Ökologisches Vorzeigeprojekt Büdingen?
Es gibt städtische Pressemitteilungen, die einen doch sehr nachdenklich werden lassen. Diese gehört zweifellos dazu. Kürzlich wurde dem Technischen- und Umweltausschuss (TUA) des Gemeinderats mitgeteilt, dass in Bälde 49 Bäume auf dem Büdingen-Areal gefällt werden. Das war zu befürchten. Hier die Begründung im Wortlaut. Bemerkenswert jedoch ist die oberbürgermeisterliche Einschätzung des Vorhabens.
[the_ad id=“66238″]
Nachdem der Verwaltungsgerichtshof Mannheim den einstweiligen Baustopp für das Projekt auf dem Büdingenareal im September aufgehoben hat, hat der Investor einen weiteren Antrag auf Befreiung von den Bestimmungen der Baumschutzsatzung gestellt. Das Amt für Stadtplanung und Umwelt hat auf der Basis des qualfizierten Freiraum- und Parkentwicklungskonzepts den Antrag sorgfältig in jedem Einzelfall geprüft und wird für 49 Bäume mit kleinem bis mittlerem Umfang auf dem Büdingen-Areal eine Befreiung erteilen. Der große prägende Baumbestand mit den als Naturdenkmal ausgewiesenen Buchen, der Plantanenallee und dem Mammutbaum ist nicht betroffen und bleibt erhalten. Von den 49 Bäumen befinden sich 21 Bäume in einem kritischen Zustand mit erheblichen Schadensmerkmalen (Pilzbefall, Stammfäulnis, Druckzwiesel), die in der Folge die Baumstatik und die Verkehrssicherheit nicht mehr in ausreichendem Maße gewährleisten. Vier Bäume sind gemäß der Baumschutzsatzung erleichtert zu befreien, acht weitere Bäume im Zusammenhang mit den baulichen Maßnahmen. Elf kleinere Linden werden im Zusammenhang mit der notwendigen künftigen Rettungszufahrt verpflanzt.
Alle entfernten Bäume sind durch Neupflanzungen auf dem Gelände und ggf. Ausgleichszahlungen zu kompensieren. Durch den jahrlangen Wildwuchs ist der Baumbestand vielerorts überaltert und befindet sich zum Teil in keinem guten Zustand (Brandkrustenpilz, Weißfäulnis). Insgesamt wird die Parkanlage daher auf der Basis eines Parkentwicklungskonzeptes kontinuierlich ergänzt und die Grünstruktur mit Nachpflanzungen neu entwickelt. Für den zu erhaltenden Baumbestand wie den Mammutbaum und die Platenenallee werden auf der Basis gutachterlicher Aussagen Maßnahmen zum Schutz während der Bauphase definiert und rechtlich verbindlich festgesetzt. Ergänzend sind entsprechende Sicherungsleistungen vom Bauherrn zu hinterlegen. Die Stadt wird daher auch die Bauphase sorgfältig begleiten.
Auf der Basis des VGH-Urtteils hat der Bauherr laut Rechtslage einen Anspruch auf die Behandlung des Antrags. Ungeachtet der rechtlichen Situation hat OB Uli Burchardt den Investor angeschrieben und dafür geworben, sein geplantes Bauvorhaben als ein ökologisches Vorzeigeprojekt zu realisieren.
Als mögliche Inhalte eines solchen Projekts nannte er, dass so viele Bäume wie möglich auf diesem sensiblen Areal vor der Fällung bewahrt werden, dass das biologisch wirksame Kronenvolumen nach Realisierung des Projekts ausgeglichen wird und dass auf dem Areal nach der Bebauung eine höhere Biodiversität herrscht, als davor.
