Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (4)
Alle zwei Wochen fragen wir freitags nach Persönlichkeiten aus der Geschichte – nach frechen Frauen, couragierten Männern und überhaupt nach Menschen, die sich für eine bessere Welt einsetzten und dabei nicht selten viel riskierten. Manche sind noch heute bekannt, viele andere aber in Vergessenheit geraten – wie etwa jener heute 89-jährige, der mit seinen Kopien einst die US-Regierung in Erklärungsnot brachte.
Der verantwortungsvolle Antikommunist
„I need blood“, meldete der 34-jährige Pentagon-Angestellte dem Militärstab in Vietnam: Das US-Verteidigungsministerium benötigte dringend Bilder grausamer Aktionen des verfeindeten kommunistischen Vietcongs. Viel fand sich auf die Schnelle allerdings nicht. Ein Foto zweier an Ketten durch den Dreck geschleifter US-Soldaten musste genügen, um zu beweisen, dass die Intensivierung des Kriegs unumgänglich war. Obwohl er als Berater die Eskalationsoption mit ausgearbeitet hatte, hielt er diese Strategie für falsch. Deshalb war er alles andere als glücklich, als die U.S. Air Force am 7. Februar 1965 mit dem Flächenbombardement begann. Bis er zum „gefährlichsten Mann Amerikas“ wurde (so Henry Kissinger), dauerte es allerdings noch ein paar Jahre.
Hätte er die Konzertpianisten-Laufbahn beschritten, wie die Mutter es wünschte, wäre das Leben des 1931 in Chicago geborenen Wissenschaftlers vermutlich harmonischer verlaufen. Doch das Herz des überzeugten Antikommunisten schlug für die Armee. Er studierte Ökonomie, diente bei den US-Marines und promovierte über „Risiko, Ungewissheit und Entscheidung“. Die Rand Corporation, mächtige Denkfabrik der US-Streitkräfte, nahm den hochintelligenten Offizier mit Handkuss – und 1967, nach seinem Intermezzo im Pentagon und zwei Jahren Vietnam, auch gern wieder zurück.
Einblick in delikate Verschlusssachen hatte er schon zuvor erhalten. Die „Pentagon-Papiere“ jedoch, eine höchst geheime Studie über das US-Engagement in Vietnam, verschlugen ihm den Atem. Sämtliche Manipulationen und offensichtliche Fehlentscheidungen der US-Regierungen und Geheimdienste seit 1945 waren darin dokumentiert. Er sah, dass der Vietnamkrieg auf Lügen aufgebaut war – und dringend gestoppt werden musste. So kopierte er heimlich den 7000-Seiten-Bericht und hoffte, dass die Presse und der Kongress das heiße Eisen anpackten. Lange vergeblich.
Als im Juni 1971 die „New York Times“ endlich mit der Veröffentlichung begann, fuhr die US-Regierung alle Geschütze auf: Dem „Hurensohn“ (O-Ton Richard Nixon) drohten 115 Jahre Gefängnis. Dass der zuständige Richter sich nicht bestechen ließ und es zudem aufflog, dass eine „Klempnertruppe“ illegal Informationen über den Whistleblower beschafft hatte, war sein Glück. Der Prozess platzte.
Wie heißt der Bürgerrechtsverteidiger, den sein Engagement gegen den Irakkrieg und für Whistleblower wie Julian Assange und Chelsea Manning später mehrmals verhaftet wurde?
Text und Collage: Brigitte Matern
Die Auflösung folgt am kommenden Montag.