„Forderung nach Anerkennung des Härtefallantrags unseres Mitbürgers Harrison Chukwu“
Im Fall des abgelehnten Härtefallantrags für Harrison Chukwu meldet sich jetzt die lokale Grünen-Basis zu Wort. Der Kreisvorstand der Partei, die Gemeinderatsliste FGL und der Jugendverband bitten den Innenminister brieflich, für einen Verbleib des gebürtigen Nigerianers zu sorgen. Sie verweisen auf eine Bundesratsinitiative der grün-geführten Landesregierung, „gut integrierten Geflüchteten“ eine Bleibeperspektive zu ermöglichen. Unterschrieben hat den Brief auch der OB-Bewerber Luigi Pantisano.
[the_ad id=“70230″]
Das Schreiben vom 11. Juni im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Innenminister Strobl,
Im März haben sich die Regierungsfraktionen darauf geeinigt, dass sich Baden-Württemberg mit einer Bundesratsinitiative dafür einsetzt, dass gut integrierten Geflüchteten eine Bleibeperspektive ermöglicht wird. Diese Politik wird nicht nur von vielen Bürger*innen und Geflüchteten-Hilfsorganisationen, sondern auch von Vertreter*innen der Wirtschaft gefordert, da die Arbeitskraft der Geflüchteten hier als wichtige Unterstützung wahrgenommen wird. In diesem Zuge hat das Innenministerium den Unternehmer*innen vorgeschlagen, Härtefallanträge für ihre geflüchteten Mitarbeiter*innen zu stellen.
Besonderes Interesse hat in Konstanz der Fall von Harrison Chukwu aus Nigeria geweckt. Er lebt seit zehn Jahren in Deutschland, spricht unsere Sprache und engagiert sich ehrenamtlich u.a. im Café Mondial Konstanz, einem gemeinnützigen Verein, der Begegnungsraum für alteingesessene und neue Konstanzer*innen bietet. Außerdem ist Herr Chukwu unbefristet im Restaurant „BurroBurro“ angestellt. Sein Arbeitgeber Herr Müller-Nestler hat ausdrücklich erklärt, dass er mit der Arbeit von Herrn Chukwu sehr zufrieden ist und es ihm ein großes Anliegen ist, dass dieser weiter für ihn arbeitet.
Die Unterlagen hierzu lagen der Härtefallkommission vor. Der Härtefallantrag wird Ihnen in diesen Tagen von den Antragsteller*innen weitergeleitet. Das große öffentliche Interesse an einem Verbleib von Herrn Chukwu zeigt sich unter anderem darin, dass sich über 2000 Bürger*innen in einer Petition für eine Duldung aussprechen (https://www.openpetition.de/petition/online/harrisonistkonstanzerausbildungsduldung-fuer-harrison).
Der Härtefallantrag für eine Aufenthaltserlaubnis/Duldung von Herrn Chukwu wurde Ende letzter Woche von der Härtefallkommission abgelehnt: er wurde nicht von der Kommission an das Innenministerium weitergeleitet. Wir möchten hiermit gegen diese Entscheidung protestieren. Uns fehlt jedes Verständnis dafür, warum ein Mensch wie Herr Chukwu nicht weiter hier leben soll. Im Fall von Herrn Chukwu kommt erschwerend hinzu, dass für ihn bereits ein Bescheid über eine Ausbildungsduldung durch das Regierungspräsidiums Karlsruhe vorlag. Aufgrund dieser Zusage wurde die oben genannte Petition von den Initiator*innen abgebrochen. Wie sich herausstellte vorschnell: Die Zusage wurde vom Regierungspräsidium aufgrund eines internen Fehlers nach kurzer Zeit zurückgenommen. Dieser Fehler hatte somit zur Folge, dass die Petition nicht beim zuständigen Ausschuss eingereicht wurde und auch nicht wiederaufgenommen werden konnte. Wir sind der Meinung, dass diese unglücklichen Umstände jetzt beim Umgang mit dem Härtefallantrag beachtet werden müssen. Aufgrund der großen Integrationsleistung von Herrn Chukwu (Sprache, Arbeit und ehrenamtliches Engagement), seiner Bedeutung für unsere Konstanzer Stadtgesellschaft sowie den behördlichen Fehlern fordern wir, dass der Härtefallantrag von Harrison Chukwu von Herrn Strobl persönlich geprüft und anerkannt wird. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Harrison Chukwu traumatisiert zu uns nach Deutschland kam – aus einem Land, das aufgrund der zahlreichen bewaffneten Konflikte im Land als NICHT sicheres Herkunftsland gilt.
