Intendant Nix: Freiheit für Julian Assange
Seit einem dreiviertel Jahr schon befindet sich Julian Assange in Großbritannien ohne Rechtsgrundlage in Isolationshaft. Nach Auskunft von Ärzten ist der Wikileaks-Gründer mittlerweile durch die Haftbedingungen schwer erkrankt. Christoph Nix, Intendant des Konstanzer Theaters und zugleich Jura-Professor, fordert nun die sofortige Freilassung des australischen Journalisten.
Über Assanges Methoden könne diskutiert werden, so Nix laut einer Medienmitteilung des Theaters, es sei aber „die Aufgabe eines Journalisten, Missstände und Kriegsverbrechen öffentlich zu machen“. Der Intendant schließt sich mit seinem Vorstoß einer am 10. Dezember, dem internationalen Tag der Menschenrechte, veröffentlichten Forderung des deutschen PEN-Zentrums an. Eine Fortsetzung der Isolationshaft sei demach nicht zu rechtfertigen, weil sie das Leben von Assange gefährde und eine „für ein demokratisches Land nicht akzeptable Form der psychologischen Folter darstellt“. Stattdessen benötige der Inhaftierte dringend eine umfassende medizinische Versorgung.
Intendant Nix hat zudem sowohl an den deutschen Botschafter in London als auch seinen britischen Amtskollegen in Berlin geschrieben. In den Briefen fordert er von den Diplomaten, sich für menschenwürdige Haftbedingungen des Wikileak-Gründers einzusetzen. Das Schreiben an Botschafter Sir Sebastian Wood dokumentieren wir im Folgenden.
MM/jüg (Foto: David G Silvers via flickr.com, CC BY-SA 2.0)
„..dass der Fall ein Präzedenzfall für ein repressives Vorgehen gegen investigative Journalisten ist, die man notfalls auch mit politischer Verfolgung und Folter zum Schweigen zu bringen versucht. Und dass die schwersten Menschenrechtsverletzungen, die von Assange und WikiLeaks aufgedeckt wurden, einschließlich systematischer Folter, ungesühnt geblieben sind.“
Der UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer über den Fall Assange und die Sabotage von UN-Mechanismen durch die USA, Großbritannien, Schweden und Ecuador.
https://www.heise.de/tp/features/Praezedenzfall-fuer-ein-repressives-Vorgehen-gegen-investigative-Journalisten-4643313.html
„Julian Assange ist das Gesicht der Enthüllungsplattform Wikileaks. Und so ganz allmählich verblasst es. Buchstäblich. Bedrohlich. Er sitzt, nach sechseinhalb Jahren in der ecuadorianischen Botschaft, jetzt in London im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Einzelhaft. Es gibt ernst zu nehmende Hinweise darauf, dass sein Leben in Gefahr ist. Durch die Haftbedingungen, durch Anzeichen „psychologischer Folter“ – UN-Sonderberichterstatter Nils Melzer, 100 Ärzte, Hunderte Journalisten weltweit, alle sind in Sorge, alle warnen sie. Und erwarten, dass die Regierungen etwas tun.
Die in Australien – Assange ist Australier –, aber auch die in Deutschland. „Ich finde, in Europa muss gelten: Wer gefoltert wurde, braucht Hilfe und muss sich auf Rechtsstaatlichkeit verlassen können. Beides ist bei Julian Assange nicht gewährleistet“, twittert der frühere Außenminister Sigmar Gabriel. Er twittert in die öffentliche Sprachlosigkeit der Offiziellen hinein. Wer sich engagiert, sind die Privaten. Am Mittwoch gab es bundesweit Solidaritätsaktionen. Auch vor dem Brandenburger Tor. Das darf aber nicht alles sein.“
Quelle: Tagesspiegel
Mehr Berichterstattung ist dringend nötig!!!
Wir alle müssen schreiben…!
Aus aktuellem Anlaß:
https://www.tagesschau.de/ausland/edward-snowden-memoiren-103.html
Etwas weiter zurückreichend:
https://www.tagesschau.de/ausland/interview-mascolo-snowden-101~_origin-1cf15528-3f9b-40b4-baac-51243ed32d17.html
Daraus diese Passagen:
„Ich glaube, dass Snowden klug genug ist, um zu wissen, dass jemand wie er, der sich einsetzt für die Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten – so sieht er sich selbst -, jemand, der andere Whistleblower ermutigen will, jemand, der gegen die übertriebene Funktion von Geheimdiensten eintritt, in Russland am falschesten Platz ist, den man sich ungefähr vorstellen kann.
…
Deutschland hat immer ganz oben auf der Liste der Länder gestanden, in die er gerne gehen würde, das gilt auch heute noch.
