„Bildungsklau im ganzen Land – Unsere Antwort: Widerstand!“
Mit diesem Schlachtruf haben am Dienstag fast 2000 Studierenden, Mitarbeitende und ProfessorInnen gegen die Unterfinanzierung und den Sanierungsstau der baden-württembergischen Hochschulen protestiert. Dazu aufgerufen hatten die Studierendenvertretung der Universität und der AStA der HTWG. Landesweit fanden an Hochschulen ähnliche Protestaktionen statt. Anlass waren die Verhandlungen zum Hochschulfinanzierungsvertrag 2021 (HoFV II), mit dem die Landesregierung die Finanzierung der Hochschulen in den nächsten fünf Jahren regeln will.
In den letzten zwanzig Jahren ist, trotz meist guter wirtschaftlicher Lage und sprudelnden Steuereinnahmen, an den Hochschulen eine Finanzierungslücke von umgerechnet 3540 Euro jährlich pro Studierendem entstanden. Die Landesrektoren-Konferenz und die Landes-Studierendenvertretung forderten deshalb bei der Aushandlung der neuen Hochschulfinanzierung eine Anhebung der Grundfinanzierung um 1000 Euro pro Kopf und Jahr. Die grün-schwarze Landesregierung fand dies überzogen und bot 50 Euro, ein Betrag, der von allen Betroffenen zurecht als Skandal bezeichnet wurde. Auch bei der Verstetigung derzeit befristeter Mittel hat sich Stuttgart bisher nicht bewegt. Lediglich bei der jährlichen Steigerung der Grundfinanzierung um drei Prozent zeigt das Land Entgegenkommen, allerdings auf Basis einer viel geringeren Ausgangslage als von den Hochschulen gefordert. Zwei Prozent davon sind zudem allein notwendig, um Kosten- und Tarifsteigerungen aufzufangen.
Alle zusammen – Gegen die Befristung!
Die Folgen der Unterfinanzierung der Hochschulen sind auf allen Ebenen spürbar. Auf Initiative von Daniel Färber, Mitglied im Konstanzer Organisationsteam und Vertreter des Linke-Hochschulverbands SDS an der Universität, hatte auch die Mittelbau-Initiative die Möglichkeit, auf der Kundgebung über die Situation der Mitarbeitenden zu sprechen. Die wachsenden Deckungslücken verschlimmern die ohnehin kritische Lage der befristet arbeitenden Beschäftigten weiter. Mittlerweile ist es keine Seltenheit mehr, dass selbst Kernaufgaben in der Verwaltung, Lehre und den wissenschaftsunterstützenden-Diensten von befristet Beschäftigten ausgeübt werden, von der prekären Situation aller WissenschaftlerInnen unterhalb der Professoren-Ebene ist da noch nicht mal die Rede. Besonders absurd ist, dass diese Stellen auf Zeit durch Programme und Sondermittel des Landes und Bundes finanziert werden. Mit ihrer Weigerung, diese Mittel dauerhaft zuzusichern, fördern Bund und Länder unmittelbar prekäre Beschäftigung. Für die Betroffenen heißt dies, ständig von Zukunftssorgen geplagt zu werden, für die baden-württembergische Hochschullandschaft geht auf Dauer gutes Personal verloren.
Rauf mit der Bildung – Runter mit der Rüstung
Nicht nur Arbeits- und Studienplätze sind durch die wachsenden Haushaltslücken in Gefahr. Am Rande des Demonstrationszugs thematisierte Organisationsteam-Mitglied Färber in einem SWR-Interview die steigende Gefahr der Abhängigkeit von Drittmitteln. „Irgendwo müssen wir Gelder herbekommen – das heißt, wir verlieren unter Umständen die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre, weil wir darauf angewiesen sind, Gelder von Unternehmen einzuwerben“, warnte Färber.
Betrug der Anteil der Grundfinanzierung der Hochschulen 2001 noch 75 Prozent, ist er auf 59 Prozent im Jahr 2011 gesunken, während der Anteil der Drittmittel im selben Zeitraum von 20 auf 27 Prozent gestiegen ist – Tendenz weiter zunehmend. Insgesamt machten die Ausgaben für Hochschulbildung in Baden-Württemberg in den letzten Jahren nur etwa 1 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) aus, während gleichzeitig auf Bundesebene 2 Prozent des BIP für Rüstung ausgeben werden sollen. „Wer mehr Geld für Rüstung als für Hochschulbildung ausgibt, der erweist zukünftigen Generation einen Bärendienst“, so die Rednerin des HTWG-AStA auf der Kundgebung. Die Forderung nach mehr Bildung und weniger Rüstung war denn auf der Demonstration auch sehr präsent und verweist auf die Missverhältnisse in der politischen Prioritätensetzung.
Bei Banken sind sie fix – für Bildung tun sie nix
Negativ bemerkbar macht sich der Sanierungsstau an den Universitäten auch bei Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe. So wurde etwa an der HTWG die Stelle für die Beauftragte für nachhaltige Entwicklung ersatzlos gestrichen. Die Bausubstanz weist erhebliche Mängel auf, die klimaschädlich zu Buche schlagen. Die Studierendenvertretungen haben das Land aufgefordert, dringend nötige Mittel für energetische Sanierungen und klimafreundliche Neubauten bereitzustellen. Die aktuelle Situation im Hochschulbau kann nicht mal als Notstandsverwaltung bezeichnet werden. Es ist keine Seltenheit, dass etwa nach Reparaturen Räume wegen Asbestverseuchung gesperrt werden müssen, bei Starkregen tropft es schon mal von der Decke oder die Sporthalle läuft voll. So geschehen in der Konstanzer Unisporthalle, der man übrigens vor einigen Wochen den Status als Versammlungsstätte entzogen hat. Es tropft und bröckelt an allen Enden.
No Border – No Nation -Free Education
Mit diesem Ruf machten die Demonstrations-TeilnehmerInnen auf weitere Verfehlungen der grün-schwarzen Landesregierung aufmerksam. Seit fast drei Jahren müssen die baden-württembergischen Hochschulen Gebühren für Studierende aus nicht zur EU gehörenden Ländern (1500 Euro pro Semester) und Studierende im Zweitstudium (650 Euro pro Semester) erheben. Besonders zynisch: Hier treibt man Geld von denen ein, die sich am schlechtesten wehren können, und belastet ausgerechnet jene, die sich für eine anspruchsvoller werdende Arbeitswelt fortbilden wollen. Dabei landet das kassierte Geld am Ende nicht mal bei den Hochschulen. Die Gebühren hat man eingeführt, als im Zuge der verfehlten Sparpolitik der Länder das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gezwungen war, entweder Geld einzusparen oder Einnahmen zu generieren. Sie dienen also nicht der Finanzierung von zusätzlichen Lehr- und Betreuungsangeboten, sondern werden verwendet, um Löcher im Landeshaushalt zu stopfen.
Auf Druck der CDU hat die Landesregierung den Verfassten Studierendenschaften ihr politisches Mandat abgesprochen. Mit dieser Demonstration stellen die Studierenden unter Beweis, dass sie sich nicht Mundtot machen lassen und auch weiterhin für ihre Rechte und für eine freie, unabhängige und gut finanzierte Hochschullandschaft mit guter Bildung streiten werden.
df/red (Fotos: privat)