Der Fall Harrison Chukwu steht für viele Menschen, die gut integriert sind und sich in die Gesellschaft einbringen. Wir fordern daher zusätzlich, dass auch die anderen Härtefallanträge von Geflüchteten, welche eine große Integrationsleistung vollbracht haben und sich in einem Arbeitsverhältnis befinden, anerkannt werden. Der Härtefallantrag für Harrison Chukwu ist sehr gut ausgearbeitet und seine Integrationsleistung vorbildlich. Außerdem haben sich auch viele Bürger*innen für seinen Verbleib ausgesprochen. Wenn sogar in diesem Fall gegen den Geflüchteten entschieden wird, ist zu befürchten, dass auch viele weitere Härtefallanträge abgelehnt werden.
Sehr geehrter Herr Innenminister Strobl, lassen sie doch bitte der Regierungs-Vereinbarung – Bundesratsinitiative zum Bleiberecht für gut integrierte Geflüchtete – konkrete Taten folgen. Es liegt in Ihrer Verantwortung, bitte ermöglichen sie Harrison Chukwu eine Zukunft in seiner Stadt.
MM/red
Bild: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (r.) und Innenminister Thomas Strobl bei einer Regierungspressekonferenz 2019 in Stuttgart (Quelle: Pressestelle der Landesregierung).
Sehr geehrter Herr Greszki,
ich kann Ihren Gedanken nicht ganz folgen. Dass Sie die ALDI- und LIDL-Läden an KZ-Baracken erinnern, ist vielleicht Ihnen nachvollziehbar – mir jedenfalls nicht. Ihre weitere Gedankenkette hin zu der Einweisung in „Lager“ erscheint mir in dem von Ihnen aufgemachten Kontext („wir Deutschen haben ja nie aufgehört Lager zu bauen“) als zumindest wenig angemessen.
Und Ihre Vorstellungen zur Bekämpfung der Fluchtursachen („und Zack!“) erscheinen mir doch die Komplexität des Problems zu verkennen.
Es ist irgendwie keine klare Linie erkennbar in der Politik und deren Umsetzung in unserer Bundesrepublik: Angeblich gibt es einen Fachkräftemangel bei Handwerksberufen und bei Dienstleistungen (ich sehe da eher eine eklatante Unterbezahlung weshalb sich kaum jemand findet) , dann gibt es Menschen wie Harrison Chukwu die sich scheinbar bestens integriert und etabliert haben – die abgeschoben werden sollen – dann gibt es Serienkriminelle Flüchtlinge – die wir nicht schaffen zu rechtlich umrahmt wegzusperren…wo soll bei einem derartigen Gehampel Akzeptanz bei der staunend zuschauenden Bevölkerung herkommen? Und wenn wir wirklich Fluchtursachen bekämpfen wollen, dann müssen wir – wie Herr Maier richtig anmerkt – unseren Handelspartnern faire Konditionen anbieten. Und richtig ist auch: Jeder so schön integrierte syrische Arzt fehlt ebendort bitterlich. Deswegen mag ich eher Lösungen wie damals im zerfallenden Jugoslawien: eine zu Ende durchgeplante Intervention und einen Plan für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wiederaufbau – und Zack! hat man in nur 30-50 Jahren einen Handelspartner.
Die Basketball Bundesliga musste vorzeitig abgebrochen werden weil die US Spieler vor dem Lockdown in ihre Heimat wollten. Europaweit starben Senioren in privater und institutioneller Pflege weil die Pflegekräfte ebenso zu ihren Familien in die osteuropäischen Länder heim kehrten. Wer kann es ihnen verübeln, wir alle würden wahrscheinlich so handeln…
Wann fangen wir endlich an Fluchtursachen zu bekämpfen? Die wenigsten verlassen ihre Heimat freiwillig. Zuwanderung hilft vornehmlich der Zuwanderungsgesellschaft. Am wenigsten der Herkunftsgesellschaft. Am Ende bleiben in den Herkunftsländern v.a. kriminelle korrupte sowie ungebildete Menschen zurück. Man nennt es Braindrain. Die privat transferierten Devisen bleiben Almosen für die zurückgebliebenen Familienmitglieder. Ob im Kosovo, in der Sahelzone oder in Afghanistan ist, es ist immer die gleiche Entwicklung.