MM/red
Naturnahe und -schützende Stadtplanung für Konstanz…..? Stadtplanung im Sinne von Bürgerinnen und Bürgern, die bezahlbaren Wohnraum, aber auch viel mehr Grün und Luft zum Atmen und Ruhe brauchen? Die Planung eines „Sanatoriums“ (braucht man sowas? Noch ein Hotel? Wozu? Wird das die wirtschaftliche Diversität und Arbeitsplätze in KN verbessern…..?) an der Seestraße, eine enge Zubetonierung am Döbele und das derzeit sichtbare Zuballern der Gärten zwischen den Wohnhäusern in der Markgrafenstraße stimmen nicht froh. Von Schönheit ganz zu schweigen. Die neue Unterführung an der Marktstätte sieht auch nach reiner Betonwüste aus, hoffentlich nicht….
Der Kommentar zum Missverhältnis zum ausgerufenen Klimanotstand passt. Ruft die Stadt diesen für ihr eigenes Handeln aus?
@Christel Thorbecke
Was Ihnen „scheint“, trifft nicht zu. Nachdem mir an dem Land was liegt, kritisiere ich dessen Ausgestaltung. Es macht mich zornig, den blumigen Begriff Fahrradstadt zu hören und die Wirklichkeit daneben zu sehen. Es macht mich zornig, wenn ich OB Burchardt in einer Talkshow über Soziales dozieren sehe/höre und an der Baugrube am Vincentius-Areal vorbeifahre.
Die Erfahrungen aus einigen Jahrzehnten Gewerkschaftsarbeit haben mich einerseits ernüchtert, andererseits aber auch so radikalisiert, daß ich mir meine Mitstreiter zunehmend penibel aussuche. Was einen Schulterschluß mit Ihnen ausschließt, so gern mir das leid tut.
@Peter Stribl
Mir scheint es, sie mögen unseren Staat gar nicht und da scheiden sich unsere Geister grundlegend.
Jetzt nehmen wir uns als verantwortlich denkende Bürgerinnen und Bürger, man kann auch „Aktivisten“ oder „Naturschützer“ sagen, die 120 Bäume und das Biotop am Döbele vor.
Infiziert wird dieser Einsatz von der Hoffnung sein, die Stadträte nehmen ihren Beschluss, in Zukunft nur klimafreundliche Projekte zu unterstützen, ernst und modifizieren ihren Beschluss von früher um einige Abstriche: 100 Wohnungen weniger, dafür 120 wertvolle alte Bäume und geliebtes Biotop leben lassen. Eine Bürgerinitiative kann keine Beschlüsse umwerfen, aber diejenigen zum Nachdenken bringen, die die Beschlüsse fassen.
Wenn Sie mitmachen, wachsen die Chancen, hier noch die Handbremse zu ziehen.
„Es gibt Momente, da muss man sich den Tatsachen fügen und das Gute daran sehen…“
Das ist die Endlosschleife, auf der die marktorientierte „Demokratie“ ihr Fundament errichtet hat. Resignation durch Ermüdung. Wird nach der Döbele-Bebauung wiederholt. Meine Prognose/Befürchtung. Weil der Büdingen-Defätismus schon den Döbele-Elan infiziert hat. Zumindest bei vorgeblich kämpferischen Leuten.
Wobei die Frage gestattet sein muß: Geht die Tragikomödie nach dem Motto über die Bühne „Ich sag ja nix, ich mein ja bloß“?
So wie ich die Sache verstanden habe, haben Sie völlig Recht, Frau Thorbecke. Es macht keinen Sinn beim Büdingen Areal gegen Windmühlen anzurennen.
Die Bebauung des Döbeles sollte viel mehr in den Fokus rücken!
Hier scheinen mir auch viel eher durch politischen Druck noch Einflußmöglichkeiten zu bestehen.
Vielen Dank, Seemoz, für diesen sachlichen Bericht.
Was bleibt von dieser aufregenden Geschichte übrig?
Das Gefühl des Verlustes, dass dieser Park zu seiner Zeit kein Freiraum für die Öffentlichkeit wurde. Das wurde jedoch lange vor der jetzigen Entwicklung besiegelt.
