Geflüchtete nicht besser überwachen, sondern sicher unterbringen
So kommentiert die Konstanzer Seebrücke das Aufstellen eines Zauns um die Sammelunterkunft in der Steinstraße, diesmal veranlasst vom Landratsamt. Die Initiative widerspricht in einer Medienmitteilung der behördlichen Aussage, die Maßnahme diene dem Infektionsschutz der BewohnerInnen. Die beengten Sammelunkünfte machten es unmöglich, Infizierungen zu verhindern. Die Seebrücke bekräftigt deshalb ihre Forderung, Geflüchtete umgehend dezentral unterzubringen. Die Mitteilung im Wortlaut.
Wie an Ostern bei der städtischen Anschlussunterbringung für Geflüchtete „Atrium“ ist seit Montag (27.4.2020) auch die vom Landratsamt Konstanz betriebene Sammelunterkunft für Geflüchtete in der Steinstraße umzäunt. Im Unterschied zur Situation am „Atrium“ handelt es sich diesmal nicht um die Umsetzung von beim Coronavirus vorgeschriebenen Quarantänemaßnahmen. Wie es in einem Schreiben an ehrenamtlich Engagierte lautet, soll damit ein vom Landratsamt verhängtes „Besuchs- und Betretungsverbot“ besser überwacht werden. Ein Sicherheitsdienst wird dafür vom Landratsamt schon länger bezahlt.
Der Form halber weisen wir darauf hin, dass diese Besuchs- und Vertretungsverbote über die allgemeingültige Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 in der Fassung vom 22.3.2020 hinaus gehen. Laut dieser dürfen in Wohnräumen bis zu vier Besucher*innen Menschen im Haushalt besuchen. Ob dies in derartigen Sammelunterkünften sinnvoll ist, bleibt zu bezweifeln.
An der Art der Unterbringung verändern Stadt und Landkreis allerdings nichts. Das Landratsamt suggeriert durch Zaun und Wachdienst „die Bewohnerinnen und Bewohner mit allen dafür notwendigen Mitteln vor einer Infizierung mit dem Coronavirus zu schützen“. Dem widerspricht die Konstanzer Seebrücke entschieden.
Selbst Krankenhäuser und Pflegeheime können trotz höchster Vorsichtsmaßnahmen und Isolation Infizierungen nicht verhindern. Nicht die Geflüchteten sind an den drohenden Infektionen schuld, sondern diejenigen, die Geflüchtete nicht geschützt unterbringen. In welchem Desaster dies enden kann, zeigt die Situation in der LEA Ellwangen (Landeserstunterbringung), wo mehrere hundert Geflüchteten infiziert sind und Gesunde und Infizierte nicht mehr voneinander getrennt werden.
Solche Zustände gilt es in Konstanz zu verhindern. Daher bekräftigen wir abermals unsere Forderung an Stadt und Landkreis Geflüchtete unverzüglich dezentral beispielsweise in Ferienwohnungen oder Hotels unterzubringen. Nicht restriktive und diskriminierende Überwachung zeugt von einem verantwortungsvollen Umgang mit Geflüchteten und dem Coronavirus, sondern sichere Unterbringung.
MM/red (Foto: D. Sartor)
18.Mai 2020. Die Maßnahmen gegen Corona werden in nahezu allen Bereichen gelockert.
Begleitet von einem großen Medienspektakel hat unser OB mit vollem Engagement mit dazu beigetragen, dass der Grenzzaun wegkommt. Respekt dafür. Mit selbigem Engagement und möglichst wenig Medienbegleitung hat er sich für den Zaun um die Gemeinschaftsunterkunft eingesetzt. Und dieser Zaun steht immer noch!
Diese Praxis wurde und wird als „rassistisch“ kritisiert. Mann beachte: nicht einzelne Politiker und nicht die Verwaltung wurden als Rassisten beschimpft, das ist ein sehr großer Unterschied. Und wären Rassismus und Antirassismus Teil einer europäischen Allgemeinbildung, beispielsweise als ein Scharnier zwischen Erinnerungsarbeit und Gegenwart, oder Bestandteil einer pluralistischen Gesellschaft, wüssten wir das Alle. Die Reaktionen auf den Vorwurf der rassistischen Einzäunungspraxis der CDU, des Oberbürgermeisters und des Sozialbürgermeisters füttern und pflegen einen kulturellen und einen politischen Rassismus, anstelle einer sachorientierten, reflexiven Auseinandersetzung mit eigener Einzäunungspraxis. Wir hörten vom OB dieser Vorwurf sei, ich zitiere: „ein Tritt in die Eier der Verwaltung.“ Also ich möchte mich nicht von einer Verwaltung verwalten lassen, die damit prahlt Hoden zu besitzen. Mit Verlaub, das empfinde ich rückschrittlich, vulgär und chauvinistisch. Diesen sprachlichen Fehlgriff wiederholend, formte der Sozialbürgermeister folgende Metapher: „das war ein Griff in die Hose (der Verwaltung).“ Sind nicht diese Aussagen ein unfairer Schlag gegen die, von den Konstanzer*innen sehr wohl und sehr stark geschätzte Verwaltung? Ich sehe darin im Paket (Zaun und Umgang mit zivilgesellschaftlicher Kritik) eine aufkommende Trumpisierung unserer Gesprächskultur.
Heute Morgen um kurz vor sechs war der Zaun komplett geschlossen und mit einem Ringschloss gesichert. Demnach wird den Bewohnern in einem bestimmten Zeitraum wohl der Gang vom Gelände verweigert. Da frage ich mich schon was das soll? Weshalb dürfen die Bewohner nachts nicht mehr nach draußen? Oder nicht zu lange weg bleiben um noch nach drinnen zu kommen?
Für mich ist das Offener Vollzug – lediglich ohne Straftat oder Gerichtsurteil.
Gerade heute wo unsere Mehr-Klassen Gesellschaft täglich sichtbarer wird könnte doch auch das Landratsamt endlich Schritte hin zur Integration Geflüchteter in die Gesellschaft gehen, und das beginnt m.E. mit Respekt. Was für ein Leben in Coronazeiten an Schutz nötig ist sollte allen Menschen gewährt werden. Schafft endlich anständige Unterkünfte für Geflüchtete!