Nach dem Takeda-GAU: Konstanz muss neu rechnen

Der Arbeitsplatz-GAU ist da: Takeda streicht 710 Stellen allein in Konstanz, deutschlandweit über 1200, der Standort Aachen wird geschlossen. Bis Ende 2013 soll der Arbeitsplatz-Abbau nach Willen der Geschäftsleitung abgewickelt sein. Dann verbleiben in Konstanz gerade mal 150 Angestellte im administrativen Bereich; der Forschungsbereich wird, wenn nicht geschlossen, so doch verlagert. Allein die 880 Arbeitsplätze in Singen scheinen gesichert – bis 2013.

Die Betroffenen: Von der Stellenstreichung betroffen sind 460 Konstanzer Beschäftigte in der Entwicklungs- und Forschungsabteilung und weitere 250 im Bereich Vertrieb – allesamt gut bezahlte, hoch qualifizierte Jobs, für die es in der Region kaum Alternativen gibt. Zwar gilt nach Auskunft des Betriebsrates der Sozialplan bis Ende 2012 (Abfindungszahlungen beispielsweise sind bis dahin gesichert), doch für das Jahr 2013 müssen neue Regelungen verhandelt werden. Über mögliche Hilfen der Stadt oder der Agentur für Arbeit ist bislang Konkretes nichts bekannt.

Der Betriebsrat: Nach Aussage des Konstanzer Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Rolf Benz wollen die Arbeitnehmer-Vertreter jetzt mit der Geschäftsleitung neue Verhandlungen für einen Interessensausgleich aufnehmen. Das heißt: Der Betriebsrat versucht noch, strukturelle Veränderungen im Konzept der Geschäftsleitung durch zu setzen. Das heißt aber auch: Erst nach erfolgreichem Abschluss solcher Gespräche können Verhandlungen über einen Sozialplan, der dann ab 2013 gelten könnte, beginnen. Betriebsbedingte Kündigungen will der Betriebsrat in jedem Fall verhindern. Überdies wird auf Betriebsratsseite über die Gründung einer Transfergesellschaft nachgedacht, um damit konkret von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeitern im Rahmen einer einjährig befristeten Beschäftigung neue Arbeitsplätze zu vermitteln. Eine Protestkundgebung am 24.1. ist geplant.

Die Geschäftsleitung: Auf der gestrigen Mitarbeiterversammlung war noch „von Unwägbarkeiten des deutschen Arzneimittelmarktes“ als Begründung für den Stellenabbau die Rede. Das aber war wohl sogar den Managern als Argument zu blöde. Am Nachmittag schob dann Gilbert Rademacher, Noch-Deutschland-Chef von Nycomed, den wahren Grund nach: Doppelstrukturen und Überkapazitäten innerhalb des Takeda-Konzern. Und tatsächlich verfügt Takeda, größte Pharma-Firma Japans, weltweit über mehrere Forschungszentren, die jetzt wohl den Vorzug vor Konstanz erhalten haben.

Die Politiker: Sie waren gestern flott mit großen Worten zur Stelle. „Die Nycomed-Heuschrecken haben kassiert, die Mitarbeiter zahlen die Rechnung“, wussten plötzlich der Konstanzer SPD-Vorsitzende Prof. Dr. Uwe Herwig und der Chef der Gemeinderatsfraktion, Jürgen Leipold; Landrat Frank Hämmerle (CDU) brachte seine Fassungslosigkeit zum Ausdruck; von „absoluter sozialer Verantwortungslosigkeit“ sprach Siegfried Lehmann, Landtagsabgeordneter der Grünen; und Oberbürgermeister Horst Frank beklagte, dass „die Vorzüge des Forschungsstandorts Konstanz“ nicht berücksichtigt worden seien, versprach aber, den Betroffenen „unverzüglich zu helfen“ und kündigte Gespräche mit der Landesregierung an.

Die Probleme: Von der wirtschaftlichen Not, die nun auf die gefeuerten Beschäftigten, ihre Familien und ihr Umfeld, zukommt, ganz abgesehen: Die Stadt Konstanz wird Kaufkraftverluste und Steuer-Mindereinnahmen in Millionenhöhe verkraften müssen. Neben dem Wegfall an Lohn- und Einkommenssteuer ist das vor allem der Einbruch bei der Gewerbesteuer. Die nämlich wird anhand des Umsatzes und der Mitarbeiterzahl errechnet – beide Kennziffern rasen bei Takeda, dem größten Steuerzahler der Stadt, in den Keller. Da rächt sich die Abhängigkeit von einigen wenigen Groß-Steuerzahlern; da rächt sich aber auch die stete Weigerung des Gemeinderates, die Gewerbesteuer moderat auf das Niveau anderer Gemeinden im Land anzuheben – mit den Resterträgen dieser Steuer wird die Stadt jetzt rechnen und leben müssen. Große Ausgaben jedenfalls wie für die Konzilfeierlichkeiten gehören spätestens jetzt auf den Prüfstand.

Autor: hpk

 

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