„5 vor 12“ – aber Singens Karstadt-MitarbeiterInnen geben nicht auf
5 vor 12 – diese Uhrzeit war nicht zufällig gewählt, sondern Programm – hatten sich am vergangenen Freitag mehr als 200 BürgerInnen an der Großbaustelle vor dem Singener Karstadt-Gebäude zusammengefunden. Trotz gewittrig-schwülem und leicht regnerischem Wetter waren sie der Einladung des Betriebsrates von Galeria Karstadt/Kaufhof und der zuständigen Gewerkschaft ver.di zur Protestkundgebung gegen die eine Woche zuvor angekündigte Schließung der hiesigen Filiale Ende Oktober gefolgt.
„Es ist 5 vor 12 – aber wir geben nicht auf, wir kommen, um zu bleiben“, mit diesem Motto der Kundgebung begrüßte Markus Klemt, Bezirkssekretär von ver.di Schwarzwald-Bodensee die Versammelten und sicherte den 124 Singener Karstadt-MitarbeiterInnen jede erdenkliche Unterstützung zu, in ihrem Kampf, das drohende Aus doch noch abzuwenden. Schon vor Beginn der Veranstaltung herrschte reges Gedränge, zahlreiche UnterstützerInnen und KundInnen von Karstadt äußerten ihr Entsetzen sowie Unverständnis über die Entscheidung und leisteten Unterschriften, die der Konzernleitung übergeben werden sollen. 2.000 waren in wenigen Tagen schon zusammengekommen.
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Unverständnis über die Schließung einer Filiale, die seit Jahren schwarze Zahlen schreibe – trotz aller konzerninternen Krisen, die Karstadt in den vergangenen Jahren gebeutelt haben, trotz übermächtiger Konkurrenz einflussreicher Online-Anbieter wie Amazon, Zalando und Otto, trotz der nun drei Jahre andauernden Cano- und Bahnhofsvorplatz-Großbaustellen rund ums Gebäude und trotz der Corona-Pandemie.
Profitabel, aber nicht mehr wirklich konkurrenzfähig
„Seit Freitag letzter Woche hat sich für uns die Welt verändert. Wir sind traurig, frustriert und wütend“, beschrieb Karin Greuther, Betriebsratsvorsitzende von Karstadt Singen, die Stimmung in der Belegschaft. Das Haus sei zwar profitabel, aber nicht mehr richtig konkurrenzfähig, so habe die Konzernleitung die Schließung begründet. „Man hat uns vorgeworfen, dass die Umsätze in letzter Zeit nicht mehr so kamen.“ Die Betriebsratsvorsitzende war Anfang letzter Woche zusammen mit Filialleiterin Sabrina Stark und deren Stellvertreter Enrico Mohr in Köln zu einem Gespräch mit dem neuen Karstadt-CFO, Miguel Müllenbach gewesen. Man sei nochmals alle Zahlen durchgegangen, habe die Situation in Singen dargelegt und hoffe nun auf ein positives Signal – das bislang aber noch aussteht. Doch noch haben sie und ihre KollegInnen nicht aufgegeben: „Wir sind stark, wir sind eine Familie und kämpfen gemeinsam“. Wer sie unterstützen möchte, solle an den Konzernsitz nach Essen schreiben, forderte sie die Anwesenden auf. Auch Solidaritätsunterschriften werden weiter gesammelt. Abschließend bedankte sie sich ausdrücklich bei ihrem Nachredner, Oberbürgermeister Bernd Häusler, der die Bemühungen der hiesigen Belegschaft um den Erhalt des Hauses seit Wochen engagiert unterstütze.
Karstadt als Motor und Leuchtturm ins Umland
Und auch der Oberbürgermeister zeigte sich emotional kämpferisch, was mit langanhaltendem Beifall quittiert wurde: „Seit 46 Jahren ist Karstadt in unserer Stadt der Motor, der Leuchtturm in die Region hinaus.“ Ihm sei nicht klar, warum man dieses Haus – in einer 1AA-Lage schließen und damit einen Standort an der Schweizer Grenze aufgeben möchte. Nahe liege aber die Vermutung, dass jetzt im Insolvenzverfahren mit Sonderkündigungsrecht die Schließung eben preisgünstig zu haben sei: Von Karstadt habe er die Auskunft erhalten, man könne auch noch zwei oder drei Jahre weitermachen, aber wenn man dann schließe, werde es viel teurer. Dass die Großbaustellen rund um das Gebäude (Cano-Shoppingmall, neuer Belag in der Hegau- und August-Ruf-Straße, Umbau des gesamten Bahnhofsvorplatzes) zu einem leichten Umsatzrückgang geführt haben, sei für ihn logisch, denn die Innenstadt werde ja „für Karstadt, fürs Cano und andere Geschäfte“ umgebaut. Dass aber dennoch schwarze Zahlen geschrieben wurden, beweise doch, dass es „ganz so schlecht nicht sein kann“. Und: ECE komme nach Singen, nicht weil es so eine schöne Stadt sei, sondern weil man hier Geld verdienen könne, und er habe immer gedacht, dass auch Karstadt das wolle. Zehn Meter neben der zu Jahresende eröffnenden Cano-Mall gelegen, befinde sich das Haus im zukünftigen Mittelpunkt des Handels. Und die Schweizer würden ja wiederkommen – mit einer Kaufkraft „von der die Deutschen nur träumen könnten“, nämlich der doppelten … Bemühungen um den Erhalt des Standortes gibt es laut Häusler auch seitens der Eigentümer des Gebäudes, das vor 46 Jahren nicht von Heuschrecken, sondern von Bürgern aus der Stadt errichtet worden sei. Die jetzigen Eigentümer seien Karstadt schon mit der Miete entgegengekommen und wollten nun nochmals ein neues Angebot abgeben.
Unterstützungsversprechen von Kirche, Gewerkschaft und Politik
Heike Gotzmann, die katholische Bezirks-Arbeitnehmerseelsorgerin versicherte der Karstadt-Belegschaft ihrer Wertschätzung und Anerkennung für all die geleistete Arbeit. Als Symbol des kirchlichen Beistands überreichte sie Karin Greuther einen (tags zuvor bei Karstadt gekauften Regen-) „Schutzschirm“. Auch Reiner Geis, Bezirksgeschäftsführer von ver.di Südbaden/Schwarzwald betonte, dass die angekündigte Schließung eine Unverschämtheit sei und nichts mit Wertschätzung zu tun habe. Er stellte die Ankerfunktion von Kaufhäusern wie Karstadt und Kaufhof für den Erhalt lebendiger Innenstädte in den Fokus.
Zudem hofft man auch auf die Unterstützung der Bundesregierung: Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin und SPD-Bundestagsabgeordnete, hatte sich vor der Protestaktion mit den Karstadt-MitarbeiterInnen, Gewerkschaftsvertretern und SPD-KommunalpolitikerInnen getroffen. Laut ihrem Statement – vorgetragen von Gemeinderatsmitglied Hans-Peter Storz – werde auch sie von der Konzernleitung eine Erklärung fordern, weshalb diese Filiale geschlossen werden solle. Als ein „Schlag ins Gesicht für die MitarbeiterInnen und ihre Familien“ kritisiert sie diese Entscheidung. Nicht nur der „vorgeschobene Online-Handel oder die Corona-Pandemie, sondern jahrelanges Missmanagement und fehlende Zukunftskonzepte auf höchster Ebene“ hätten mit zur jetzigen Misere beigetragen. Sie wolle das Beste für die bei Galeria Karstadt/Kaufhof Beschäftigten erreichen. Boni und Abfindungen für die für das Missmanagement Verantwortlichen solle es hingegen nach ihrer Ansicht keine geben – versprach die Abgeordnete.
