„Abschied von der Zukunft der Zivilisation“
Die Verabschiedung des umstrittenen Kohleausstiegsgesetzes durch den Bundestag kommentierte die Konstanzer Ortsgruppe von Fridays for Future (FfF) auf die demonstrative Art: Mit einem Trauermarsch nahmen die KlimaaktivistInnen „Abschied von der Zukunft der Zivilisation“. Grund für die Begräbnisstimmung: Viele ExpertInnen und KlimaschützerInnen halten es für unmöglich, mit diesem Gesetz die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzvertrag einzuhalten.
In einer andächtigen Zeremonie zogen am Freitag, 3. 7., begleitet von trauriger Musik, rund zwei Dutzend schwarz gekleideter Menschen vom Büro des Bundestagsabgeordneten Andreas Jung zur Marktstätte. Mit dabei ein weißer Sarg mit der Aufschrift: „RIP – Zukunft – In stiller Trauer – Die Menschheit.“ Mit dem Trauermarsch machten die KlimaschützerInnen von Fridays for Future auf die laut ihnen “katastrophale Entscheidung des Bundestages” aufmerksam.
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Der hatte am selben Morgen dem bereits vorher vom Kabinett gebilligten Kohleausstiegsgesetz zugestimmt und damit den Weg für dessen Inkrafttreten frei gemacht. Demnach soll die Verbrennung von Kohle noch bis 2038 genehmigt werden, mit der Option die Verbrennung bereits 2035 zu beenden. Nach einhelliger Meinung von WissenschaftlerInnen und KlimaschützerInnen ist dies deutlich zu spät, um den Verpflichtungen Deutschlands aus dem Pariser Klimaschutzabkommen gerecht werden zu können. Das späte Ausstiegsdatum ist aber nicht das einzige, was UmweltaktivistInnen bundesweit aufschreien ließ. Weiterer Kritikpunkt ist der sehr zögerliche Abschaltpfad, deutlich langsamer als im Kohlekompromiss vorgesehen.
Hinzu kommt, dass Kraftwerksbetreiber Milliarden an Entschädigungen in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zugesichert bekommen. Dieser Vertrag soll es auch unmöglich machen, zu einem späteren Zeitpunkt ein früheres Abschaltdatum zu beschließen. Nach Meinungen einiger JuristInnen könnte dies als Vertragsbruch des Pariser Klimaschutzabkommens gewertet werden. Das sehe nämlich vor, dass die Nationalstaaten alle fünf Jahre ihre Klimaschutzziele überprüfen und gegebenenfalls verschärfen. Eine der wichtigsten Maßnahmen für ambitionierteren Klimaschutz wäre ein Vorziehen des Kohleausstieges. Eben dies wird mit dem Gesetzesbeschluss nun ausgeschlossen.
Die Studentin Cyra Mehrer von Fridays for Future kommentierte den Beschluss des Gesetzes: „Wir sind absolut fassungslos, wie die Bundesregierung in 2020, mitten in der Klimakrise, so ein rückständiges Gesetz verabschieden konnte. Mit diesem Gesetz hat sich die Bundesregierung offiziell vom Pariser Klimaschutzabkommen abgewandt. Und das in einem Jahr, in dem wir alle erleben mussten, wie wichtig es ist, Warnungen der Wissenschaft ernst zu nehmen.“ FfF-Aktivist Julian Kratzer ergänzte: „Wir sind sehr sehr enttäuscht von Andreas Jung, der dem Gesetz zugestimmt hat. Wir hatten bis zum Schluss geglaubt, dass er darum kämpft, dass Deutschland seine Verpflichtungen aus Paris einhält. Wir hatten Unrecht. Dieses Gesetz ist wirtschaftlicher Unsinn und ein Todesurteil für Millionen von Menschen. Es ist schrecklich, dass er den Weg dafür freigemacht hat.“
Bereits in den letzten Wochen hatten bundesweit zahlreiche Klimaschutzgruppen gegen das Gesetz protestiert. So hatte die Konstanzer FfF-Ortsgruppe bereits in den vergangenen Wochen Mahnwachen vor dem Bundestagsbüro von Andreas Jung abgehalten, Aktivist*innen von Ende Gelände hatten in Kleingruppenaktionen Kohlebagger in den Tagebauten im Rheinland und in der Lausitz blockiert, und auch die Wissenschaftsvereinigung Scientists for Future hatte in einer Stellungnahme aufgezeigt, dass das Gesetz aus wissenschaftlicher Perspektive abzulehnen sei.
Trotz oder gerade wegen der nun sehr düsteren Zukunftsaussichten werden die SchülerInnen von Fridays for Future weiter für ihre Zukunft kämpfen. „Heute ist ein schwarzer Tag für das Klima. Heute geht es darum, unserer Trauer und Verzweiflung Ausdruck zu geben. Ab Morgen kämpfen wir weiter dafür, dass unsere Abgeordneten eines Tages Politik mit Vernunft und Verantwortung betreiben“, fasste Silvio Krumm die Aktion zusammen.
MM/red (Fotos: Fridays for Future Konstanz)
In Bezug auf „Intelligenz der Massen“ und in Bezug auf die Überlebensfähigkeit der Menscheit in ich ein sehr, sehr pessimistischer Mensch.
Bis FfF entstand.
Wähend religiöse Menschen teils weiterhin mit SUV zum Gottesdienst fahren um danach wieder daheim den Blick auf den geschotterten Vorgarten zu geniessen und bei der Rettung der Erde auf höhere Mächte setzen – legte die (leider zu kleine) Elite an Erkenntnisfähigkeit Axt an die verantwortungslose Verweigerung fast aller politischen Entscheidungsträger notwendige Veränderungen einzuleiten. Politiker fast aller Parteien halten den Kimawandel sowieso für nicht existent, und wenn sie ihn doch zur Kenntnis nehmen sehen sie keinen wirklichen Handlungsbedarf – außer irgendwann einmal – ein bisschen.
Und während die Grünen zu einer beliebigen Volkspartei ohne jegliche Prinzipien verkommen, halten FfF weiterhin die Prinzipen der Politik basierend auf Fakten und logischen Zusammenhängen hoch.
Wir alle dürfen froh sein dass sich diese Bewegung formiert hat welche eine bis jetzt funktionierende Form der politischen Einflussnahme gefunden hat.
FfF scheint auch relativ immun gegen b.z.w unattraktiv für Infiltration von Berufsfunktionären, Lobbyisten, Mandatsjägern und sonstigem Geschmeiß welche normalerweise politische Organisationen in windeseile durchsetzen.
Ich jedenfalls bin unendlich dankbar dass es Menschen wie in FfF organisiert tatsächlich noch gibt.