„Die Mainau war bislang an einer Aufarbeitung nicht interessiert“

A. Moser

Nach Kriegsende wurden einstige KZ-Häftlinge zur Erholung auf der Mainau untergebracht. Daran wollte die Mainau-Grafenfamilie Bernadotte bisher nicht erinnern. Unter dem wachsenden Druck verschiedener Persönlichkeiten nicht nur aus Konstanz – erst gestern hat z.B. Prof. Alfred Grosser den „Offenen Brief“ unterschrieben – und dem Engagement des Konstanzer Historikers Dr. Arnulf Moser scheint sich das nun zu ändern. Der Druck auf die Mainau-Familie nimmt zu. Ein Gespräch mit Arnulf Moser.

17 Jahre nach der Veröffentlichung Ihres Buches „Die andere Mainau 1945. Paradies für befreite KZ-Häftlinge“ kommt nun Bewegung in die Frage von Gedenken und Erinnerung. Hat Sie das überrascht und auch gefreut?

Das kommt immer wieder mal vor, dass Themen, die ich vor vielen Jahren einmal bearbeitet habe, auf einmal wieder gefragt sind. Das freut einen dann schon.

Der ‚Südkurier‘ titelte „Mainau stellt sich Geschichte“. Was sagen Sie zur Berichterstattung in Ihrer Lokalzeitung?

Na ja, die Mainau war bis vor wenigen Tagen an einer Aufarbeitung nicht interessiert. Und die Lokalzeitung hat sich von der Mainau einbinden lassen. Da ist keine eigene Recherche dabei.

Die jungen Adeligen des Mainau-Managements haben drei bekannte Historiker aus Konstanz aufgeboten, um ihnen fachliche Hilfe zu geben. Ihr Name fehlt. Sind Sie zu kritisch für die „Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes, das auch eine sichtbare Form der Erinnerung definieren muss“, wie sich das Gräfin Bettina wünscht?

Eine Kommission zu berufen, kann heissen: Erst mal Zeit gewinnen, auf die lange Bank schieben, in sechs Monaten spricht keiner mehr davon. Es kann auch heissen: Hoffentlich kommt die Kommission zu einer anderen Bewertung der Fakten als ich.

Eine Ohrfeige für Sie oder viel Feind, viel Ehr?

Etwas seltsam war das schon. Aber ich bin den drei Experten der Kommission freundlichst verbunden. Sie wissen, was ich mache, und ich weiss, was sie machen.

Werden Sie ihren drei Kollegen – Lothar Burchardt, Tobias Engelsing und Jürgen Klöckler – trotzdem zur Seite stehen?

Ich denke schon.

Tübingen, Dijon, Madrid, Konstanz…
Arnulf Moser, Jahrgang 1943, hat in Tübingen und Dijon Geschichte, Politik und Romanistik studiert. Nach dem Studium bekam er ein Stipendium des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) nach Paris für seine Promotion über das Thema „Bürgerrechte von Minderheiten wie Juden, Protestanten, Neger, Schauspieler, Henker in den Anfängen der Französischen Revolution“. Anschliessend war Moser für die Universität Konstanz eineinhalb Jahre in Madrid für ein Projekt „Korrespondenz Karls V.“ tätig. Danach ging er in den Schuldienst und war 30 Jahre lang Lehrer an der Wessenberg-Schule in Konstanz. Moser war Studiendirektor, zudem war er auch in der Lehrerfortbildung tätig und an Schulbüchern beteiligt.

Sie haben, neben Ihrem Beruf als Gymnasiallehrer, einige Jahre an Ihrem 135-seitigen Mainau-Opus recherchiert und geschrieben, waren in Berlin und Paris, haben viele Archive besucht, Fakten gesammelt, und auch mit Albert Speer, Hitlers Architekt, 1966 korrespondiert. Was muss nun die Mainau-Kommission noch tun?

Denkbar wäre die Aufarbeitung der Biographien der auf der Mainau verstorbenen KZ-Häftlinge oder ein Vergleich der Verhältnisse auf der Mainau mit denen im Notspital in Herisau.

Die drei historischen Berater werden also die Quellenlage prüfen, nach neuen Quellen suchen und die historischen Ereignisse, so gut es geht, zusammenstellen?

Als ich an dem Büchlein gearbeitet habe, hat mir das Staatsarchiv in Freiburg die Einsicht in manche Akten verwehrt, weil sie angeblich zu viele private Dinge zu Bernadotte enthalten. Heute sind die Akten zugänglich. Mich hat damals unter anderem die Frage interessiert, welche Wertobjekte und Einrichtungsgegenstände die Organisation Todt auf die Insel Mainau gebracht hat, woher sie stammten und was aus ihnen geworden ist.

Erstmals haben Sie am 19. Dezember 2011 in Ihrem „Offenen Brief“ zusammen mit Claus-Dieter Hirt, Präsident der Deutsch-Französischen Vereinigung Konstanz, auch die 33 Namen der auf der Insel Mainau verstorbenen KZ-Häftlinge aus Frankreich gefunden und veröffentlicht. Sollte nicht auch diesen Biografien nachgegangen werden? Wer könnte das tun? Die Universität Konstanz?

Die Akte mit den Namen der auf der Mainau Verstorben war mir damals schon bekannt, aber ich bin den Einzelschicksalen nicht weiter nachgegangen. Heute sind die Suchmöglichkeiten mit elektronischen Hilfsmitteln sehr viel besser. Eine Aufarbeitung wäre sicher sinnvoll, durch wen auch immer.

Erhielten Sie seither Reaktionen?

Es haben sich andere Zeitungen gemeldet.

Was erhoffen Sie sich aus dem möglichen Einlenken der Verantwortlichen des großen Tourismusunternehmens Mainau GmbH?

Ich halte eine Gedenktafel an der Stelle des französischen Friedhofs nach wie vor für sinnvoll. Ich habe dies schon damals bei Erscheinen des Buches zusammen mit der Verlegerin Dr. Brigitte Weyl, die damals auch Vorsitzende der Deutsch-Französischen Vereinigung war, vorgeschlagen. Die Mainau könnte das damalige Geschehen durchaus auch positiv verbuchen: Hier konnten ehemalige KZ-Häftlinge sich erholen. Das würde so manchen ausländischen Touristen beeindrucken.

Sie sind heute im aktiven Ruhestand und 68 Jahre alt, haben einige Bücher geschrieben und sind als Zeitgeschichtler in der Euregio Bodensee engagiert. Was sind Ihre nächsten Projekte?

Ich werde am 27. Januar 2012 (Auschwitz-Gedenktag) im Zentrum für Psychiatrie Reichenau einen Vortrag halten über „Erbgesundheitsgesetz und Zwangssterilisation in Baden 1933-1945“. Das Thema betrifft auch das Gesundheitsamt Konstanz. Mal sehen, was sich daraus machen lässt. Überdies war ich an der Diskussion um die Aufhebung des Grabes des Dichters Wilhelm von Scholz beteiligt und bin jetzt an der biographischen Aufarbeitung engagiert.

Autor: Urs Oskar Keller  (www.urs-ok.ch)

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