Die wahren Karstadt-RetterInnen
Eine kurze Chronologie der langen Reihe von „Karstadt-Krisen“ unter oft wechselnden Eigentümern und Managern fasste Markus Klemt zusammen. Seit gut zwei Jahrzehnten führe die Kaufhaus-Kette ihren Kampf gegen die Konkurrenz im Internet. Laut dem nun im „Schutzschirmverfahren“ (Insolvenz in Eigenverwaltung) bestellten generalbevollmächtigten Sanierer Arndt Geiwitz (der auch schon die Schlecker-Insolvenz abgewickelt hat) haben die Karstadt-Beschäftigten (bis zum Zeitpunkt der Fusion mit Galeria Kaufhof im vergangenen Jahr) bundesweit auf über 100 Millionen Euro an Löhnen und Gehältern verzichtet, um Karstadt zu erhalten und entsprechende Sanierungen und Modernisierungen zu ermöglichen. Daher seien, so Klemt, die MitarbeiterInnen die wahren Karstadt-RetterInnen, aber dies „werden die Kollegen und Kolleginnen eines Tages bei der Rente bitter bereuen.“
Der letzte Sanierungstarifvertrag wurde Ende 2019 abgeschlossen und soll bis 2025 gelten: Auch dieser beinhaltet u.a. weiteren Verzicht auf Sonderzahlungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Und dennoch, so Klemt weiter, habe man noch Anfang 2020 geglaubt, dass es jetzt vorangehe, aber dann sei Corona gekommen. Der durch die Pandemie verursachte Umsatzverlust betrage 600 bis 700 Millionen Euro und werde bis Jahresende womöglich auf 1 bis 1,3 Milliarden steigen. Karstadts Antrag auf die Mitte März versprochenen Bundeskredite scheiterte, da die kreditgebenden Banken mit 10 Prozent der Gesamtsumme bürgen müssen. Da sich dafür – aufgrund der ohnehin prekären Finanzlage des Konzerns – bislang kein Bankenkonsortium bereitgefunden habe, beantragte die Unternehmensspitze Mitte Mai die Insolvenz in Eigenverwaltung. Mit mehr Initiative seitens Konzernführung und Insolvenzverwalter müsste hier aber – laut dem Gewerkschaftsmann – mehr möglich sein, denn: kämen die Kredite, müssten nicht 62 von 170 Häusern geschlossen werden.
Protestkundgebungen auch andernorts
fanden zur selben Uhrzeit wie in Singen statt: So am Leopoldsplatz in Berlin, wo sechs von elf Galeria Karstadt-Kaufhof-Häuser in der Bundeshauptstadt geschlossen werden sollen. Und im württembergischen Leonberg, wo Karstadt ebenso wie in Singen schwarze Zahlen schreibe. Dazu ein beachtenswertes Detail: In Leonberg ist ECE der Vermieter – und der Hamburger Immobilienunternehmer (und Cano-Investor) verhandelt derzeit mit Karstadt über die jeweiligen Miethöhen und den eventuellen Erhalt der Karstadt-Filialen in seinen Shoppingmalls (siehe auch hier). Auch die KollegInnen der anderen 61 auf der Schließungs-Liste stehenden Häuser hoffen auf Rettung und Erhalt ihres Arbeitsplatzes. Und auch aus Sicht von ver.di ist hier noch nichts endgültig und einige Erfolge gegenüber den ursprünglichen Sanierungsplänen habe man immerhin erreicht: Statt der anfangs genannten 80 sollen jetzt „nur“ 62 Filialen geschlossen werden. Dass das Warenverräumungsteam ausgelagert werde, habe man verhindern können, ebenso die geplanten Entlassungen von 10 Prozent der Belegschaft in den noch verbleibenden Warenhäusern. Und selbst wenn das Schlimmste – also die Schließung – komme, sei eine Transfergesellschaft (die seinerzeit Ursula von der Leyen als zuständige Ministerin den Schlecker-Angestellten verweigert habe) schon zugesichert. Doch die Zeit drängt: Bis 5. Juli werden Fakten geschaffen und danach im Falle einer Schließung über die Gründung der Transfergesellschaft bis Mitte Juli entschieden werden müssen. Die Kündigungen könnten höchstwahrscheinlich schon in den nächsten Tagen verschickt werden, warnte Klemt.
„Zukunft statt Kahlschlag“
war auf einem Transparent zu lesen, direkt am Zaun des kurz vor der Fertigstellung stehenden Cano-Baus – gerichtet allerdings ans Karstadt-Management, und nicht an die Otto-Group mit ihrem ECE-Immobilienunternehmen. Unbestritten auch, dass die Gründe für die finanzielle Schieflage der gesamten Warenhausgruppe multifaktoriell sind. Und trotz aller intensiven Bemühungen, Solidaritäts- und Wertschätzungsbekundungen und der Kritik an den für diesen Standort als unverständlich bezeichneten Schließungsplänen mag von außen eine andere Sicht ausschlaggebend sein: Gerade die Lage – egal ob 1AA-Lage und derzeitige Schweizer Kaufkraft, aber mit der erdrückenden Nachbarschaft des Cano nur 10 Meter gegenüber – könnte auch das Zünglein an der Waage dafür sein, dass bis dato die Sanierer den Daumen nach unten halten. Die gigantische Konkurrenz nebenan mit ihren 85 Shops könnte auch als Bedrohung und nicht als „Belebung“ des eigenen Geschäfts eingestuft werden.
Ruft man sich die Zeit der Diskussion und des Wahlkampfes zum Bürgerentscheid pro oder contra dieses Konsumtempels in Erinnerung, so waren zu Karstadt viele garstige Worte zu hören: Von wegen Traditionshaus oder gar „Leuchtturm“, hässlich und in die Jahre gekommen sei das Gebäude, altbacken und dröge das Warensortiment, Kaufhäuser dieser Art nicht mehr zeitgemäß … und Karstadt habe gar keinen Grund, sich gegen das neue Center zu wehren, denn schließlich hätten seinetwegen damals (1974) auch viele ältere und kleine Singener Geschäfte aufgeben müssen. Ein Singen ohne Karstadt, für ECE-Fans kein Problem, – so könne man aus dem leerstehenden Gebäude ein Parkhaus fürs Cano machen, wurde aus ihren Reihen gar gelästert. Die mehrheitliche Entscheidung des Singener Gemeinderats und der Stadtspitze sind bekannt, auch die BürgerInnen haben für die Riesen-Mall votiert – trotz aller Warnungen seitens der Center-Kritiker vor einem möglichen Ladensterben. Und mit zu den lautstärksten BejublerInnen der ECE-Projektierer gehört(e) die SPD-Fraktion. Immerhin steht sie jetzt – wie auch der OB – aktiv an der Seite des verzweifelten Karstadt-Teams. Eine Schließung des „Kaufhauses“ genau zu dem Zeitpunkt, zu dem die nun mehr als vier Jahre lang viel gepriesene und hoch gelobte Shoppingmall eröffnen soll, könnte der schönen Selbstdarstellung der Center-Befürworter als Förderer der gesamten Innenstadt etwas von ihrem sorgfältig poliertem Glanz nehmen: Ein solches Aus und der daraus resultierende Leerstand könnte sie leicht als Förderer eines Verdrängungswettbewerbs oder gar als Totengräber-Gehilfen erscheinen lassen, was diese sicher gern vermeiden wollen …
Die Gefahr war bekannt, gewarnt wurde von vielen Seiten: Einzelhandel, Gewerkschaft, Bürgerinitiative. Jetzt ist es nicht mehr zu ändern. Aber unbedingt zu hoffen und zu wünschen ist, dass es für die 124 Karstadt-MitarbeiterInnen doch noch eine Chance gibt, ihre Filiale in Singen bestehen bleibt und die KundInnen trotz Online-Handel und Event-Mall-Klimbim das solide Warenangebot des Kaufhauses gegenüber weiter schätzen. Langfristige Perspektiven sind heute völlig illusorisch, aber selbst weitere drei, vier oder fünf Jahre wären gerade für die in Singen beschäftigten langjährigen Angestellten so wichtig, auch für eine nicht allzu miese Rente …
Uta Preimesser
Aufmacherbild: Im Hintergrund links Reiner Geis (ver.di), daneben Oberbürgermeister Bernd Häusler, am Rednerpult SPD-Gemeinderat Hans-Peter Storz, daneben (rechts) Karin Greuther, Betriebsratsvorsitzenden von Karstadt und Heike Gotzmann, Betriebsseelsorgerin (alle Fotos: dh).
Siehe auch
24.06.2020 | Karstadt in Singen soll geschlossen werden – wer trägt die Verantwortung?
#Herr Greszki
Durch das Instrument des kommunalen Vorkaufrechts und der Abwendungen in Milieuschutzgebieten konnten in Berlin seit dem Jahr 2015 bis heute insgesamt 5992 Wohnungen gesichert werden», erläuterte Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke). «Dadurch ist es bei anstehenden Verkäufen von Wohnungen gelungen, viele Mieterinnen und Mieter vor Luxusmodernisierung, Mieterhöhungen oder Verdrängung zu schützen.
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/stadt-muenchen-immobilien-ankauf-coronakrise-1.4957550
„Bisher lief es in der Regel so ab: Die Stadt entschied sich, dass sie ein Gebäude kaufen will. Bezahlt wurde dies aus den Finanzreserven. Das Eigentum wurde im Rahmen einer Kapitalaufstockung an eine ihrer beiden Wohnungsgesellschaften übertragen. Künftig soll der Stadtrat, wenn es nach der Kämmerei geht, dafür ein festes Budget bei den Investitionen im Haushalt einplanen. “
Noch ein Beispiel für Herr Kroll, welches nicht mal ich auf dem Radar hatte. Ein Modell, welches ich mir für Singen wünsche, erweitert um den Bereich Gewerbeimmobilien und nicht nur Wohnungen.
