Ein Autokino für Konstanz?

Kaum können Mann und Frau wieder etwas durchschnaufen, weil weniger Stinkekutschen auf den Straßen unterwegs sind, schon macht sich die Lokalpolitik Gedanken darüber, wie das Auto wieder attraktiver zu machen wäre: Ein Autokino soll her, um Konstanz künstle­risch mit Open-Air-Filmen zu bereichern. Weitere Themen der Gemeinderatssitzung am Donnerstag sind das mögliche vorzeitige Spielzeit-Aus für Theater und Philharmonie sowie die weitere finanzielle Förderung des Vereins „83 Konstanz integriert“.

Natürlich geht es bei Gemeinderatssitzungen nicht nur darum, die Stadtmütter und -väter wieder einmal mit Kaffee, Kuchen und knackigen Brötchen zu versorgen, sondern auch darum, Geld zum Besten der Allgemeinheit (wer auch immer das sei) auszugeben. So auch morgen. Angesichts der drohenden Einnahmeausfälle und der Haushaltssperre erfordern solche Entscheidungen von den RätInnen derzeit natürlich einiges Fingerspitzengefühl.

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Bei manchen Anträgen darf man sich neunundneunzigprozentig sicher sein, dass sie durchkommen, auch wenn natürlich so manche SPDler und Grüne immer wieder für eine Überraschung gut sind, die das Herz so mancher erfrischt, aber das Blut anderer in deren Adern gerinnen lässt.

83

Die Initiative „83 Konstanz integriert“ kümmert sich um Wohnraum für geflüchtete Menschen. Sie hat ihr Ziel, 83 Personen unterzubringen, bereits im Sommer 2017 erreicht und bis 31.12.2019 rund 165 Geflüchtete in Privatwohnungen vermittelt. Aber es geht natürlich weiter, und das kostet neben Hirnschmalz, Schweiß und Ideen nicht zuletzt auch Geld. Da soll die Stadt helfen: Einerseits soll für das Jahr 2020 eine Vollzeitstelle mit 42.000 Euro bezuschusst werden, andererseits werden 6.500 Euro als Sachkostenzuschuss benötigt. Diese Zuschüsse entsprechen den Zuschüssen der letzten Jahre.

2020 sollte eigentlich ein Konzept stehen, das die Zusammenarbeit zwischen 83 und der Verwaltung neu organisieren sollte, aber die organisatorische und inhaltliche Neuausrichtung wird coronabedingt auf 2021 verschoben. Dabei geht es unter dem Titel „Raumteiler“ um eine strategische Zusammenarbeit der Bereiche Wohnraumakquise (Sozial- und Jugendamt), Obdachlosenunterbringung (Bürgeramt) und Vermittlung von Geflüchteten (83). Die entsprechende Sitzungsvorlage mit einem umfassenden Konzept sollte den Gremien im Juli 2020 zur Entscheidung vorgelegt werden, doch dann kam Corona. Jetzt wird’s 2021, aber das ändert nichts am Motto: „Zsamme gohts bessr.“

Verwunderlich an dieser Vorlage ist aber, dass unter „Auswirkungen auf den Klimaschutz“ die Option „Ja, positiv“ angekreuzt wurde. Natürlich ist 83 höchst förderlich für das menschliche Klima in Konstanz, aber so hat sich Fridays for Future die Konstanzer Vorreiterrolle beim Klimaschutz denn wohl doch nicht vorgestellt.

Mach kein Theater

Angesichts der mörderischen Viren, die ungesehen von Mensch zu Mensch hüpfen, sind Theater und Konzertsäle seit geraumer Zeit geschlossen. Der Gemeinderat soll jetzt darüber befinden, ob die Spielzeiten von Theater und Orchester vorzeitig beendet werden, da vor der Sommerpause kaum mit einer Besserung zu rechnen ist. Auf Konzert- wie Theaterbühnen arbeiten Menschen eng beieinander, und das birgt erhebliche Risiken, und auch das Publikum hat kaum Platz für sinnvolle Sicherheitsabstände.

Daher empfiehlt die Verwaltung, „den Spielbetrieb von Theater und Philharmonie für die gesamte restliche Spielzeit 2019/2020 einzustellen. Der Betrieb würde somit erst wieder mit Beginn der neuen Spielzeit 2020/2021 aufgenommen werden. Der Vorprobenbetrieb für die Spielzeit 2020/2021 kann, sofern die Hygienevorschriften eingehalten werden können und die Vorgaben von Bund und Ländern nicht anderslautend sind, ab KW 27 durchgeführt werden.“ Das hieße, dass ab Ende Juni mit den Proben für die nächste Saison begonnen werden könnte, aber erst nach den Sommerferien wieder gespielt würde.

