Mehr Tempo!

Mehrere Fraktionen haben für die Gemeinderatssitzung am 21. Juli einen gemeinsamen Antrag eingebracht, der umgehende Verbesserungen an einigen der für den Radverkehr besonders neuralgischen Punkte fordert. Dazu zählen zwei Pop-up-Radwege ebenso wie Aufstellflächen am Zähringerplatz und die Prüfung von Verbesserungen entlang der Schwaketen­straße. Die Stoßrichtung ist klar: Es soll schneller als bisher mit dem Rad vorangehen, und dafür sollen wo nötig dem Autoverkehr Flächen entzogen werden.

Der Antrag von Grünen, Jungem Forum und Linker Liste ist sichtlich auch von den Experimenten in einigen Großstädten inspiriert, die im Zuge der Pandemie die Flächen fürs Rad an manchen Stellen zumindest vorübergehend ein wenig vergrößert haben. Angesichts der Zunahme des Konstanzer Radverkehrs – zwischen 2007 und 2018 um 42 Prozent – wollen die AntragstellerInnen die Infrastruktur an neuralgischen Punkt sofort verbessern, denn „an vielen Stellen in Konstanz ist deutlich zu wenig Platz für Radfahrer*innen vorhanden; teilweise werden selbst gesetzlich vorgeschriebene Abstände und Breiten von Radwegen nicht eingehalten.“

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Ausdrücklich versteht sich dieser Antrag nur als ein erster Schritt eines „langfristigen Optimierungsvorhabens“. Hier die Begründung der einzelnen Maßnahmen, wörtlich aus dem Antragstext übernommen:

Zähringerplatz

Die viel befahrene Fahrradstraße (Jahnstraße) endet am Zähringerplatz im Nichts. Die Räder müssen auf schmale Radwege auf den Gehwegen ausweichen, es gibt gefährliche Situationen durch von Autos zugestellte Flächen und Staus an den sehr kurz geschalteten Querungsampeln für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. Ein einfaches Abbiegen Richtung Friedrichstraße dauert so meist mehrere Ampelphasen im Pulk mit vielen Radfahrenden und Zu-Fuß-Gehenden. Die Lösung wäre eine breite Aufstellfläche für Fahrräder vor den Autos sowohl aus Richtung Fahrradstraße (Jahnstraße) kommend als auch beim Einbiegen aus Richtung Wollmatinger Straße. Das Abbiegen aus bzw. in die Fahrradstraße wäre dann direkt möglich und entlastet damit tausende Radfahrende täglich an diesem Abschnitt. Diese Maßnahme ist sofort umzusetzen.

Laube als Entlastung

Da die Schottenstraße sehr dicht befahren ist (mit Rad- und Autofahrer*innen), ist eine Entzerrung erforderlich durch eine Parallelstruktur auf der Laube, wo von Schnetztor bis Rheinsteig dem Autoverkehr zwei Spuren zur Verfügung stehen. Da dort im Moment kein Bus fährt, kann problemlos die östliche Spur dem Radverkehr in nördlicher Richtung überlassen werden. Die Ausführung kann als sogenannte Pop-up-Bikelane erfolgen, d.h. auf der Fahrbahn markierte und geschützte Streifen für Radfahrer*innen, wie sie derzeit in vielen Städten entstehen, um den Radverkehr zu entzerren. Die Spur endet z.B. an der Gartenstraße mit einer Aufstellfläche vor der Ampel, von der die Fahrräder nach links über die Gartenstraße zurück auf die Schottenstraße geführt werden. Diese Maßnahme kann im Rahmen der Umsetzung des C-Konzepts und des Fußgängerkonzepts später angepasst werden. Dabei entsteht schon jetzt ein positiver Effekt für die Belebung der Innenstadt, da die Radfahrenden näher an der Stadt geführt werden und so Geschäfte entlang dieser Spur wie auch der Innenstadt sehr leicht anzufahren sind. Positive Effekte dieser Art werden in vielen Städten in Deutschland und weltweit beobachtet. Auch diese Maßnahme ist sofort umzusetzen.