Ich habe lange überlegt, ob ich auf dieser Seite kommentieren soll. Mir war klar, ich werde sehr schnell von linken Parolenschwingern in die spießige, unkreative, lebensfeindliche und verstaubte Kapitalismusecke gestellt. Dem Staat hörig.
Gut, war nicht anders zu erwarten. Lesen können diese Personen zwar, jedoch happert es massiv am Textverständnis und der Bereitschaft, eine andere als die eigene Meinung gelten zu lassen, ohne beleidigend zu werden. Dazu scheinen die eigenen Ansichten, oder sollte ich besser sagen Ideologien, zu tief verwurzelt, so dass die Denkweise sich nicht am Geschriebenen sondern am “ Kopfkino“ orientiert. Treffer versenkt.
War mit Herr Greszki noch eine zivilisierte Diskussion möglich, wenn auch wenig erfolgversprechend, hat Herr Teichmann mein Vorurteil nicht nur bestätigt, nein, er hat sich alle Mühe gegeben, meine Erwartung weit zu übertreffen. Glückwunsch, das ist Ihnen gelungen:
„Der andere verliest beim Morgenappell im Arbeitslager die ehernen Zuchthausregeln, einige davon mit dem Konditionalteil „…wird erschossen“.“
Ich bin mir nicht sicher, was bei Ihnen Herr Teichmann im Kopf vorgeht. Ehrlicherweise muss ich zugeben, das möchte ich nach solchen Kommentaren auch gar nicht wissen.
Ja, Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Andere Meinungen zu respektieren ein Akt, der vielen schwer fällt, manche können es gar nicht, ebensowenig wie eine zivilisierte Diskussion.
Hiermit verabschiede ich mich von dieser Seite. Beweihräuchern Sie sich weiter gegenseitig. Aber nehmen Sie das Wort Demokratie und Meinungsfreiheit erst wieder in den Mund, wenn Sie dazu bereit sind.
In diesem Sinne….
Tja, so sind sie nun mal, die Gesetze und Verordnungen in einer Gesellschaft, die sich überwiegend vor dem heiligen Eigentum verbeugt. Die eine Seite ist für mich, dass Gesetze erwiesenermaßen eine bestimmte Halbwertszeit haben, und dass sie innerhalb eines Veränderungsprozesses immer wieder neu interpretiert werden können.
Die andere Seite ist für mich, wie man sich ethisch-moralisch zur Anwendung dieser Gesetzen stellt.
Man kann sich natürlich vor Begeisterung brüllend auf die Schenkel hauen, wie das hier der Herr Michael Kroll tut.
Er lässt auch nur allzu bereitwillig die stinkenden Hosen der kaputtformalisierten Demokratie herunter, und wie nicht anders zu erwarten sieht man das stacheldrahtbewehrte Eigentum aufblitzen und ein strenger Duft nach Arroganz der Macht liegt in der Luft. Keine Sorge, das ist alles höchst legal.
Man kann aber auch wie Jörn Greszi sich einfach einen kategorischen Imperativ bewahren, der daran erinnert, dass die Gesetze für Menschen gemacht werden sollen, und nicht umgekehrt.
Für mich entstehen hier in meinem Kopfkino zwei völlig gegensätzliche Menschenbilder:
Der eine, den gewiss viele als Spinner bezeichnen werden, verwendet viel Kreativität darauf, wie man aus einer menschenfeindlichen Betonwüste einen Nutz- und Ziergarten machen kann, in dem „wir alle gut und gerne“ leben und arbeiten können.
Der andere verliest beim Morgenappell im Arbeitslager die ehernen Zuchthausregeln, einige davon mit dem Konditionalteil „…wird erschossen“.
„Wir sind das Volk!“ – haben die Beschäftigten von Karstadt aus guten Gründen nicht skandiert, dabei wäre es die Wahrheit.
Diese kraftstrotzende Parole wurde ja den Erfindern nicht nur weggenommen durch die, welche „EIN Volk“ daraus gemacht haben, sie wurde auch restlos in den Dreck gezogen von denen, die sich gerne an ein Volk erinnern, das zum Horror der Weltgeschichte wurde.
„Das Volk ist doof, aber gerissen!“ hat damals Kurt Tucholsky festgestellt, als er 1922 in der „Weltbühne“ den Liedtext von „Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen“ untersuchte.
Diese Untersuchung ist es wert, jetzt wieder gelesen zu werden. Sie sagt eine Menge über unsere derzeitige ökonomische und demokratische Situation aus.
Hier ein Link: http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1922/Ein+deutsches+Volkslied
Sehr geehrter Herr Kroll
sie schreiben:
„Unser Dissens liegt darin, dass Sie sich für einen großen Visionär halten, meine Meinung auf das hier und jetzt reduzieren und mir damit fehlenden Weitblick sowie Lobbyismusaffinität unterstellen.“
Ich muss sie enttäuschen, die Lösungsansätze, welche ich propagiere, sind eher olle Kamellen und ich bin sicher nicht derjenige der sie erdacht hat. Ich finde sie nur logisch und folgerichtig. Erst als ich mich näher mit der konkreten Umsetzung in Städten wie Houten und Kopenhagen befasst habe muss ich eher fragen warum nicht jede Stadt diesen Weg geht. Es mangelt in Singen definitiv nicht an Geld, man hat genug in davon verheizt.
sie schreiben:
„individuelles Wunschdenken gepaar mit einem leichten Hang zur Selbstüberschätzung …“
Bei „individuelles Wunschdenken“ kann ich ihnen nur zustimmen, mehr wird es in Singen wohl nicht werden, Hang zur Selbstüberschätzung mag aus ihrer Sicht stimmen, die Sprache der Fakten in Städten wie Houten, Kopenhagen und Wien sind real und keine Vision von mir.
Ihr Argument „die Vorraussetzungen dort sind andere“ sind lediglich ein „mimimi“ wenn die Argumente aus sind. Fast alles was dort passiert kann auch in Singen gelebt werden und intelliegente Menschen sind durchaus in der Lage kopierte Methoden den örtlichen gegebenheiten anzupassen oder für das gleiche Ziel völlig neue Lösungen zu entwickeln.
Gemessen an dem was überall passiert bin ich schon eher Traditionalist als ein Visionär.
sie schrieben:
„und meiner Meinung nach fehlendem Verständnis für die Trägheit und die Grenzen kommunaler Prozesse.“
Wieder nur eine Beschreibung des Jetzt. Ist ja nicht so dass es nicht auch anders geht. Aber ich habe mich da auch Missverständlich ausgedrückt: ich meinte MEHR Mitgestaltung durch die Kommune/Stadt/Gemeinde bei der Ausgestaltung der Struktur einer Stadt. Eher nicht zuschauen was einem die Marktkräfte so bescheren. Die kommunale Mitgestaltung durch Bürger direkt und deren tatsächliche Wirksamkeit kann ich nicht beurteilen.
sie schrieben:
„Bürgerworkshops fanden bezüglich einer Vielzahl von Innerstädtischen Themen statt. Die Resonanz auf Bürgerbeteiligungen hält sich in Grenzen, zumindest in Singen. Das mag in anderen Städten in Deutschland anders sein… Ein Großteil der Bevölkerung interessiert sich schlichtweg nicht dafür.“
Da muss ich ihnen zustimmen, gemeckert wird dann hinterher.
sie schrieben:
„Sie wünschen eine autofrei Innenstadt. Ich sehe das sehr kritisch …..und bevorzuge die teilweise Autofreiheit mit einer Stärkung des ÖPNV und einem durchdachten Parksystem, was ich im Hinblick auf das in Zukunft autonome und umweltfreundlichere Autofahren als deutlich sinnvoller ansehe.“
Wir liegen da vielleicht gar nicht so weit auseinander, sie beschreiben einen Zwischenschritt, ich das Ziel.
Autofrei bedeutet ja nicht immobil, vom Status Quo aus wird es auch ein recht langwieriger Prozess werden Anwohnern – die ihre Immobilie erworben/gemietet haben eben weil man diese auch mit dem Auto érreichen kann.
Ich bin nur der Überzeugung dass wenn man das Ziel nicht klar definiert auch nur sehr schwer dorthin kommt.
Wenn der kleinstmögliche Kompromiss als einzig mögliche Lösung propagiert wird ist’s eher schwierig.