Nun zählen SchauspielerInnen und MusikerInnen aber größtenteils zu jener raren Spezies Mensch, die ihren Beruf liebt und ganz versessen darauf ist, sich vor Publikum zu produzieren. Deshalb würden sowohl Orchester als auch Theater gern mit einem abgespeckten Notprogramm fortfahren. Die Führungscrew des Theaters möchte zumindest ihre geplante Freiluftaufführung unter entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen durchführen (seemoz berichtete bereits hier und hier darüber).

Auch die Philharmonie sieht – allerdings eingeschränkte – Wirkungsmöglichkeiten. Dass die MusikerInnen, die untereinander intensiv über Gesundheitsschutz versus Freiheit der künstlerischen Betätigung debattiert haben, dabei weniger an ihr Einkommen denken müssen, haben sie einer tarifvertraglichen Regelung zu verdanken: Ihr Kurzarbeitergeld von 60% bzw. 67% wird auf 90% bis 95% des normalen Einkommens aufgestockt. Es geht ihnen also tatsächlich vor allem darum, Musik zu machen und in Übung zu bleiben, denn wie sagte schon Yehudi Menuhin: „Wenn ich einen Tag nicht übe, merke ich den Unterschied, wenn ich zwei Tage nicht übe, merken es meine Freunde, und wenn ich drei Tage nicht übe, tuschelt das Publikum.“

Intendantin Insa Pijanka schlägt daher vor: „Trotz der Beendigung der Saison 2019/20 wäre es uns möglich – natürlich unter Wahrung der entsprechenden Hygienevorschriften und Auflagen – vor der Sommerpause Konzerte mit kleineren Formaten durchzuführen. Gedacht wäre hier an Kammermusik mit wenigen Musikern und einer begrenzten Zuschauerzahl an geeigneten Orten.“ Sollte die rechtliche Grundlage dafür gegeben sein, würde die Südwestdeutsche Philharmonie also gern in der Stadt präsent sein. Ein Streichquartett, das sich an der Marktstätte um den Kaiserbrunnen aufstellt und Haydns Hob. III:77 (op. 76 Nr. 3) spielt, stelle ich mir darunter vor. Sie kennen einen Teil des Stücks übrigens … [1]

Kino draußen?

Die CDU regt in einer Anfrage an, sich über die Eröffnung eines Autokinos Gedanken zu machen. „Die Konstanzer Bevölkerung zeigt sich sehr diszipliniert und akzeptiert die umfangreichen Beschränkungen des Lebens weitgehend,“ resümieren die Christdemokraten, die sich ja von Natur aus für Disziplin und Beschränkung zu begeistern vermögen. Sie möchten die KonstanzerInnen dafür belohnen, finden die Idee „charmant und unterstützen den Gedanken, eine kontaktarme Form der Freizeitgestaltung anzubieten“. Das hört sich ja beinahe an, als sei ein Autokino die höchste Form des Gott allein wohlgefälligen Zölibates. Mit der Wendung, man „könnte die Schaffung eines offiziellen Freizeitangebotes unterstützen, um dem Wunsch nach gemeinsamen Erlebnissen einen geordneten Rahmen zu geben,“ sind sie dann endgültig an der Grenze zum Gottesdienst angelangt. Auch FDP und JFK sind von dieser Leinwand-Idee eines lokalen Veranstalters angetan.

Aber hallo! In Zeiten der Klimakatastrophe ein Auto-Kino? Soll das umweltschädliche Autofahren noch attraktiver gemacht werden? Entwickelt endlich Radfahrer-, Fußgänger- und Rollator-Kinos! Und zur Eröffnung gibt es dann eine Doku über den „Langen Marsch“, damit die Leute sich nicht vor dem weiten Heimweg gruseln.

O. Pugliese (Bild: O. Pugliese, gesehen 2018 in Hannover)

[1] Das Stück wird „Kaiserquartett“ genannt, und der zweite Satz enthält die schlichte Weise „Gott erhalte Franz, den Kaiser“, mit der nicht Franz Beckenbauer gemeint ist. Trotzdem möchten Sie diese Melodie am liebsten bei jedem Fußball-WM-Finale hören – sie wird nämlich seit 1922 auch als deutsche Nationalhymne benutzt.