Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (1)

Ab heute fragen wir alle zwei Wochen freitags nach Persönlichkeiten aus der Geschichte – nach frechen Frauen, couragierten Männern und überhaupt nach Menschen, die sich für eine bessere Welt einsetzten und dabei nicht selten viel riskierten. Manche sind noch heute bekannt, viele andere aber sind in Vergessenheit geraten – wie etwa die imposante Zeitungsverlegerin der badisch-pfälzischen Revolution 1848/49, mit der wir die Serie beginnen.

 

Die majestätische Kurierin

Unmut machte sich breit auf der Frauenkonferenz 1869 in Milwaukee. Ein Pfarrer hatte gerade erklärt, die männliche Überlegenheit zeige sich schon allein darin, dass Männer größer und stärker seien. Doch dann erhob sich neben ihm eine deutsche Delegierte, und die Verärgerung wich heiterem Gelächter: Mit ihren ein Meter dreiundachtzig überragte sie den Kirchenmann bei weitem. Nie war es für die damals 52-Jährige so leicht gewesen, verbohrte Zeitgenossen mundtot zu machen.

Die „majestätische“ Frau mit der „außergewöhnlichen Bildung und der bewundernswerten Rede“ (so eine Zeugin des Vorfalls) kam 1817 auf einem Gut in Westfalen zur Welt. Sie wuchs behütet auf, wurde von Hauslehrern unterrichtet, und hätte der Vater sich nicht bei einem Eisenbahnprojekt verspekuliert, wäre sie eine gute Partie gewesen. So aber schwanden Geld und Ansehen. Ein Weinhändler half aus und übernahm mit den Schulden des Hauses auch die hübsche Tochter. Die glaubte sich verliebt, der Gatte entpuppte sich aber als gewalttätig. Ein Jahr ertrug sie die Prügel, dann, inzwischen Mutter, zog sie aus und wurde „wegen böslicher Verlassung“ des Ehemanns schuldig geschieden.

1839 ging sie nach Münster, wo sie sich und ihre Tochter zunächst nur mühsam über Wasser halten konnte. Doch sie war sprachgewandt, begann für Zeitungen zu schreiben, verfasste Gedichte und machte sich allmählich als Literatin einen Namen. Nebenbei – sie verkehrte nun in sozialistischen Kreisen – entdeckte sie ihr Lebensthema: „Das Weib im Konflikt mit den socialen Verhältnissen“. Sie heiratete einen rebellischen Leutnant, zog in die preußische Rheinprovinz nach Köln und etablierte dort ein „kommunistisch-ästhetisches Clübbchen“, in dem mit revolutionärem Eifer ein besseres Deutschland diskutiert wurde.

Als die FranzösInnen 1848 Louis-Philippe entthronten, kam es auch im Rheinland zu Erhebungen, die sich angesichts des bornierten Preußenkönigs radikalisierten. Die Anführer – darunter ihr Mann – wurden verhaftet und die Oppositionszeitungen, die sie daraufhin herausgab, eine nach der anderen verboten. Bei einer erneuten Aufstandswelle 1849 beließ sie es nicht mehr beim gedruckten Widerwort, sondern fungierte für die Revolutionstruppen als berittene Kurierin. Nach der Niederlage floh sie über die Schweiz wie zehntausende andere in die USA und wurde dort eine wichtige Akteurin der Frauenrechtsbewegung.

Wie heißt die 1884 verstorbene Schuldirektorin, die den US-Amerikanern vorhielt: „Ihr wollt eine freie Nation erziehen und lasst (…) die Mutter unfrei! Wie soll sie lehren, was sie selbst nicht ist!“?

Brigitte Matern (Text und Collage)

Die Auflösung des Rätsels folgt am kommenden Montag.