Leute, die für Rauchverbote oder erweiterten Verbraucherschutz oder mehr erneuerbare Energien geworben haben wurden auch als Quartalsirre diskreditiert. War dann alles doch möglich und das Abendland ist nicht untergegangen.
sie schrieben:
„Die Stadt entwickelt sich äußerts positiv weiter, vielleicht nicht so, wie Sie sie gerne hätten, das mag sein. Ich bin auch nicht mit allem was gemacht wird konform. Sie werden auch nie alle zufrieden stellen. Für meine Beurteilung zählt das Vorankommen in den Bereichen, die für mich, und ich glaube auch für viele andere, eine Innenstadt lebenswert und zukunftsfähig machen. Hier sehe ich Singen auf einem guten Weg. Die Vorausschau beim Neujahrsempfang 2020 der Stadt Singen hat mich diesbezüglich hoffnungsvoll gestimmt.“
Ich habe leider keinen konkreten Hinweis gefunden welchen Bereich sie meinen könnten, insofern muss ich ihren Befund Singen entwickle sich äußerst positiv aus meiner Sicht nicht zustimmen.
Da wir ja schon unseren Dissens ausreichend beleuchtet haben sollten wir eventuell die Übereinstimmungen ausloten.
Vieleicht lehnen sie einige Methoden/Zielsetzungen nur ab weil Sie sie von vornherein für unmöglich / unerreichbar halten. Dies ist aber eine IMHO falsche Herangehensweise, man definiert immer erst das Ideal und sucht dann nach dem aktuellen Optimum – welches sich dann ständig ändert.
Für mich sind beispielhaft Ziele für eine lebenswerte Stadt:
– möglichst geringe Mischung von Fußgänger(-verkehr) und anderen Verkehrsmitteln auf gleicher Ebene
– viel Grün für Naherholung und Kühlung
– wenig Konzentration bei Handel auf große Player um dort krisenfester zu werden
– massiv ausgeweiteter Wohnungsbau und Verstetigung im Eigentum der Stadt um aktiv für „Durchmischung“ zu sorgen und Benachteiligung einkommensschwacher Familien zu mindern
– Stille, kein Verkehrslärm
– breites, kleinteiliges Kulturangebot (lieber 5 x Färbe als 1 x Stadthalle, subventioniert durch von der Stadt gestützte Veranstaltungsorte, Kunst braucht Platz zum „spielen“)
– Vermeidung von Dominanz bzw. Förderung einzelner Großunternehmungen wie Maggi, Krisen in deren Wirtschaftsbereich schlagen sonst enorm auf alle Bereiche in Singen zurück – eher Förderung der Ansiedlung kleinerer Unternehmen
– ein Bahnhof, der nicht wie ein verlassenes Ghetto aussieht (Fußgängertunnel jetzt ausgenommen)
Wenn wir uns eventuell bei einigen grundsätzlichen Zielstellungen einig wären dann kann man sich immer noch über die Umsetzung streiten.
Und auch wenn ich Singen keine“ uneingeschränkt äußerst positive Entwicklung“ bescheinigen kann, so gibt es auch einige Aspekte, welche mich positiv überrascht haben:
– der insgesamt recht gute Umgang mit den angekommenen Flüchtlingen
– das grundsätzliche Bemühen, mehr Grün zu schaffen
– der zaghafte Versuch Singen für Radfahrer attraktiver/ungefährlicher zu machen
– die Unterstützung / Förderung von Wochenmärkten
– das Bemühen, die Innenstadt attraktiver zu gestalten (auch wenn es IMHO in einigen Punkten danebenging)
Herr Greszki,
Sie werfen mir Worthülsen vor und liefern dem Leser…. in anderen Städten in Deutschland klappt das und jenes besser, in Wien…..wenn man schon Vergleiche anstellt, dann sollte diese auch vergleichbar sein. Ich brauche nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Wien ist eine tolle Stadt, keine Frage. Leider lässt sich die Wohnraumpolitik, die seit jeher in Wien praktiziert wird, nicht wie ein Strumpf über Singen stülpen. Dazu fehlen schlichtweg die Voraussetzungen, die sich nicht wie ein Hase aus dem Hut zaubern lassen, zumal es die städtische Wohnbaugesellschaft GVV nicht mehr gibt. Ohne auf die Gründe einzugehen. Gleichzeitig verweise ich auf Artikel der NZZ und Empirica Studien, die das Modell Wien ein Stück weit entzaubern. Nur so als kleine Anmerkung. Es ist nicht alles Gold was glänzt.
Unser Dissens liegt darin, dass Sie sich für einen großen Visionär halten, meine Meinung auf das hier und jetzt reduzieren und mir damit fehlenden Weitblick sowie Lobbyismusaffinität unterstellen. Da muss ich Sie enttäuschen. Was Sie hier präsentieren ist ein individuelles Wunschdenken gepaar mit einem leichten Hang zur Selbstüberschätzung und meiner Meinung nach fehlendem Verständnis für die Trägheit und die Grenzen kommunaler Prozesse. Sie verkennen, dass es in der Politik verschiedene Meinungen und Richtungen gibt, die die gleiche Daseinsberechtigung haben. Auch ihre Meinung ist nicht der Weisheit letzter Schluss, genausowenig wie die meine.
Da greife ich gerne die von Ihnen angeführte kommunale Mitgestaltung auf. Die findet glücklicherweise in Singen seit Jahren statt. Ein kleines Beispiel von vielen: Projekte wie der Herz Jesu Platz wurden in Bürgerworkshops erarbeitet. Wünsche, Anforderungen, Anregungen konnten eingebracht werden und wurden in den Entwürfen berücksichtigt, so dass schlussendlich zwei Entwürfe zur Abstimmung vorlagen. Hierüber entschied dann die Mehrheit im Gemeinderat. Natürlich sind nicht alle zufrieden, die, die einen anderen Entwurf preferierten, waren enttäuscht. Aber das ist nunmal Demokratie.
Bürgerworkshops fanden bezüglich einer Vielzahl von Innerstädtischen Themen statt. Die Resonanz auf Bürgerbeteiligungen hält sich in Grenzen, zumindest in Singen. Das mag in anderen Städten in Deutschland anders sein… Ein Großteil der Bevölkerung interessiert sich schlichtweg nicht dafür. Sie beschränken sich darauf ihren Unmut auf Facebook und Co. zum Besten zu geben. Das wars dann auch schon. Das Cano wurde im Rahmen eines Bürgerentscheids entschieden. Wer sich interessiert, kann sich in dieser Stadt zur Genüge einbringen. Was jedoch nicht heißt, dass nur die eigene Meinung die einzig Richtige ist. Das vergessen manche allerdings.
Sie wünschen eine autofrei Innenstadt. Ich sehe das sehr kritisch ( eine Ausführung würde hier zu lange gehen, ja, ich kenne die Ausarbeitungen zu einer Vielzahl von autofreien Innenstädten/ Pilotprojekten etc.) und bevorzuge die teilweise Autofreiheit mit einer Stärkung des ÖPNV und einem durchdachten Parksystem, was ich im Hinblick auf das in Zukunft autonome und umweltfreundlichere Autofahren als deutlich sinnvoller ansehe.
Die Stadt entwickelt sich äußerts positiv weiter, vielleicht nicht so, wie Sie sie gerne hätten, das mag sein. Ich bin auch nicht mit allem was gemacht wird konform. Sie werden auch nie alle zufrieden stellen. Für meine Beurteilung zählt das Vorankommen in den Bereichen, die für mich, und ich glaube auch für viele andere, eine Innenstadt lebenswert und zukunftsfähig machen. Hier sehe ich Singen auf einem guten Weg. Die Vorausschau beim Neujahrsempfang 2020 der Stadt Singen hat mich diesbezüglich hoffnungsvoll gestimmt.
Sehr geehrter Herr Kroll
sie schrieben:
„ich bin mir nicht sicher, ob Sie die Aufgabe einer Stadtverwaltung verstanden haben. Hierzu empfehle ich Ihnen sich mit den Steuerungsinstrumenten, die für die öffentliche Hand zulässig sind, zu beschäftigen, bzw. wie die öffentliche Hand- insbesondere die Kommunalverwaltung- in den freien Markt eingreifen darf.“
Sie bewegen sich zu sehr im Jetzt, Aufgabe der Politik ist auch immer Ziele zu definieren und ansonsten mit den Gegebenheiten diese Ziele zu verfolgen.
