerne übernehmen.

seemoz: Die Gerüchteküche brodelt: Stimmt es, dass eine gemeinsame Findungskommission von FGL, SPD, JFK und LLK sie eingeladen, aber dann eine Absage erteilt hat?

Pantisano: Als ich mitbekommen habe, dass eine überfraktionelle Findungskommission eine gemeinsame Kandidatin oder einen gemeinsamen Kandidaten sucht, habe ich sofort entschieden mich zu bewerben. Der Prozess der Findungskommission läuft noch, und es wurde mit den Bewerbern Stillschweigen vereinbart. Daran möchte ich mich auch halten. Allerdings kursierte mein Name relativ früh in Konstanz und meine Bewerbung wurde inzwischen durch einen Artikel im Südkurier öffentlich bekannt.

seemoz: Und wie solls jetzt weitergehen?

Pantisano: Seitdem meine Bewerbung bekannt ist, habe ich sehr viel Zuspruch für eine Kandidatur bekommen. Alte Bekannte aus Konstanz haben sich bei mir gemeldet und wollen mich unterstützen. Zu meinem Politikverständnis gehört es, mit den Menschen in einer Stadt gemeinsam konkrete Handlungsmaßnahmen und politische Programme zu erarbeiten. Diese Gespräche und eventuell auch erste Veranstaltungen möchte ich gerne in den nächsten Wochen durchführen.

seemoz: Warum braucht die Stadt überhaupt jemand Neues im Rathaus?

Pantisano: Den amtierenden Oberbürgermeister Burchardt kenne ich persönlich nicht und kann daher wenig über ihn sagen. Was ich aber sagen kann ist, dass in den vergangenen Jahren die Probleme in vielen Bereichen der Stadt massiv zugenommen haben. Die Autos wurden in unerträglichem Maße immer mehr, Leute mit kleinen Einkommen und Studierende finden keine Wohnungen mehr, Familien zahlen fast die Hälfte ihres Einkommens für die Miete, und ich habe den Eindruck, dass der Blick immer nur auf die Innenstadt gerichtet ist und Stadtteile wie Wollmatingen, Dettingen oder Litzelstetten hinten runter fallen. Gleichzeitig ist viel in den Medien zu lesen über den Klimanotstand oder Seilbahnprojekte, aber konkret passiert wenig bis nichts.

seemoz: Was würden Sie denn anders machen, nachdem Sie ins Rathaus eingezogen wären?

Pantisano: Ganz grundsätzlich möchte ich in der Verwaltung von Beginn an das Selbstverständnis einführen, dass die Bürgerinnen und Bürger eine wichtige Ressource sind und wir auf die Expertise der Menschen in der Stadt zurückgreifen müssen. Ganz unabhängig von Herkunft und sozialem Status möchte ich allen Menschen die gleiche Teilhabe ermöglichen. Der Gemeinderat und die Menschen in der Stadt müssen stärker in Austausch bei wichtigen Entscheidungen kommen. Nur so können wir die nötigen Schritte für einen ökologischen Wandel umsetzen. Und was mir besonders wichtig ist: Dieser Wandel gelingt nur, wenn er sozialverträglich stattfindet. Beispielsweise muss und kann die Stadt in vielen Bezirken autofrei werden, das geht aber nur, wenn auch der soziale Ausgleich geschaffen wird durch Ein-Euro-Tickets im ÖPNV bis zu einem kostenlosen Nahverkehr.

seemoz: Das hört sich sehr nach einem Politikverständnis an, das sich ziemlich von dem der üblichen Kandidaten für einen solchen Posten unterscheidet.

Pantisano: Stimmt, ich bin kein Postkartenkandidat, sondern jemand der zu seinen Überzeugungen steht und diese im Austausch mit der Bevölkerung umsetzt. Politische Praxis ist für mich nicht anders vorstellbar als sozial, ökologisch und in ständigem Austausch mit den Menschen und Bewegungen.

seemoz: Wie können Menschen Sie erreichen, die Ihnen bei Ihrer Bewerbung Unterstützung zukommen lassen wollen?

Pantisano: Wer mich bei einer möglichen Kandidatur unterstützen möchte, ist herzlich eingeladen, sich per Mail bei mir zu melden und sich mit Ideen einzubringen: mail@luigipantisano.de.

Die Fragen stellte Luciana Samos (Fotos: Roland Hägele)