Passage nach „jüdisch versipptem“ Baumeister benannt
Weil er ein Parteigänger der Nazis war, hat der Gemeinderat der Stadt Konstanz dem ehemaligen Oberbürgermeister Franz Knapp die Ehrenbürgerwürde aberkannt. Die Durchgangspassage direkt neben dem Rathaus in der Kanzleistraße ist gleichwohl noch nach dem Juristen benannt, der dem Verbrecher-Regime aus Überzeugung diente. Mit einer Umbenennung will sich die Verwaltung Zeit lassen, auf einen Termin legt man sich nicht fest. Einige Aktionskünstler wollen solange nicht warten.
Die Mitglieder der Gruppe „Freie KOnst“ schritten am 8. 12. zur Tat und tauften die Passage eigenhändig um. Es war nicht der erste Versuch, die Erinnerung an den NS-Helfer aus dem Stadtbild zu verbannen. Statt an den Verwaltungsjuristen, der laut Stadtarchivar Jürgen Klöckler in einer „Schlüsselposition des lokalen NS-Herrschaftssystems“ den Nazis willig zu Diensten war, erinnert das Straßenschild nun an Ludwig Büchler.
Der geborene Lothringer stand als Baumeister seit 1924 ebenfalls im Dienst der Stadt Konstanz und war in den 30er Jahren an führender Position bei vielen großen Bauvorhaben beteiligt, darunter die Modernisierung der Rheinbrücke, die Errichtung der Haidelmoos-Siedlung oder der Neubau des Fährhafens. Weil er 1930 die Jüdin Else Kahn geheiratet hatte, geriet er nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten zunehmend unter Druck seines Dienstherren. Doch Büchler, der den Nazi-Ideologen fürderhin als „jüdisch versippt“ galt, hielt allen Drohungen und Anfeindungen zum Trotz, ausgeübt just von Nazi-Parteigänger Knapp und dem NS-Bürgermeister Mager, seiner Frau die Treue – eine Standhaftigkeit die Else Büchler letztendlich vor dem Tod im Gas bewahren sollte, den viele Konstanzer JüdInnen erleiden mussten. Zugute kamen dem Tiefbauexperten in diesen steinigen Jahren seine exzellenten Fähigkeiten, auf die die Verwaltung nicht verzichten wollte.
Ludwig Büchler ging schließlich 1957 in den Ruhestand, im selben Jahr, in dem die Amtszeit des Franz Knapp endete, der es nach der Befreiung ohne größere Probleme als Oberbürgermeister schnell wieder zu Amt und Würden gebracht hatte. Ganz im Gegensatz zu Büchler, der nach 1945 zwar dem Tiefbauamt sechs Jahre kommissarisch vorstand, dem das Rathaus aber die Ernennung zum hauptamtlichen Leiter verweigerte, obschon Gewerkschaft und städtischer Betriebsrat sich für ihn ausgesprochen hatten. (Mehr über Else Büchler und ihren „knorrigen, knurrigen“ Mann, wie ihn seine Tochter später beschrieb, findet sich hier und hier.) Keine schlechte Wahl also, die von den Aktionskünstlers für den künftigen Namen der Rathaus-Passage getroffen wurde. Und höchste Zeit, dass sich auch die Verwaltung dazu durchringt, zu handeln.
jüg (Fotos: Gruppe „Freie KOnst“)
Literaturhinweis: Erhard Roy Wiehn (Hg,), „Ständig in Angst gelebt. Else Büchler über ihr Leben als Jüdin während der NS-Zeit in Konstanz 1930-1945″. Konstanz: Hartung-Gorre Verlag, 2019