Thurgau: Noch mehr Privilegien für Großkonzerne
Im Kanton Thurgau wurde vergangenes Wochenende über eine von der bürgerlichen Mehrheit (aus SVP, FDP, CVP, GLP) im Grossen Rat (Parlament) beschlossene Änderung des kantonalen Steuergesetzes entschieden. Ergebnis: Die ThurgauerInnen befürworteten diese Änderung. Das wirft Fragen auf, meint unser Kommentator.
Die Gesetzesänderung war die Folge davon, dass die Schweiz aufgrund von internationalen Vereinbarungen Steuerprivilegien für internationale Konzerne abschaffen musste. Nun soll diesen also auf kantonaler Ebene „geholfen“ werden. Der ruinöse Konkurrenzkampf der Kantone untereinander um günstige Steuersätze für Firmen hat also wieder begonnen.
Die Gewinnsteuer für Firmen soll von 4 auf 2,5 Prozent gesenkt werden, obwohl die große Mehrheit der mittelständischen Unternehmen fast oder überhaupt keine Gewinnsteuern bezahlt. Juristische Personen würden in Zukunft noch mit maximal 13 Prozent besteuert. Es sind also mal wieder nur die „dicken Fische“, die gehätschelt werden. Der Steuerausfall des Kantons mit gerade einmal 270.000 Einwohnern beliefe sich auf 60 Millionen Franken jährlich.
Einen Teil davon übernähme der Bund, aber am Kanton würden immer noch Ausfälle von 45 Millionen Franken hängenbleiben. Zu befürchten wäre bei einer Annahme ein Leistungsabbau in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Kultur, also bei der Qualität der kantonalen Infrastruktur. Die Gegner der Gesetzesänderung befürchten wohl nicht zu Unrecht, dass der Mittelstand die Rechnung begleichen muss. Und weil das Behördenreferendum (durch eine Minderheit im Parlament) ergriffen wurde, kam es nun am vergangenen Sonntag zur Volksabstimmung.
34,7 Prozent der Stimmberechtigten beteiligten sich an der Abstimmung. Nicht gerade ein Zeichen von übergroßer Anteilnahme an der finanziellen Zukunft von Kanton und Bevölkerung im Schatten der Großunternehmen, obwohl normalerweise auch im Thurgau der Spaß beim Geld aufhört.
Das wirklich erschreckende Ergebnis aber lautet: 62,7 Prozent lehnten die Argumente der Gegner der Steuervorlage ab, stimmten dem geänderten Finanzgesetz mit seinen Privilegien für Großunternehmen zu. Also noch immer Behörden- und Staatsgläubigkeit im ehemaligen Untertanenland? Oder der naive Glaube, wenn es den Reichen immer besser gehe, würde auch der übergroße Rest der Bevölkerung profitieren?
Jochen Kelter