Dass es umkehrbar ist zeigt die sozioökonomische Entwicklung Polens. Einst die größte Zuwanderungspruppe der BRD, heute verlassen mehr Polen Deutschland Richtung Heimat als zu uns kommen.
Früher einte die weltweite Linke die internationale Solidarität, heute gehen (national denkende) Linke Hand in Hand mit Unternehmern und unterstützen den Braindrain. Ist das dann eigentlich Querfront zwischen rechten unternehmerischen Interessen und linken, egalitären (aber national gedachten) Idealen?
Wenn man die Aussagen des CSU Entwicklungsministers betrachtet, bekommt man den Eindruck, dass uns hier rechts oder links wohl keine Richtschnur mehr ist…
Um nicht missverstanden zu werden, persönlich wünsche ich Herrn Chukwu, dass er dort leben darf, wo er für sich seine Zukunft sieht. Aber dass in diesem Zusammenhang inzwischen von Linken in Deutschland immer wieder die Zuwanderungsgesellschaft gefordert wird, halte ich für zu tiefst unsolidarisch mit den Menschen in der Dritten Welt. Deutschland hätte als stärkste europäische Volkswirtschaft die Möglichkeit zur inklusiven Entwicklung Afrikas. Frau Merkel bekämpft Fluchtursachen aber lieber indem sie Sicherheitsabkommen mit repressiven Regierungen in Afrika abschließt und denen neben Knowhow auch gleich die Ausrüstung mit liefert…
@ Peter Krause: Wir Deutschen haben ja nie aufgehört Lager zu bauen, wenn man sich Aldi oder Lidl anschaut, erinnert irgendwie immer an KZ-Baracken. Wer dann die Anforderungen nicht erfüllt muss ausreisen, wer sich weigert kommt in ein Lager bis er abgeschoben wird. Ganz einfach.
„Gerecht“ gibt es nicht, jeden Traum auf ein beseres Leben zu zerstören ist ungerecht und letztendlich unmenschlich. Trotzdem muss es eine Begrenzung der Zuwanderung geben sonst zerstört es das Ziel der Zuwanderung.
„I Have a Dream!“
Ich erinnere an dieser Stelle an den einstimmigen Beschluss des Konstanzer Kreistags auf Antrag der Linkspartei im Juli 2018, allen Geflüchteten in Ausbildung und Arbeit – unabhängig von ihren Herkunftsländern – ein Bleiberecht zu erteilen. Diese Resolution richtete sich an den Landesinnenminister Thomas Strobl.
Ich hoffe sehr, dass die neue Initiative Früchte trägt und Harrison endlich bleiben darf!
http://die-linke-konstanz.de/2018/07/24/kreistag-fuer-linke-antrag-zu-bleiberecht-von-gefluechteten-in-ausbildung-und-arbeit/
Es wäre in der Tat an der Zeit, dass es ein Einwanderungsgesetz gibt, dass klare Anforderungen und gesetzliche Regelungen definiert, wer unter welchen Voraussetzungen einwandern darf und wer nicht.
Aber: Auch wenn es ein solches Gesetz geben sollte, wird es weiterhin in großer Zahl Menschen geben, die nach Deutschland kommen werden – sei es auf der Suche nach Asyl oder aus anderen Gründen -, die diese Anforderungen nicht erfüllen werden, aber dennoch bleiben möchten. Wie soll hier verfahren werden, ohne die grundlegenden Gebote der Menschlichkeit zu verletzen? Ich glaube nicht, dass ein Einwanderungsgesetz dafür sorgen wird, dass die sogenannte „Zuwanderung“ „gesteuert“ werden kann, ohne dass es in vielen „Einzelfällen“zu harten – evtl. auch ungerechten – Entscheidungen kommen wird, die wiederum viele Menschen in Verzweifelung stürtzen wird.
Ich bin hier letztlich ratlos.
Statt Härtefallregelungen, die immer irgendwie nach „Gnadenerlass“ riechen, sollte es endlich ein ordentliches Einwanderungsgesetz geben, welches auch die Möglichkeiten von Flüchtlingen regelt.