Schloss Arenenberg: Eine Kaiserin bringt Kohle
Mit Verspätung startet jetzt in den sechs kantonalen Thurgauer Museen das Ausstellungsprojekt „Thurgauer Köpfe“. Das Napoleonmuseum auf dem Arenenberg widmet sich darin unter dem Titel „Eine Kaiserin bringt Kohle“ der letzten Monarchin Frankreichs, Eugénie de Montijo. Sie nutzte das Schlossgut am Bodensee nach dem Tod ihres Mannes, Kaiser Napoléon III., mehrere Jahre lang als Sommersitz. 1906 schenkte sie das Anwesen samt seinen Sammlungen dem Kanton. Vor 100 Jahren, am 11. Juli 1920, starb sie.
[the_ad id=’68671′]
Napoléon III. war für viele seiner Zeitgenossen ein gefundenes Fressen: Er, der eher großspurig als groß war, inspirierte Karikaturisten wie Journalisten zu höchsten Spottleistungen, und auch Karl Marx beschäftigte sich mit erheblichem Erkenntnisgewinn für sich und seine Mitmenschen mit dem „kleinen“ Napoléon. Dieser Louis Bonaparte (1808-1873), ein Neffe des „richtigen“ Napoléons, hatte Teile seiner Kindheit in Konstanz und auf dem nahen Schloss Arenenberg verbracht, putschte sich 1851 an die Macht, ließ sich zum Kaiser krönen und wurde 1870 gestürzt. Marx hatte mit Blick auf ihn 1852 prophetisch geschrieben: „Hegel bemerkt irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Thatsachen und Personen sich so zu sagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als große Tragödie, das andre Mal als lumpige Farce.“ Marx sollte recht behalten, denn während Napoléon I. von tragischer Größe umflort zu sein schien, sahen manche seiner Zeitgenossen in Napoléon III. eher einen anmaßenden Hanswurst.
Man hatte es reichlich
Trotz Sturz und Exil waren Napoléon III. und seine Familie natürlich keine armen Leute, und an ihren diversen Wohnsitzen quollen die Schatztruhen über, so dass es sich auch nach dem Sturz vom Thron durchaus mondän leben ließ. Die Schätze auf dem Arenenberg etwa erzählen einen Teil der Lebensgeschichte einer der bis heute rätselhafteren Monarchinnen ihrer Zeit: Kaiserin Eugénie de Montijo, der Frau von Napoléon III.
Geboren 1826 im spanischen Granada kam sie mit ihrer Familie auf der Flucht vor Bürgerkrieg und Cholera 1834 nach Frankreich. Sie wuchs in Paris auf, ihre Hauslehrer waren u.a. berühmte Schriftsteller wie Stendhal und Prosper Mérimée. Mit 26 Jahren heiratete sie, knapp zwei Monate nach dessen Krönung, Louis Napoléon Bonaparte, jetzt Napoleon III. Damit wurde sie selbst Kaiserin Frankreichs.
Arenenberg als Sommerfrische
Nur einmal, im Jahr 1865, verbrachte das kaiserliche Ehepaar gemeinsame Tage auf dem Arenenberg, wo der Kaiser als Kind und junger Mann im Exil gelebt hatte. Nach seinem Tod im englischen Exil verlebte sie ab 1873 mehrere Jahre lang die Sommermonate am Thurgauer Bodensee. 1906 stiftete Kaiserin Eugénie das millionenschwere Schlossgut Arenenberg mit seinen Sammlungen dem Kanton Thurgau. Einerseits handelte es sich um die gesamte Liegenschaft, bestehend aus den Schloss- und Gutsgebäuden sowie um mehr als 14 Hektar an Ackerfeld, Wiesen, Reben, Wald, Garten und Park – in der Tat, die Ex-Kaiserin hatte weiterhin Kohle, und das nicht zu knapp. Andererseits gingen mit der Schenkung unzählige Kunstgegenstände und Dinge des täglichen Gebrauchs an den Kanton über. 14 Jahre später, am 11. Juli 1920, starb Eugenie mit 94 Jahren in Madrid und hatte damit ihren Mann um beinahe ein halbes Jahrhundert überlebt.
Das Napoleonmuseum präsentiert derzeit in seiner Ausstellung ausgewählte Stücke aus den Privatsammlungen der Kaiserin: Schmuck, Porzellan, Prunkwaffen, Chinoiserien, Karikaturen, Tapeten, signierte Möbelstücke, aber auch Schlüsselwerke der napoleonischen Geschichte. Sie illustrieren das Leben der nicht unumstrittenen Ex-Kaiserin.
Wer einen Besuch im Museum mit dem großartigen Blick auf See und Reichenau unternimmt, lasse sich aber nicht blenden, sondern wappne sich gegen etwaige Anflüge von Nostalgie, indem er sich eine Erkenntnis von Marx zu Herzen nimmt: „Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden.“
MM/red (Bild: Napoleonmuseum Thurgau)
Was: Thurgauer Köpfe – Eine Kaiserin bringt Kohle Wo: Napoleonmuseum Thurgau, Schloss und Park Arenenberg, CH-8268 Salenstein, www.napoleonmuseum.ch, +41 (0)58 3457410. Wann: Im Juni 2020 jeweils Dienstag bis Sonntag 10:00 bis 17:00 Uhr, letzter Einlass 16:00 Uhr, Montag ist Ruhetag. Im Juli und August 2020 täglich 10:00 bis 17:00 Uhr, letzter Einlass: 16:00 Uhr. Wieviel: Erwachsene CHF 15,00, Kinder und Jugendliche (6-16 Jahre) CHF 5,00, Familien CHF 32,00, auch Euro werden akzeptiert, die Räume sind nur teilweise barrierefrei. Was noch: Die Schau ist Teil der Gemeinschaftsausstellung der sechs Museen des Kantons Thurgau unter dem Titel „Thurgauer Köpfe“.