Buchvorstellung: „Konstanz literarisch“
Welche AutorInnen haben in Konstanz gelebt, welche Spuren haben sie hinterlassen, und wie haben die zahlreichen „Dichter auf Durchreise“ die Stadt gesehen? Manfred Bosch (Bild) hat eine umfassende literarische Topografie über ein halbes Jahrtausend zusammengetragen. Ein grundlegender und spannender Beitrag zu einer Kulturgeschichte von Konstanz. Morgen wird das Buch in der Zimmerbühne vorgestellt. Unser Autor Hermann Kinder hat es sich schon mal angeschaut.
Zehn Jahre litt der Widerständler im KZ. Als er 1946 in die Allmannsdorfer Straße (95) zog, war er als Entnazifizierer gefragt. Er versucht, die von der französischen Besatzung erlaubte Zeitung in Konstanz nach demokratisch-sozialistischen Prinzipien zu gestalten. Und scheitert an den konservativen Herausgebern. Darüber schreibt er den Roman „Politik in einer kleinen Stadt“. Der Roman wird nicht veröffentlicht. Sein Autor heißt Rudi Goguel. Später siedelt der Kommunist nach Ostberlin um.
Ich habe nie von diesem Lebenslauf gehört, der so bezeichnend für die Kriegs- und Nachkriegszeit ist. Überhaupt habe ich nur weniges gewusst von dem, was Manfred Bosch in „Konstanz literarisch“ ausbreitet. Sein einmaliges Wissen hat er sich über Jahrzehnte mit strengem Recherchefleiß erworben. „Hätten Sie’s gewusst“, dass die DRK-Zentrale in der Mainaustraße Blattner-Villa hieß, Quartier der Gestapo war, nach dem Krieg als Europa-Haus die „Deutsch-Französische Vereinigung“ beherbergte – mit Bibliothek und Restaurant, ein, wie die Münchner „Neue Zeitung“ schrieb, „Lichtpunkt in dunkler Zeit“? „Hätten Sie‘s gewusst“, dass im heute bedrohten Park des Konstanzer Hofs, danach Sanatorium Büdingen, 1898 der anhaltend berühmte Soziologe Max Weber seiner „schweren depressiven Krisis“ zu entkommen versuchte? Oder dass in der Kanzleistraße 1, gegenwärtig Sitz einer Optikkette und einer Finanzkanzlei, sich Literaten im Café Zentral, genannt „Schächtele“, trafen?
Manfred Bosch berichtet nicht nur von Literaten, Verlegern, Buchhändlern, Kritikern, sondern auch von ihrem kulturell-politischen Umfeld. So entstanden Plätze-Porträts von unter anderem „Bahnhof“ und „Konzil“, von „Insel Hotel“ und „Münsterplatz“, „Marktstätte“. Im Gefängnis, aus dem in Sommernächten Eingesperrte in die Schottenstraße schreien, wurde unter badischem Regiment zum Bimmeln der Schottenkapelle mit dem Fallbeil hingerichtet, saßen nicht nur die „roten“ Arnolds, unter manchen Illustren auch Oskar Schindler, dessen Widerstand Steven Spielberg verfilmt hat. Boschs stolperfrei lesbare Erzählungen berücksichtigen akribisch alles Bedeutsame, Erinnernswerte, vermeiden dabei aber Wertungen nicht.
„Zu welchem Ende“ wird solches Wissen mitgeteilt, dienen die belebten Panoramen von Suso bis ins Jahr 2000? Mir war es nicht zuletzt lieb, Bekannten wieder zu begegnen wie Erich Bloch, Kristel Neidhart, Michael Spohn, der im „Münsterhof“ die Gruppe des Schriftstellerverbandes initierte. Wichtiger als dies Private war mir aber eine Art genereller Geschichts-Schock. Die Wahrnehmung weitet sich, Häuser bekommen Geschichten, Straßen und Plätze füllen sich mit Dagewesenen. Das Kleben an der Gegenwart löst sich: Es gab ja schon so viele vor mir an diesen mir vertrauten Orten mit ihren Arbeiten nicht nur für die Literatur. Peripher ahnt man die Ambitionen, Wünsche, Leiden, Erfolge und Niederlagen der Vorausgegangenen. Und ihrer Lebensweise: dafür ein harmloses Beispiel: Schaut man sich die Fotos von früheren Konstanzer Buchhandlungen an, sieht man eine mittlerweile weit entfernte Buch-Kabinett-Kultur. Der zeitgeschichtliche Solipsismus bekommt heilsame Dämpfer. Eine alte Regel, sich seiner Begrenztheit inne zu werden, war der Rat, in den Sternenhimmel zu schauen. „Konstanz literarisch“ eröffnet den „gestirnten Himmel“ über „Deutschlands letztem Zipfele“.
Manfred Bosch schreibt in seinem Vorwort, das Buch habe er als Entreebillet in seine Wahlheimat geplant. „Wolle mer’n eroilosse“? Andersherum wird ein Schuh daraus: Wer das Buch nicht liest, darf sich zum Auszugsmarsch vorbereiten.
Hermann Kinder (Foto: Ilse Friedrich)
Wann? Freitag, 6.12.2019, freier Eintritt, Einlass 18.30 Uhr Wo? Zimmerbühne Konstanz, St. Johanngasse 2, Konstanz.
Begrüßung und Einführung: Jürgen Klöckler. Vortrag: Manfred Bosch. Lesung aus dem Buch: Manfred Bosch & Jürgen Klöckler.
„Konstanz literarisch“, 360 Seiten, mit zahlreichen farb. und s/w-Abbildungen.
ISBN 978-3-86764-890- Preis: 22 Euro. Kleine Schriftenreihe des Stadtarchivs Konstanz. Band 20.
UVK Verlagsgesellschaft
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