VCD: Bahn in BaWü benachteiligt
Dass es mit dem Ausbau der Bahnstrecke Stuttgart-Zürich nicht vorangeht, bemängelt der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) und verweist als Gegenbeispiel auf die Verbesserungen an der Strecke München-Lindau in Bayern. Die Ursache für den Stillstand, der ja die gesamte Region betrifft, sieht der Verkehrsclub im mangelnden Willen der Politik, die Gäubahn wie mit der Schweiz bereits 1996 (!) vertraglich vereinbart, auch tatsächlich auszubauen. Hier die Erklärung des VCD im vollen Wortlaut.
Während in Baden-Württemberg der fehlende Ausbau der Strecke Stuttgart-Zürich politisch beklagt werde, lohne ein Blick über die Landesgrenze nach Bayern. Dort gehe im Dezember 2020 die modernisierte Bahnstrecke München-Lindau in Betrieb, die die Fahrzeit München-Zürich um 75 Minuten verkürze – darauf weist der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) hin. „Vor dem 2. Weltkrieg führte die kürzeste und schnellste Verbindung zwischen Berlin und Zürich über Stuttgart mit Schnellzügen Berlin-Stuttgart-Rom, noch bis 1999 gab es direkte Zugverbindungen von Stuttgart bis Genua, Rom und Neapel“, stellt VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb mit Blick in alte Kursbücher fest.
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Heute jedoch sei man per Bahn zwischen Zürich und Berlin über Stuttgart 40 Minuten länger unterwegs als auf der schnellsten Verbindung über Mannheim und Basel – ab Dezember 2020 ergibt sich rechnerisch die kürzeste Fahrzeit über München-Lindau. Stuttgart gerate so bei den internationalen Verbindungen immer weiter ins Hintertreffen, beklagt der VCD.
Jahrzehntelang seien von Stuttgart aus Nachtzüge nach Italien über Mailand und Rom bis Neapel bzw. Lecce unterwegs gewesen, doch die Landespolitik habe sich mehr um Stuttgart 21 und die Anbindung der Gäubahn an den Flughafen Stuttgart als um die Aufrechterhaltung von internationalen Zugverbindungen von Stuttgart über die Gäubahn nach Italien gekümmert, kritisiert Matthias Lieb.
Obwohl der Bund schon 1996 im Vertrag von Lugano gegenüber der Schweiz den Ausbau der Strecke von Stuttgart nach Zürich zugesagt habe, seien bislang keinerlei Baumaßnahmen umgesetzt werden – vielmehr sei die Fahrzeit jetzt sogar wieder 15 Minuten länger als noch vor 15 Jahren. Auch auf der Rheintalbahn sähen die Planungen eine Fertigstellung erst nach 2040 vor. „Damit werden die Strecken mit dem höchsten grenzüberschreitenden Fahrgast- und Güterverkehrsaufkommen zwischen Deutschland und der Schweiz erst in rund 20 Jahren leistungsfähig ausgebaut sein“, beklagt Matthias Lieb. Bemerkenswert sei für den VCD in diesem Zusammenhang, dass einzig die Strecke München-Zürich pünktlich im Jahr 2020 noch innerhalb der Vertragslaufzeit des Vertrages von Lugano fertig werde.
Verwundert sei der VCD, dass auf der Strecke Zürich-München ab Dezember Neigetechnikzüge zum Einsatz kommen werden, während zwischen Stuttgart und Zürich solche abgezogen worden seien und aus Sicht des Bundes und der DB AG auch nicht wieder eingesetzt werden sollen.
Hier zeige sich die Vernachlässigung der Gäubahn, aber auch der Murrbahn durch den Bund und das Bundesverkehrsministerium, beklagt der VCD. Denn wenn diese Strecken leistungsfähig ausgebaut wären, würde die Verbindung Berlin-Zürich wieder über Stuttgart führen, stellt Matthias Lieb fest.
Daher fordert er erhöhte Anstrengungen, um die Gäubahn so bald als möglich entsprechend dem Staatsvertrag zu ertüchtigen: Zweigleisiger Ausbau, Elektrifizierung auch des zweiten Gleises, Beschaffung neuer Neigetechnikfahrzeuge/Ausbau der Strecke für schnelle Befahrbarkeit ohne Neigetechnik.
Und vor allem: Keine Abkoppelung (wie bislang geplant) der Gäubahn von der Panoramabahnstrecke in den Stuttgarter Hauptbahnhof.
Hintergrund
Im Schienenverkehr zwischen der Schweiz und Deutschland gibt es derzeit vier direkte Grenzübergänge, die alle über Baden-Württemberg führen, zusätzlich gibt es vom bayerischen Lindau aus noch eine Transitverbindung über Österreich in die Schweiz. Im Staatsvertrag von Lugano aus dem Jahr 1996 wurden im Zusammenhang mit dem Bau der neuen Schweizer Alpentunnel Maßnahmen auf drei deutschen Strecken vereinbart:
1. Viergleisiger Ausbau der Rheintalbahn.
2. Fahrzeitverkürzungen und Kapazitätserhöhung auf der Strecke Stuttgart-Zürich (Gäubahn).
3. Elektrifizierung der Strecke München-Lindau (-Zürich).
Die Vereinbarung von 1996 war auf das Zieljahr 2020 ausgelegt.
VCD/red (Bild: DB-Loks mit Bauzug in Rottweil, via Wikipedia, Kastenzehner / CC BY-SA)