Ich bin mir sehr wohl bewusst dass Lobbyismus auf Bundes- und EU-Ebene zu einer drastischen Liberalisierung geführt hat, es ist für Kommunen nur noch unter größten Schwierigkeiten möglich Eigenbetriebe zu gründen und zu betreiben, es gibt einen latenten Zwang zu privatisieren. Es gibt aber Länder und in diesen Gemeinden in Deutschland und der EU die in dieser Umgebung besser agieren.
Wien schafft es durch ein hohen Prozentsatz von Wohnraum zwar nicht den Mangel an Wohnraum an sich zu beseitigen, aber immerhin wird damit Wohnraum in der Stadt nicht zu einem Privileg für Besserverdienende. Netter Nebeneffekt: Statt potentielle Kaufkraft zu den Vermietern zu leiten wird das Geld, das nicht für höhere Mieten ausgegeben wird für Anderes ausgegeben – z.B. Konsum.
Weitgehende Gewerbefreiheit an sich ist etwas Positives, es muss aber einer gewählten Vertretung wo auch immer möglich sein zu gestalten. Es ist nur unter Schwierigkeiten möglich die 15. Apotheke oder eine Spielhalle zu verhindern wo man sie als Gemeinde nicht haben möchte. Trotzdem bleiben Gemeinden aktuell immer noch ein Rest an Werkzeugen für die Gestaltung übrig und ich sehe in Singen diesen eigenen Gestaltungswillen nicht, man wartet immer auf den „Investor“ der dann „alles“ darf.
sie schrieben:
„Karstadt ist in Privatbesitzt seit 46 Jahren. Warum sollte der Besitzer das Gebäude an die Stadt verkaufen? Noch darf der Eigentümer selbst entscheiden, was er damit macht. Der Holzerbau ist vor dem Verkauf an ECE ebenfalls im Privatbesitzt eines oder mehrerer Eigentümer gewesen. Die verkaufen an den Meistbietenden und an wen sie wollen, oder lassen es einfach weiter herunterkommen und ziehen ihre Miete raus. Selbst das ist ihr gutes Recht.“
Sie argumentieren wieder im Jetzt und in recht kurzfristigen Zeiträumen. Und sie verkennen die Macht einer Kommune. Sie kann klarstellen was sie möchte und damit genehmigungsfähig ist. Sie kann unter extrem hohen Hürden den Verkauf an sich erzwingen. Sie mögen dies nicht – mir ist diese Option auch nicht geheuer. Ein grundsätzliches Vorkaufsrecht der Kommunen wäre mir bei definierten Innenstadtlagen sympathisch.
Sie kann aber auch mit einem langfristigen Masterplan Flächen in der Stadt nach und nach aufkaufen und nach ihren Vorstellungen entwickeln. Es gibt ewig viele Beispiele auch in Deutschland wo genau das erfolgreich betrieben wird. Die Darstellung von ihnen (und im Übrigen auch vieler Gemeindevertreter) dass man da leider, leider nichts tun kann stimmt so nicht. Ich vermute eher eine Kombination von Unwillen und Unvermögen.
sie schrieben:
„Mit welcher Rechtsgrundlage ist es Aufgabe einer Stadt, zu bestimmen, welche Geschäfte sich wo ansiedeln dürfen, solange diese keine Gefährdung darstellen, wie z.B Casinos? Noch haben wir die Ansiedlungsfreiheit, es gibt keine rechtliche Grundlage, mit der Sie dem x-ten Handyshop, dem x-ten Bäcker, dem x-ten Nagelstudio etc. verbieten dürfen sich einzumieten. Nach ihrer Philosophie soll die Stadt die Gebäude reihenweise aufkaufen und nach Sortimentsbedarf vermieten.“
Sie haben recht, ich möchte, dass eine Gemeindevertretung – als gewählte Vertreter aller Einwohner – bestimmt wie genau ihre Gemeinde aussehen soll – auch in Hinsicht welche Händler und Gewerbe sich wo ansiedeln sollen. Was ist daran so verkehrt? Sollen etwa primär irgendwelche Handelsketten und private Einzelinteressen bestimmen wie eine Gemeinde aussieht?
Sie haben eine für mich schwer verdauliche Ansicht von gewünschter Machtverteilung.
Wie schon von mir angemerkt, die „Ansiedlungsfreiheit“ besteht ja nicht schon ewig, sie ist die Folge einer Liberalisierungswelle quer durch Europa welche in teilweise unglückliche Gesetzgebungen mündete. Es gibt Gemeinden, die sich recht erfolgreich mit Tricksereien gegen Glücksspielgeschäfte wehren, zumindest konnten diese in Außenlagen abgedrängt werden. Fakt ist: wo auch immer sie diese Kombination aus Wettbüros, Billigimbissen und Nagelstudios sie zulassen: sie bekommen dort als Kommune mittel- und langfristig vielfältige Probleme. Wieso sollte man dies dann also nicht aktiv verhindern? Und ich darf da mitreden da ich als Steuerzahler dann die Gelder bereitstelle wenn die Stadt versucht einen einmal so richtig abgefuckten Stadtbereich wieder auf Vordermann zu bringen.
zu ihren Punkten 1.) und 2.):
Ihre aufgeführten Ketten würde ich aus bereits dargelegten Gründen eher ungern in der Innenstadt sehen. Und die Umsetzung einer von mir dargestellten Strategie ist eine langfristige Angelegenheit, aber wenn man nie damit beginnt wird es auch nie etwas. Und tatsächlich: ein wesentlicher Punkt ist dass die Kommune die Mietpreise langfristig fair und kalkulierbar hält. Damit wird das Ganze insgesamt auch krisenfester, in Hochzeiten können Gewerbe und Händler erschwert Rücklagen bilden weil die Mieten und Kaufpreise entsprechen steigen, in Krisenzeiten bleiben die Mieten bestehen und werden eher selten gesenkt/gestundet. Wirtschaftsförderung geht anders.
zum Thema Attraktivität Innenstadt Singen:
Ist klar Geschmackssache, sie mögen es so wie es ist, für mich ist noch viel zu wenig Grün in der Stadt und viel zu viel Autoverkehr. Konservative und Traditionalisten klammern sich natürlich an den Status Quo und versuchen die Stadt für automobil anrollende Großeinkaufstouristen zu optimieren. Mit schweben eher erfolgreiche Modelle aus den Niederlanden vor welche bei ähnlicher Umgebungsstruktur bestens mit fast autofreien Innenstädten funktionieren. Konservative sehen bei solchen Ansätzen sofort das wirtschaftliche Ende einer ganzen Region. Dazu kann ich nur sagen:
Auch beim Rauchverbot wurde gerade von den Konservativen das Ende der Gastronomie vorrausgesagt – bekommen haben wir wunderbare Restaurants in denen plötzlich vermehrt Familien auftauchen.
sie schreiben:
„Naherholung ist prima, das alte Dorf, die Aach entlang zum Stadtgarten. Selbst der Hohentwiel ist in unmittelbarer Nähe. Ein paar Schritte weiter und man ist im Wald.“
Sie leben wieder nur im Jetzt. In meiner kurzen Zeit in Singen durfte ich erleben wie gerade im und um das alte Dorf alte Substanz unwiederbringlich entfernt wurde. Dabei sind es gerade die alten Gebäude, welche das alte Dorf so attraktiv machen. Am Ende der Trottengasse wurde ein altes kleines Haus durch eine graue Kiste ersetzt, entlang der Schmiedstraße wurden alte, tratidionelle Gebäude durch gesichtslose Funktionsarchitektur ersetzt. Was sie dort sehen sind die Reste, und ohne kommunalen Eingriff werden Privateigent und Kommerz werden diese auch noch komplett auffressen bis nichts mehr da ist. Dann dürfen sie sich an architektonischen Weltmeisterleistungen wie der Stadthalle und dem HolidayInn ergötzen – viel Freude.
Kennen sie das unsägliche Gebäude in der Freiheitsstraße Ecke Erzbergerstrasse mit KiK und MDK? Das ist genau das, was sie bekommen wenn man als Gemeinde nicht eingreift und Investoren weitestgehend freie Hand lässt.
Nicht nur wurde der durchaus gelungene Anbau der Ekkehard-Realschule verbaut, es wurden auch fast alle architektonischen Grundlehren mißachtet:
Ein Gebäude muss „Augen“ haben, sonst wirkt es abweisend – entlang der Freiheitsstraße ist eine Fensterlose Front im EG genehmigt worden welches den Fußgänger davon abhält dort entlang die Stadt zu erkunden.