…
Aber es ist aus meiner Sicht ganz und gar ausgeschlossen, dass ein europäisches Land es auf diesen Konflikt mit den USA ankommen lassen würde…“
Hätte es der Interviewer auch nur im entferntesten ernst gemeint mit der unvoreingenommenen Berichterstattung, wäre er um eine Frage nicht herumgekommen:
„Hätte Snowden nicht um Asyl bei der CIA bitten müssen?“
– Zynisch, zugegeben.
Ungefähr so zynisch wie die Vorstellung, in welcher Atmosphäre Faktenchecker und Investigativ-Journalisten vom Schlag Mascolos bis Gensing ihrer Arbeit nachgehen. Nämlich im Hausanzug auf einer kuscheligen Couch vor dem offenen Kamin. Davor ein Fell, Weinglas und Gespielin in angenehmer Reichweite sowie der Laptop auf dem Beistelltisch.
Der wird aber nicht angerührt.
Weil die Lust fehlt, eine lebenslange Haftstrafe oder gar Hinrichtung in beschönigende Phrasen des „framing manual“ zu verpacken.
Wie niederträchtig die Mainstream-Medien mit dem Thema umgehen, wird an diesem Beispiel aus der ARD deutlich:
https://www.tagesschau.de/inland/interview-beckedahl-103.html
Eine Frage daraus:
„tagesschau.de: Hat sich Assange von einer Lichtgestalt zu einem Handlanger Russlands entwickelt?“
Nach diesem Strickmuster wird in allen wichtigen Medien verfahren, sobald es um Fälle wie Assange, Snowden oder Manning geht. Von beruflicher Solidarität ohnehin keine Spur, geht das Verhalten auch noch über das des „embedded journalism“ hinaus.
Nicht die Hubschrauber-Crew, die Zivilisten abballert, stehen am Pranger, sondern die Aufdecker solcher Heldentaten. Nicht die NSA, die Mutti Merkel abhörte, steht im Zwielicht, sondern Huawei wird dahin gerückt. Nicht der Inhalt von Hillary Clintons Mails steht im Vordergrund, sondern deren Veröffentlicher bekommt einen kriminellen Anstrich.
Man mag sich bei privat verfaßten Konzernen wie Springer, Bertelsmann oder Burda mit deren Interessen und den davon geleiteten Veröffentlichungen zufrieden geben. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten wie ARD oder ZDF sind aber dem Rundfunk-Staatsvertrag verpflichtet. Darin wird unvoreingenommene und umfassende Berichterstattung festgeschrieben.
Es ist nicht nur traurig, sondern ein Skandal, daß die Zwangsgebühren-Verpulverer das Motto „legal, illegal, scheißegal“ verfolgen.
In der Sache wie meine Vorredner. Ein trauriges Lehrstück über die Supermacht und internationales Recht. Danke für diese Initiative. – Anm.: Assange ist Australier, nicht Neuseeländer. Die australische Regierung hat ihm kürzlich „konsularische Unterstützung“ zugesagt.
Vor unseren Augen: eine öffentliche Hinrichtung.
So werden kritische, mutige, vorausschauende Menschen mehr als mundtot gemacht.
Assange wurde/wird gefoltert und das in der ältesten „Demokratie“. Die Todesstrafe ist mitnichten abgeschafft, sie ist in dieser Form besondes pervers.
Danke, für die Aufforderung, Ermutigung an die Botschafter… zu schreiben. Das ist für uns alle eine frohe Botschaft: Tun ist Hoffnung!
Mittlerweile hat das Deutsche PEN Zentrum ebenfalls die beiden Botschafter angeschrieben, es wäre zu wünschen, dass dies viel öfter geschieht, Snowden und Assange stehen für die Menschen, die die Welt über den Bespitzelungswahn der Großmächte aufgeklärt haben und mit ihrer Vernichtung rechnen müssen. Was kostet es da wenigstens einen Brief zu schreiben aus den Privathäusern, den Rathäusern, den Kirchen und den Universitäten, den Schulen und Sporteinrichtungen, den Weihnachtsfeiern, den Zeitungs- und Radiohäusern: nichts.
Nicht nur Assange sondern auch Snowden weden von Ländern im Stich gelassen, die offenbar Angst vor den Konsequenzen haben, die doch vorwiegend wirtschaftliche sein können. Bravo, Herr Nix, Bravo, Herr Melzer, eine Rede, die den Nagel auf den Kopf trifft!
Rede des UN Sonderberichterstatters, Nils Melzer,
am Brandenburger Tor in Berlin, 27 November 2019
https://medium.com/@njmelzer/anything-to-say-was-ich-zu-sagen-habe-56c287755314?