Der immer schmerzliche Verlust großer alter Bäume, kleiner nachgewachsener Bäume, eigener Naturareale.
Seit das Sanatorium in einem recht Baum kargen Park abgerissen wurde und das schöne Grundstück eine lange Odyssee der wechselnden Besitzer erleben musste, wurden hier permanent nachwachsende und hoch wachsende Bäume in aller Stille gefällt. Die Tore waren verschlossen, was vom Park noch übrig blieb, verwilderte und verschloss sich jeder Pflege oder Betreuung.
Jetzt wird es wieder ein Sanatorium mit Zugang für die Bevölkerung auf einem öffentlichen Weg geben mit einem Hotelier als Besitzer, der keinen Baum aus Lust und Tollerei fällen will und darf, wie wir oben gelesen haben. Es wird einen echten Park mit Grünpflanzen und Blumen geben.
Wir sollten unsere „grüne“ Energie jetzt in jene Projekte stecken, die offensichtlich noch aufzuhalten wären:
Die völlig überzogene Döbele Bebauung! 120 Bäume am Döbele, ein historisch und städtebaulich markanter Grenzbach mit Biotop und grenz-übergreifender grüner Erholungszone sollen für immer einer Bebauung des Döbele weichen. Ein Architektenentwurf aus Zeiten vor den Beschlüssen zum Klimawandel! Ein Entwurf, der die aktuellen Verkehrsprobleme verstärkt anstatt entspannt, ein Entwurf, der eine neue Autostraße als „Flaniermeile“ kennzeichnet und den runden Platzcharakter des Döbele zerstört, weil er in die benachbarten Bereiche ausufert, ein Alptraum für die Anwohner, die Zerstörung eines Biotops ganz eigener Klasse! Hier sollten wir Baum- und Naturfreunde eine Korrektur einfordern, solange es zu spät ist.
Es gibt Momente, da muss man sich den Tatsachen fügen und das Gute daran sehen und solche, da muss man die Notbremse ziehen.
Am vergangenen Sonntag saß der naturvergessende OB in der Bruckner Messe. Falls er da Abbitte getan hat (immerhin gab es im Programmheft eine Übersetzung und war so auch für Nichtlateiner verständlich), der wiederholte Baumfrevel wird ihm bestimmt nicht erlassen.
Er sollte sich mal in einen Wald setzen und dort (zu)hören welche Töne die Natur hat. Vorausgesetzt der Forstingenieur in ihm plant nicht schon wieder (seine Maxime!) den Wald, die Bäume abholzen zu lassen. Vielleicht hört er im Blätterwald (er sollte sich beeilen, bald hat es keine mehr) den Ruf: „Uli, Uli warum verfolgst du uns?“
Bei Paulus hat das geholfen… !
Aus einem Interview mit OB Burchardt, erschienen im Magazin NUN, Ausgabe 4. Zitat: Was ist die Maxime der Natur? Ein Wettbewerb auf Leben und Tod, in der Effizienz gewinnt. Immer.
›Aussagen über die Natur sagen viel mehr aus über den Betrachter selbst als über das zu betrachtende Objekt‹. (Ahne 2016).
Schade, dass Konstanz keinen Bürgermeister hat, der versteht wie Natur funktioniert und was diese überhaupt ist. Das einzig grüne, was ihm wertvoll zu sein scheint, sind allem Anschein nach doch grüne Scheine.
Für die Zielsetzung – betrachtet auf Artniveau -, „dass auf dem Areal nach der Bebauung eine höhere Biodiversität herrscht, als davor“, ist es natürlich das Beste, wenn es von jeder Art nur (noch) ein Exemplar gibt (Simpson-Index) oder zumindest von jeder Art gleich viele Individuen (Shannon-Index). Damit ist auch klar, wie viele Menschen zeitgleich auf dem Areal erwünscht sind, nämlich höchstens so viele, wie Bäume einer Art, alles andere schadet doch der Biodiversität!