Das Gebäude ist eine Ansammlung von üblichen Baufehlern, es wirkt durch die dadurch zwangsläufige Ansiedlung von Algen auf der Fassade immer schmuddelig und schlecht instandgehalten. Die Ansiedlung des KiK ist schon von weitem ein Signal an den Einkäufer mit Ansprüchen hier umzukehren, dahinter ist für weitere Läden und Gewerbe eine Art Todeszone.
sie schrieben:
„Eigentumswohnungen sowie Mietwohnungen, auch sozial geförderter Wohnraum, wie z.B am Herz Jesu Platz durch das Siedlungswerk. Auch die Baugenossenschaften z. B. Oberzellerhau, Hegau, bauen in der Innenstadt Mietwohnungen. Die Miete hier ist ebenfalls günstiger. “
Ich sehe durchaus positiv DAS gebaut wird, mir gefällt nur nicht was in einigen Fällen dafür abgerissen wird und was stattdessen hingebaut wird. Ich habe arge Bedenken, dass die neuen Gebäude lange halten und „schön“ aussehen werden.
Architektonisch gesehen sind sie ohnehin eine Zumutung.
Mittlerweile sollte sich herumgesprochen haben dass die durch die Verordnungen zu Dämmung von Gebäuden recht unschöne Effekte bei dem Feuchtigkeitsbeschlag von Fassaden ergeben. Dies begünstigt die Ansiedlung unter anderem von Algen, was zu recht unansehnlichen Effekten führt (bitte schauen sie sich das KiK-Gebäude an, dort können sie dies schon mal anschauen). Dies kann man eine Zeit verhindern, in dem man in die Fassadenfarben recht giftige Zusätze gibt. Gebäude ohne Dachüberhang leiden noch einmal besonders unter Algen. All dies sollte auch im Bauamt Singen bekannt sein, trotzdem werden derartige Gebäude noch genehmigt.
sie schrieben:
„Man bedenke Innenstadtlage ist einfach ein bisschen teurer.“
Sie beschreiben den Status Quo. Man kann als Stadt aber auch selbst Wohnraum schaffen und durch Preisgestaltung für einen gesunden Mix aktiv sorgen. Und das nicht so kriminell ungeschickt wie kürzlich wo man den geschaffenen Wohnraum wieder verliert.
zum Thema Bodenbelag Innenstadt:
Auch ich mag helle Beläge an sich, nur wurde ein besonders glatte und perfekte Oberfläche gewählt welche bei Regen recht rutschig wird und jeden Schmutz geradezu präsentiert. Sei’s drum.
sie schrieben:
„So könnte ich jetzt in einem zu weiter machen, aber ich bezweifle, dass wir hier auf einen Nenner kommen, dazu scheinen unsere Ansichten einfach zu konträr.“
Selbstverständlich kommen wir nicht auf einen Nenner, ich wollte lediglich ihre (einige mit Absolutheit) vorgetragenen Behauptungen nicht ohne eine andere Sicht stehen lassen.
Den Rest macht die Demokratie. Und wenn der Mehrheit der Singener die Stadt gefällt wie sie ist oder derzeit wird (oder es ihnen einfach nur egal ist), dann muss ich das akzeptieren.
Ich glaube unser Grunddissenz ist das ich wesentlich mehr kommunale Mitgestaltung wünsche während sie (Vermutung aus ihren Einlassungen) eher auf die Marktkraft setzen und dies auch nicht ändern möchten. Alles andere kleinteilig hier diskutierte ergibt sich daraus.
Herr Greszki,
ich bin mir nicht sicher, ob Sie die Aufgabe einer Stadtverwaltung verstanden haben. Hierzu empfehle ich Ihnen sich mit den Steuerungsinstrumenten, die für die öffentliche Hand zulässig sind, zu beschäftigen, bzw. wie die öffentliche Hand- insbesondere die Kommunalverwaltung- in den freien Markt eingreifen darf. Dann sollten auch Sie merken, das der Großteil Ihrer „Empfehlungen“ schlichtweg nicht zulässig ist.
Karstadt ist in Privatbesitzt seit 46 Jahren. Warum sollte der Besitzer das Gebäude an die Stadt verkaufen? Noch darf der Eigentümer selbst entscheiden, was er damit macht. Der Holzerbau ist vor dem Verkauf an ECE ebenfalls im Privatbesitzt eines oder mehrerer Eigentümer gewesen. Die verkaufen an den Meistbietenden und an wen sie wollen, oder lassen es einfach weiter herunterkommen und ziehen ihre Miete raus. Selbst das ist ihr gutes Recht. Da kann die Stadtverwaltung sich auf den Kopf stellen und mit den Füßen wackeln, so lange sie wollen. Enteignung ist nicht so einfach-Gott sei Dank! Zudem hat sich ECE bereits im Vorfeld durch Optionsverträge die Grundstücke gesichert. Noch darf jeder hier Immobilien kaufen und verkaufen und muss nicht die Stadtverwaltung um Erlaubnis fragen, solange diese kein Vorkaufsrecht hat.
Mit welcher Rechtsgrundlage ist es Aufgabe einer Stadt, zu bestimmen, welche Geschäfte sich wo ansiedeln dürfen, solange diese keine Gefährdung darstellen, wie z.B Casinos? Noch haben wir die Ansiedlungsfreiheit, es gibt keine rechtliche Grundlage, mit der Sie dem x-ten Handyshop, dem x-ten Bäcker, dem x-ten Nagelstudio etc. verbieten dürfen sich einzumieten. Nach ihrer Philosophie soll die Stadt die Gebäude reihenweise aufkaufen und nach Sortimentsbedarf vermieten.
1. Woher soll das Geld kommen? Auch das Regierungspräsidum hat hier ein Wort mitzureden. Wir stellen uns mal die Summen vor, die hier im Raum stehen würden. 2. Glauben Sie im Ernst die Händler stehen Schlange und die Stadt sucht sich den passenden aus. Keines Beispiel: Expert, Media Markt ( ja das sind jetzt Große), die sicherlich eine Bereicherung in diesem Segment wären, mieten sich kaum mehr in der Innenstadt ein. Das hat bereits ECE versucht und bekam eine Absage. Nein, das lag nicht an der Qm Miete, sondern an der Tatsache das der Online Handel hier seinen Tribut fordert und z.B. Media Markt sich aus den Innenstädten entfernt. Das geht den kleineren Elektro Händlern, die Sie so gerne in der Innenstadt hätten, nicht anders, ganz im Gegenteil, diese waren mal in Singen, konnten sich jedoch nicht halten, nur falls Sie meinen, ich verliere die kleinen Geschäfte aus dem Blick. Ach so, die Stadt vermietet ja dann, nach Ihrer Philosophie , wahrscheinlich für 5 Euro den Qm an kleine Elektro Geschäfte in 1A Lage. -Ironie aus- 3. Nicht jeder Eigentümer ist überhaupt bereit zu verkaufen. Wieso auch?
Wie kommen Sie darauf, dass die Innenstadt nicht zum Wohnen einlädt. Ich wohne zufälligerweise ganz in der Nähe der Innenstadt und kann sagen: Lebt sich klasse hier. Nahversorgung ist sehr gut und wird mit dem Cano noch einmal deutlich verbessert. Naherholung ist prima, das alte Dorf, die Aach entlang zum Stadtgarten. Selbst der Hohentwiel ist in unmittelbarer Nähe. Ein paar Schritte weiter und man ist im Wald. Das nur als kleines Beispiel. Die Innenstadt ist wunderbar grün. Auch hier keine haltlosen Hülsen. Ich vergleiche nicht Berlin oder sonst irgendeine Stadt, sondern zum Beispiel Konstanz in unmittelbarer Nähe. Die Zahlen bezüglich des Baumbestandes, sowohl in Konstanz, als auch in Singen, waren öffentlich. In Singen sind es rund 18.000 Bäume im öffentlichen Raum, in Konstanz 15.000 und Konstanz ist wohl ein Ticken größer als Singen. Hier zählen keine Wälder dazu, nur als Anmerkung. Das sind ganz einfache Fakten und das sieht man auch, wenn man denn mit offenen Augen durch die Stadt läuft.
Auch der Bereich Kultur kommt nicht zu kurz. Außer in Corona Zeiten offenbart sich ein großes Angebot an kulturellen Trägern und Veranstaltungen das ganze Jahr hindurch. Da sollte für jeden und jede Geschmacksrichtung was dabei sein, das ganze zentrumsnah. Ob Gems, Färbe, Stadthalle, Kino, Museen, Theaternacht, Museumsnacht, Erzählzeit, Stadtfest, Burgfest, nur ein kleiner Ausschnitt, der mir spontan einfällt, das ist keine vollumfängliche Aufstellung, wie bereits erwähnt.
