Eine Tragikomödie um Zoffingen
Es gibt Zeiten, die derart hart sind, dass wir über jeden zweiten unserer Texte schreiben müssten: „Achtung! Keine Satire!“ So auch hier. Die Initiative Zukunft Zoffingen hat eine „Traueranzeige“ verfasst, die seemoz letzte Woche veröffentlichte. Der Versuch, eine ähnliche Anzeige im Konstanzer Anzeiger unterzubringen, stieß dort allerdings auf unerwartete Bedenken. Die Anzeige könne nur veröffentlicht werden, wenn sie keine Namen wie „Stadt“ oder „Caritas“ enthalte. So muss es sein!
Hier der Mailwechsel zwischen der Initiative und einer geschätzten Kollegin des Konstanzer Anzeigers, der übrigens im Südkurier Medienhaus residiert. Wir haben die Namen der handelnden Personen ersetzt, den Text ansonsten aber bis auf minimale stilistische Korrekturen unverändert gelassen.
Viel Vergnügen bei der Lektüre wünschen wir nicht nur jenen, die sich gelegentlich mal fragen, wem diese Stadt denn wirklich gehört. Und vergessen Sie nicht: Wer sich auf die in der Verfassung verbriefte Meinungsfreiheit beruft, ist ein Verfassungsfeind – und verliert damit automatisch seine in der Verfassung garantierten Rechte.
Also: Augen auf und durch …
Das Corpus delicti
Die Anzeige, die die Initiative im Konstanzer Anzeiger schalten wollte, also der rauchende Colt.
Wir trauern um die heute vor einem Jahr im Auftrag der Caritas gefällten Kastanien. Sie mussten mit Billigung der Stadt einem unnötig großen Anbau für das geplante Pflegeheim weichen.
Mail No. 1
Montag 13.01., 12:00 Uhr. Initiative an Konstanzer Anzeiger.
Betreff: Private Anzeige im Konstanzer Anzeiger
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir möchten anfragen, ob Sie die im Anhang enthaltene Anzeige in der Konstanzer Ausgabe des Konstanzer Anzeigers schalten können.
Wir stellen uns eine Größe von 94 mm x 140 mm vor, möchten aber nicht mehr als 600 Euro inkl. MwSt ausgeben.
Unter welcher Rubrik würden Sie diese Anzeige schalten können? Gibt es hier preisliche Unterschiede je nach Platzierung?
Wie ist der preisliche Unterschied zwischen Druck in Schwarz-Weiß und Farbe?
Welche Ausgabe erreichen wir noch und bis wann müssten Sie dazu von uns den Auftrag erhalten?
Freundliche Grüße
Zukunft Zoffingen
Mail No. 2
Dienstag, 14.01., 11:41:08 Uhr. Konstanzer Anzeiger an Initiative
Betreff: AW: Private Anzeige im Konstanzer Anzeiger
Hallo Initiative,
vielen Dank für Ihre Anfrage zwecks einer Buchung im Konstanzer Anzeiger.
Nach Rücksprache mit unserer Geschäftsleitung kann ich diese Anzeigenform nicht annehmen. Die Anzeige kann veröffentlich werden, wenn keine Namen genannt werden – wie Caritas + Stadt Konstanz. Vor einer Veröffentlichung muss dann bitte auch die Freistellungserklärung ausgefüllt und unterschrieben uns vorliegen.
Ich hoffe für Ihr Verständnis.
Der Anzeigenpreis würde bei einer Größe von 2 Spalten / 140 mm bei € 616,00 + MwSt. liegen.
Mit freundlichen Grüßen
Konstanzer Anzeiger
Mail No. 3
Samstag, 18.01., 12:51 Uhr. Initiative an Konstanzer Anzeiger und weitere EmpfängerInnen
Betreff: Fw: Fwd: Antwort des Südkurier Verlags zu unserer Anzeige im Konstanzer Anzeiger
Guten Tag Konstanzer Anzeiger,
Ihre Mail an uns hat uns alle doch sehr erstaunt. Ist das jetzt Voldemort: Caritas und die Stadt als „die, deren Name nicht genannt werden darf“? Ist das die Meinungsfreiheit, die wir uns wünschen?
Wir haben uns ja an einiges gewöhnt, z.B., wo künstlerische Freiheit bei der Caritas endet: bei dem Kunst- und Mal-Event im Sommer vergangenen Jahres durfte man alles malen, nur keine Bäume (!)
Wir würden uns wünschen, dass Anzeiger (oder auch Südkurier) sich für die freie Meinungsäußerung stark machen, auch oder sogar gerade da, wo auf der anderen Seite die mächtige Caritas, die Stadt oder wer auch immer stehen.
Vielen Dank!
Initiative Zukunft Zoffingen
MM/red (Fotos: Initiative Zukunft Zoffingen)
War denn nicht bekannt, dass der ANZEIGER ein Ableger vom SÜDKURIER ist? Das ist doch offensichtlich, denn welche wirklich unabhängige Zeitung würde egal sonst das AMTSBLATT in sich tragen? Diese Traueranzeige muss wohl beim Tagblatt in Kreuzlingen geschalten werden, denn hier wird weder das Qult noch Akkzent eine solche Anzeige drucken. Ganz schön heftig hier! Leider merken es immer noch wenig unserer Konstanzer Bürger. Schade um die Anzeige, sie wäre es wert, öffentlich gedruckt zu werden. Gut, dass es SEEMOZ gibt!
Südkurier und Anzeiger sind insgesamt schon eine Traueranzeige! Bitte nicht als Zynismus verstehen.
Ich bin der Meinung, die Caritas handelte rücksichtslos und asozial in Bezug auf die Natur und die Bürgeranliegen der Stadt Konstanz.
Schön, wenn es möglich ist, seine Meinung zu äußern.
„Wir würden uns wünschen, dass Anzeiger (oder auch Südkurier) sich für die freie Meinungsäußerung stark machen …“
Die freie Meinungsäußerung von Herrn Brumm ist zumindest unter „Meinung“ gewährleistet. Wie frei er wirklich ist, weiß nur er, denn im allgemeinen schlägt er sich auf die Seite der Verwaltung der schönsten Stadt von allen.
Letzthin in einem Cafè: Eine Frau am Nebentisch spricht über Konstanz und seine schlechte Energie. Es stellt sich heraus, dass sie gebürtige Pragerin ist, wortwörtlich: „Hier wabert Jan Hus durch die Gassen!“.
Zu der Realsatire (Das Leben schreibt die besseren oder schlechteren Geschichten!): Hier in Konstanz wabert vielleicht der arme Jan Hus durch die Gassen, aber viel ärger und damit nicht nur ärgerlich: hier herrscht die berüchtigte Vetternwirtschaft, der Konstanzer Klüngel (Leihgabe aus dem Kölner Sprachsegment) und so etwas wie die Öttinger Mafia. Eine Hand wäscht die andere; ein Baum nach dem nächsten fällt; ein Grundstück oder eine Immobilie nach dem/der anderen kann von geldpotenten Machern erworben werden; freien Geistern werden die Weinteufel an den Hals publiziert…