Alte Rheinbrücke

Der Zweirichtungsradweg entlang der (Alten) Rheinbrücke ist zu schmal (zuletzt verstärkt aus Corona-Sicht) und gefährlich; speziell beim Befahren mit einem Radanhänger bleibt keinerlei Abstand mehr. Um dies zu verbessern, muss der Radweg um eine Spur erweitert werden; der bisherige Radweg wird für den Radverkehr Richtung Innenstadt beibehalten. Hierzu gibt es im Rahmen des C-Konzepts seit Längerem die Idee und den Gemeinderatsbeschluss, eine Radspur auf der Brücke zu führen, indem eine Fahrspur des motorisierten Verkehrs umgewidmet wird. Die bisherige Überlegung ging dabei von der westlichen Spur aus – mit Anschluss an die Radwege am Rheinsteig und der Spanierstraße. – In diesem Zusammenhang bietet sich eine Verlängerung als Pop-up Bikelane über die Seerhein-seitige (westliche) Fahrspur bis Beginn Petershauser Straße an, um eine bestmögliche Verbindung an beiden Rheinseiten zu erreichen.

Alternativ könnte der Radverkehr stadtauswärts auf der östlichen Spur der Rheinbrücke geführt werden, die – wie derzeit während der Baustellenphase – nicht durch den Kraftverkehr genutzt werden kann. – Zu prüfen wäre in diesem Zusammenhang, ob der Radstreifen vom Bahnhofsplatz kommend fortgeführt werden kann bis zur Rheinbrücke, da auch der Zweirichtungsradweg an der Konzilstraße extrem dicht befahren und gefährlich ist.

Auch diese Maßnahme ist (in bestmöglicher Variante) sofort umzusetzen.

Schwaketenstraße

Die Schwaketenstraße von ihrer Abzweigung von der Radolfzellerstraße bis zur Geschwister-Scholl-Schule ist für Radfahrer*innen unzumutbar – vor allem, wenn man bedenkt, dass es sich dabei um einen Schulweg handelt. Die Breite der Radspur ist teilweise nur bei ca. 1,20m, es sind Hindernisse im Weg, die Spur führt teilweise auf dem Gehweg bzw. ist unterbrochen, quer zur Straße parkende Autos stellen eine Gefährdung dar. Für die Straße wird Tempo 30 umgesetzt, wir halten in dieser Situation aber auch weiterhin die Existenz von gesicherten Radstreifen für richtig und möglich, die gleichzeitig zu einer Verengung der restlichen Fahrbahn führen würden. So wird die Geschwindigkeitsreduktion auf Tempo 30 auch besser wahrgenommen. Wir beantragen einen Ortstermin für den TUA und den AK Rad mit den entsprechenden Verbänden (CICLO, ADFC, VCD), um vor Ort an geeigneten und angemessenen Lösungen zu arbeiten.


Dieser Antrag benennt in der Tat einige Schwachstellen im Konstanzer Radverkehrsnetz und geht daher in die richtige Richtung. Natürlich ließe sich auch mit Fug und Recht debattieren, ob es nicht einige weitere Problempunkte gibt, die nicht minder dringlich zu bearbeiten wären, aber das schmälert das Verdienst dieses Vorstoßes nicht. Immerhin soll am Grundproblem des Verkehrs in Konstanz und anderswo gearbeitet werden: Der vor allem in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg vorgenommenen Umverteilung des Verkehrsraumes zugunsten des motorisierten Individualverkehrs. Die Flächenaufteilung muss dringend zugunsten anderer Verkehrsteilnehmer – Fußgänger, Radfahrer, ÖPNV – geändert werden, und zwar dauerhaft, nicht durch irgendwelche temporären Markierungen, die dann irgendwann nach Corona wieder verblassen.

Eine dauerhaft wirksame Verkehrswende wäre aber statt durch Einzelmaßnahmen am ehesten durch eine zeitliche Straffung (und gegebenenfalls sinnvolle Ergänzung) des Handlungsprogramms Radverkehr zu erreichen, das, so verdienstvoll es auch sein mag, seine heilsame Wirkung langsamer entfaltet als ursprünglich erhofft. Eine zeitliche Straffung hieße natürlich, bereits in den nächsten Jahren deutlich mehr Geld als geplant für zusätzliches Personal und für Baustellen auszugeben und Maßnahmen vorzuziehen. Das ist – auch in Zeiten von Corona und so knapp vor den OB-Wahlen – nicht zuletzt eine Frage der politischen Mehrheiten im Gemeinderat und des öffentlichen Drucks auf die Verantwortlichen.

MM/red (Foto: O. Pugliese)