An allen Ecken und Enden, gerade in der Innenstadt, wird gebaut und zwar Wohnraum. Zu den vorhandenen Wohnungen kommen somit noch eine ordentliche Menge hinzu. Eine Aufzählung erspare ich mir, einfach mal spazieren gehen, dann sehen Sie es selbst. Eigentumswohnungen sowie Mietwohnungen, auch sozial geförderter Wohnraum, wie z.B am Herz Jesu Platz durch das Siedlungswerk. Auch die Baugenossenschaften z. B. Oberzellerhau, Hegau, bauen in der Innenstadt Mietwohnungen. Die Miete hier ist ebenfalls günstiger. Man bedenke Innenstadtlage ist einfach ein bisschen teurer.
Ob einem der Belag in der Hegaustraße, die Gestaltung des Herz Jesu Platzes oder des Storchenbrunnen gefällt oder nicht, ist geschmacksache. Nicht nur ich, auch einige andere finden diese Umbauten sehr gelungen. Aber wie gesagt, das ist geschmacksache und über Geschmack lässt sich nicht streiten. Die Unterhaltskosten des Belages in der Innenstadt sind, egal welchen Belag sie haben, immer hoch, da z.B Kaugummiflecken, nie und nirgends schön anzusehen sind. Egal welchen Belag sie haben. Reinigung ist nunmal ein absolutes Muss für eine Innenstadt. In südlichen Ländern sind beispielweise helle Bodenbeläge, auch und gerade in der Innenstadt eine Selbstverständlichkeit, komisch.
So könnte ich jetzt in einem zu weiter machen, aber ich bezweifle, dass wir hier auf einen Nenner kommen, dazu scheinen unsere Ansichten einfach zu konträr.
Sehr geehrter Herr Kroll
Sie beherrschen virtuos die Methode andere Meinungen zu diskreditieren mit nahezu substanzlosen Hülsen:
„die Zeichen der Zeit erkannt“
„wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit“
„steht ein enormer Wandel bevor und das ist gut so“
„moderner Hegaustraße“
…sie drücken sich um echte Gegenargumente und benutzen Hülsen, in die jeder reininterpretieren kann was er will.
An einigen Stellen liefern sie tatsächliche Argumente / Sichtweisen garniert mit absoluten Wertungen:
„Der Innenstadt steht ein enormer Wandel bevor und das ist gut so, denn die Anforderungen haben sich geändert. “
Tasächlich haben sich „die Anforderungen“ verändert, nur sind dies für mich z.B. absolutes Verbot jeglicher Kfz in den Fussgängerzonen (und eine Ausweitung dieser) Innenstadtbereich, auch für Anwohner und Lieferverkehr, Innenstadtmanagment durch die Stadt Singen durch Aufkauf und zielgerichtete Vermietung an gewünschte Gewerbebetriebe/Geschäfte, generell Ansiedlung von vielen kleineren, spezialisierten Geschäften, Vermeidung von zu vielen Handyshops, Billigstimbissen, zu vielen Apotheken, Billigbekleidung. Durch diese Maßnahmen würde man unabhängiger von der faktischen Macht von Karstadt & Co., dieses Drama wie hier im Artikel aufgegriffen könnte so nicht passieren. Und die Mitarbeiter der Geschäfte könnten sich weiterhin organisieren und würden gegenüber einzelnen Geschäften/-inhabern eine größere Macht besitzen.
Bei ihnen Herr Kroll bin ich mir recht sicher dass sie mit „Anforderungen haben sich geändert.“ eher meinen:
– autogerechte Innenstadt
– alles was dem Konsum im Wege steht muss weg
– immer mehr Verkaufsfläche
– möglichst viele große Handelsketten ansiedeln
– gesamte Innenstadt muss glatt, rechtwinkelig und abwaschbar sein.
sie schreiben:
„Stellen wir uns das Tor zur Innenstadt ohne Cano, neuen Bahnhofsplatz und moderner Hegaustraße vor. Ein schäbig runtergekommener Holzerbau und dann ein leerstehendes Karstadtgebäude. Eingebunden in ein wenig einladendes Umfeld. Abschreckender geht wohl kaum.“
Das ist jetzt recht lustig, weil eben diese Dinge in der Vergangenheit mit ihren Argumenten von Leuten wie sie angerichtet wurden. Man wollte „moderner“ werden und „mit der Zeit“ gehen. Sie klagen sich selbt an.
Lediglich mit dem Satz „Abschreckender geht wohl kaum.“ stimme ich vollkommen mit ihen überein.
sie schreiben:
„Die Innenstadt und ihre Händler leben vom Konsum, auch wenn das manch einem nicht schmecken mag.“
Wer ist den „die Innenstadt“? Zählen da auch noch die Bewohner? Oder meinen sie nur die Händler als einizige Partei deren Belange zählt? Weiterhin ist ihre Aussage bestenfalls eine Beschreibung des Status Quo und es obliegt der Politik dies so zu lassen oder zu ändern. Ich sehe es definitiv NICHT als gottgegeben dass eine Innenstadt nur Förderung von Konsum dient und dementsprechend gestaltet werden muss.
sie schreiben:
„Ohne Magneten verschwindet Singens Innenstadt eher früher als später in der Bedeutungslosigkeit.“
Sehe ich nicht so, ich interpretiere diese Aussage als ihre Präferenz für große Handelsketten. Ich sehe die Problematik großer Abhängigkeit von wenigen Akteuern mit der Problematik das 1 Ausfall wie hier mit Karstadt erhebliche Probleme bereitet.
Ich bevorzuge als „Magneten“ eher eine Ansammlung von Geschäften mit außerordentlich hochqualitativen Produkten welche es so selten bis gar nicht mehr gibt.
sie schreiben:
„Es ist wohl unbestritten, dass die Neugestaltung der Hegaustraße der Innenstadt mehr als gut getan hat. Denken wir allein nur an das neu eröffnete Feinkostgeschäft Da Bennardo mit geschmackvoller Außengastronomie.“
Ähm…ich bestreite dies auf jeden Fall. Ich mag die Fehler gar nicht alle aufzählen, allein die Wahl des Bodenbelags wird die Betriebskosten der Stadt belasten – und er ist ausgesucht hässlich. Und den Ursache-Wirkung-Zusammenhang sehe ich so nicht.
sie schreiben:
„Die Singener Innenstadt ist, im Gegensatz zu anderen Innenstädten, wunderbar grün“
Sie müssten da schon die Vergleichsreferenz näher bestimmen, verglichen mit Berlin-Marzahn mögen sie recht haben. Ansonsten bleibt Singen WEIT hinter dem machbaren zurück. Allerdings bin ich da recht optimistisch dass sich das ändert, ich habe schon einige sehr engagierte Mitarbeiter der Stadt kennengelernt welche sich stetig um ein Mehr an Grün bemühen. Den Status Quo allerdings empfinde ich gerade in der Innenstadt als sehr deprimierend. Und eine preiswertere, ökologisch nachhaltigere und angenehmere Methode als massive Begrünung um im Klimawandel die Innenstadt zu kühlen ist mir nicht bekannt.
Sie schreiben:
„Auch der Herz Jesu Platz oder der Platz um den Storchenbrunnen hat deutlich an Attraktivität gewonnen.“
Für mich definitiv nicht!
Mit den neuen Gebäude am Herz-Jesu-Platz wurde ein weiteres Mal dieser unsägliche architektonische Einheitsbrei manifestiert, der mittlerweile seit Jahrzehnten überall verkleckert wird. Bei Anblick derartiger Gebäude ist es unmöglich zu sagen in welcher Stadt oder wo in der Stadt man sich befindet, der Blick gleitet haltlos an der Fassade ab.
Der Storchenbrunnen ist … rechtwinklig, in Gestaltung und Anlage ein klares Statement das Natur gezwungen und geordnet gehört. Ich hatte eigentlich mehr von Gnädinger erwartet.
sie schreiben:
“ Wer sich mit Karstadt beschäftigt hat, der weiß, dass dies nicht die erste Insolvenz ist und wenn wir ehrlich sind, dann war es eine Frage der Zeit, wann es Karstadt als nächstes wieder trifft. Die Gründe für die Schließung der Singener Filiale liegen mit Sicherheit nicht in der Neueröffnung des Cano. Mit über 10.000 Qm wäre Karstadt Singen samt Konzern stark genug, an diesem 1A Standort vom Cano zu profitieren. Das Haus in Singen ist seit jeher rentabel, trotzdem wurde kein Geld in die Hand genommen. Das Konzept Karstadt ist veraltet und gehört generalüberholt.“
Sie werden staunen: Ich stimme fast vollständig mit ihnen überein. Allerdings bin ich mir sicher dass der Fakt der Neueröffnung des Cano mit bei der Evaluierung bei Karstadt eine Rolle gespielt hat. Vermasselt hat es aber Karstadt, ich durfte Zeuge werden wie mehr und mehr attraktive Angebote und Abteilungen für die ich Karstadt aufsuchte ausgedünnt wurden oder irgendwann verschwanden.
sie schreiben:
„Das Konzept Karstadt ist veraltet und gehört generalüberholt. Dazu bedürfte es eines Investors, der an der Fortführung interessiert ist. Das ist hier aber nicht der Fall. Rene Benko zieht die Gelder aus dem Unternehmen, stärkt seine Immobilien und konzentriert sich auf ein paar wenige Standorte in den Großstädten. Ich hoffe, für die Mitarbeiter, dass die Argumente noch einmal zu einem Umdenken führen werden und der Standort Singen weiterhin bestehen bleibt.“
Auch hier stimme ich mit ihnen überein, ich habe aber keinerlei Hoffnung dass sich bei Karstadt oder im Cano Arbeitsplätze manifestieren, welche den Mitarbeitern auskömmliche und sorgenfreie Anstellungen bescheren.
Es wäre möglich gewesen im Cano, wenn das Gebäude mehrheitlich von der Stadt Singen finanziert worden wäre, jetzt wird aber bei jedem Erfolg der Geschäfte im Cano die Mieten erhöht werden und somit die Erlöse dieses Erfolgs eher beim Betreiber des Cano landen. Dies wird auch einen gesunden Mix an Geschäften im Can konterkarieren.
Wenn man die Kommentare hier ließt, könnte man weinen. Glücklicherweise gibt es im Singener Gemeinderat noch Menschen, die die Zeichen der Zeit erkannt und für das Cano und die Umgestaltung der Innenstadt gestimmt haben. Sie Frau Henke scheinen nicht dazu zu gehören. Von welchen Gefahren durch das Cano sprechen Sie? Es kommen neue Läden hinein, manch einer wechselt den Standort und zieht ins Cano um. Ja und? Der eine oder andere wird sein Geschäft schließen. So manch ein Händler hat sich in Singen ausgeruht bzw. steht vor der Rente und ist nicht mehr bereit in sein Geschäft zu investieren. Auch das ist sein gutes Recht und wird zu Veränderungen führen. Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit, lautet ein Spruch, der viel Wahrheit beinhaltet. Der Innenstadt steht ein enormer Wandel bevor und das ist gut so, denn die Anforderungen haben sich geändert. Das ist im Übrigen nicht nur in Singen der Fall. Stellen wir uns das Tor zur Innenstadt ohne Cano, neuen Bahnhofsplatz und moderner Hegaustraße vor. Ein schäbig runtergekommener Holzerbau und dann ein leerstehendes Karstadtgebäude. Eingebunden in ein wenig einladendes Umfeld. Abschreckender geht wohl kaum. Die Innenstadt und ihre Händler leben vom Konsum, auch wenn das manch einem nicht schmecken mag. Ohne Magneten verschwindet Singens Innenstadt eher früher als später in der Bedeutungslosigkeit. Es ist wohl unbestritten, dass die Neugestaltung der Hegaustraße der Innenstadt mehr als gut getan hat. Denken wir allein nur an das neu eröffnete Feinkostgeschäft Da Bennardo mit geschmackvoller Außengastronomie. So etwas läd ein und macht Lust auf mehr. Auch der Herz Jesu Platz oder der Platz um den Storchenbrunnen hat deutlich an Attraktivität gewonnen. Die Neugestaltung des Kreuzensteinplatzes, bin ich sicher, wird Aufenthaltsqualität für Menschen und Spielmöglichkeiten für die Kleinen verbinden und weiter zur Attraktivierung der Stadt beitragen. Die Singener Innenstadt ist, im Gegensatz zu anderen Innenstädten, wunderbar grün. Viele große und alte Baumbestände finden sich hier wieder und schaffen kleine Oasen mitten in der Stadt. Kein Mensch besucht Singen nur wegen ein paar kleiner Geschäfte, auch das wurde glücklicherweise erkannt. Wer sich mit Karstadt beschäftigt hat, der weiß, dass dies nicht die erste Insolvenz ist und wenn wir ehrlich sind, dann war es eine Frage der Zeit, wann es Karstadt als nächstes wieder trifft. Die Gründe für die Schließung der Singener Filiale liegen mit Sicherheit nicht in der Neueröffnung des Cano. Mit über 10.000 Qm wäre Karstadt Singen samt Konzern stark genug, an diesem 1A Standort vom Cano zu profitieren. Das Haus in Singen ist seit jeher rentabel, trotzdem wurde kein Geld in die Hand genommen. Das Konzept Karstadt ist veraltet und gehört generalüberholt. Dazu bedürfte es eines Investors, der an der Fortführung interessiert ist. Das ist hier aber nicht der Fall. Rene Benko zieht die Gelder aus dem Unternehmen, stärkt seine Immobilien und konzentriert sich auf ein paar wenige Standorte in den Großstädten. Ich hoffe, für die Mitarbeiter, dass die Argumente noch einmal zu einem Umdenken führen werden und der Standort Singen weiterhin bestehen bleibt.
Liebe Uta,
wie immer ein sehr gut geschriebener Artikel, der auch benennt, dass von Seiten der Händler, der Gewerkschaft und der Bürgerinitiative gerade vor so einer Situation gewarnt wurde. Das war damals ja nicht, weil wir von Haus aus Pessimisten und Verhinderer sein wollten oder aus Jux und Dollerei, sondern weil uns die Konkurrenz von 85 neuen Läden, die alle auf einmal eröffnen, gerade was Karstadt anbelangt, zu groß erschien. Dass jetzt Gemeinderäte, der Oberbürgermeister und Singen Aktiv so überrascht sind, kann ich deshalb nicht nachvollziehen.
Aber wir müssen nun das Beste aus der Situation machen und uns für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Karstadt einsetzen – dazu sind tatsächlich alle gefragt!
Schon deprimierend wie unser Oberbürgermeister und die Gewerkschaften immer noch alte, offensichtlich fehlgeschlagene Strategien als zielführend anpreisen und verfolgen. Entlarvend für mich: Man protzt in Statements damit in der Vergangenheit Steuergelder für die Ansiedlung und Erhalt von Karstadt und ECE verbrannt zu haben und wundert sich nun dass in einer Marktwirtschaft eiskalt … eben marktwirtschaftliche Entscheidungen gestroffen werden – ohne Rücksicht auf vergangene Geschenke. Wenn man als Stadt maximalen Gestaltungsspielraum haben möchte, dann erstellt und besitzt man eben jene Gewerbeimmobilien und und bestimmt wer und was dort hineinkommt. Jetzt lassen sich der Gemeinderat und Karstadt-vermieter durch billige Drohungen am Nasenring durch die Manege führen.
Weiterhin ist der Bau solcher Moloche eine langfristig wirksame Entscheidung. In den Argumentationen von Bürgermeister und Gewerkschaften wird aber vornehmlich auf „schweizer Kaufkraft“ und auf Einkaufspotential aus dem weiteren Umland abgestellt. Dies ist eine geradezu idiotische Sichtweise da es kein „mehr“ an Kaufkraft gibt, diese ist reginal relativ stabil und ändert sich mit den gesamtwirtschaftlichen Kennzahlen eher träge. Lediglich eher kurzfristige Wechselkurseffekte verschieben den Handel von z.B. Herblingen nach z.B. Singen und Konstanz – und irgendwann eventuell auch wieder zurück. Was Kommunen erreichen, wenn sie ein „mehr“ an Verkaufsflächen subventionieren, ist lediglich Zerstörung von gewachsenen Strukturen in den Städten und im Umland und eine relativ kurzfristige Verlagerung von Konsum – bis die nächste konkurrierende Stadt ihrerseits neue Verkaufsflächen subventioniert.
Hierbei gibt es langfristig keine Gewinner auf kommunaler Seite, nur Baubranche und große Handelsketten profitieren.
Ein weiterer – für mich wichtigster – Aspekt ist die Funktion einer Stadt. Die Singener Innenstadt ist zu einer reinen Einkaufsstadt degradiert worden – vieles an reizvoller Architektur ist zerstört worden und jede Aktion der letzten „Bürgermeisterschaften“ hat Singen hässlicher gemacht. Es wird eine Politik für Handelskonzerne und weniger für die Singener gemacht. Irgendwie müssen ja die Horden an gewünschten einkaufswütigen Konsumenten in die Innenstadt kommen – und das passiert eben nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Faktisch hat man am Ende eine für Handelskonzerne attraktive Innenstadt – welche für normale Bewohner kaum noch ohne gravierende Einschränkungen in der Lebensqualität bewohnbar ist.