Attacke gegen Burchardt: „Er kann es nicht“

Ende letzter Woche stellte OB-Kandidat Andreas Matt (53) in kleiner Runde sein Wahlkampfprogramm vor. Keine fünf Minuten waren vergangen, da setzte er schon die erste Spitze gegen den noch amtierenden Rathauschef Uli Burchardt, nicht die letzte an diesem Abend. Der parteilose Matt ritt weitgehend kenntnisreich durch die Konstanzer Kommunalpolitik und ließ kaum ein Thema aus. Was will er anders machen, wo sieht er Handlungsbedarf, wie bewertet er seine Chance, wie beurteilt er seine Mitbewerber? Wir haben reingehört.

Andreas Matt ist in Freiburg aufgewachsen, kam 1994 nach Konstanz und war hier bei der IHK Hochrhein-Bodensee beschäftigt. Später zog es ihn nach Istanbul, wo er für die Unternehmen Saturn und Media-Markt arbeitete. Ab 2018 übernahm er die Geschäftsführung des CDU-Wirtschaftsrates in Sachsen-Anhalt, seit Anfang 2020 ist er auch wegen der Oberbürgermeisterwahl wieder in Konstanz. Schon 2012 habe er damit geliebäugelt, sich als Oberbürgermeister in Konstanz zu bewerben, es aber dann gelassen. Nun aber tritt er an, denn die achtjährige Amtszeit von Burchardt war seiner Meinung nach alles andere als erfolgreich: „Er kann es nicht, kaum etwas wird richtig zu Ende gebracht“. Seinen Wahlkampf will er ausschließlich aus eigener Tasche finanzieren, ihm zur Seite steht ein kleines Team. „Ich werde gewinnen“, sagt er im Brustton der Überzeugung.

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Unabhängige und „Unabhängige“

Nicht nur Burchardt, „der keinesfalls unabhängig, sondern CDU-Mitglied ist“, wird von Matt leise gerüffelt. Ähnlich verhalte es sich mit Andreas Hennemann, der SPD-Mann sei, aber so tue, als spiele das bei seiner Kandidatur keine Rolle. Auch in Richtung Luigi Pantisano, der von Grünen und Linken unterstützt wird, empfiehlt Matt: „Er soll gegenüber der Bürgerschaft klar sagen, dass er Mitglied bei der Linkspartei ist“. Außerdem sei es doch sehr verwunderlich, dass es die Grünen als stärkste kommunalpolitische Kraft in Konstanz nicht geschafft hätten, einen eigenen Kandidaten oder Kandidatin ins Rennen zu schicken. Vom OB-Bewerber Felix Müller ist nicht die Rede, was aber auch kein Wunder ist, denn Kandidat Müller ist weitgehend abgetaucht.

Der selbsternannte Aktivist

Er sei zwar zweifellos „ein Mann der Wirtschaft“, sagt Matt, aber da „kein Lobbyist, sondern Aktivist, der alles für die Stadt tut“. Er bemängelt, dass die satten Gewerbesteuereinnahmen der vergangenen Jahre oft falsch eingesetzt worden seien, wie am Beispiel Bodenseeforum schmerzhaft deutlich geworden sei, denn da werde „gutes Geld rausgeworfen“. Er möchte als Oberbürgermeister dafür sorgen, dass die einzelnen Stadtteile mit mehr Begegnungszonen gestärkt werden. Die Verwaltung müsse zudem transparenter werden. Die Gemeinschaftsschulen unterstützt er, denn Bildung sei zunehmend „ungerechter“ geworden. Auch bei KiTas und familienfreundlichen Betreuungen dürfe nicht gespart werden: „Das müssen wir uns leisten können. Lieber stecken wir die fast drei Millionen, die uns das BoFo jährlich kostet, in andere Projekte, von denen die Bürger auch profitieren“. Ebenso gelte es, das vielfältige Kulturangebot aufrecht zu erhalten, und da nicht nur die großen Einrichtungen wie Theater und Philharmonie, sondern auch Einrichtungen wie u.a. K9, Kulturladen, Zebra-Kino, Zimmerbühne und viele andere. Gleiches gelte für die Vereine, denn sie seien „Kitt in unserer Gesellschaft“.

Weiterdenken bei Mobilität

Bei allen Bemühungen, den Fahrradverkehr in Konstanz weiter zu fördern, dürfe man aber nicht die Fußgänger vergessen, für die er die „Stadt sicherer“ machen möchte und deswegen für mehr Zebrastreifen plädiert. Als Oberbürgermeister würde er „den Anteil des Rad- und Fußgängerverkehrs weiter erhöhen, um schnellstmöglich und mit intelligenten Maßnahmen eine autofreiere Innenstadt zu erreichen“. Aussagen, die auch die anderen Kandidaten weitgehend so unterschreiben würden. Beim Thema Autoverkehr windet sich Matt, spricht sich aber schließlich dafür aus, am Döbele ein Parkhaus zu bauen, das auch jede Menge an öffentlichen Stellplätzen bieten soll. Denn damit fange man den „Verkehr vor der Innenstadt ab“. Das wird nicht nur der hiesige Einzelhandel, bei dem Matt als unterstützenswerter Kandidat gehandelt wird, höchst erfreut zur Kenntnis nehmen. Burchardts Seilbahnpläne, die wohl endgültig vom Tisch sind, kommentiert Matt spöttisch: „Das wäre eine Kapitulation vor den aktuellen Verkehrsverhältnissen, frei nach dem Motto: Was ich am Boden nicht hinkriege, verlege ich in die Luft“.

Beim Thema ÖPNV plädiert er für den weiteren Ausbau von Bus und Wassertaxi, aber auch der Bau der geplanten Mobilitätspunkte müsse beschleunigt werden, um das Umsteigen vom Auto auf den Busverkehr attraktiv zu gestalten. Die Idee eines 1Euro-Tickets oder gar eines Nulltarifs ist nicht auf seinem Wahlkampfzettel. Elektrobusse sieht er kritisch, denn damit bewege man sich in „Abhängigkeit zu Ländern, die seltene Erden abbauen“. Sein Vorschlag; Entwicklung von grünem Wasserstoff aus der Region, zu deren Umsetzung auch die örtlichen Hochschulen ihren Teil beitragen könnten.

Einen freundlichen Wink gibt es noch in Richtung „Fridays for Future“: Deren Kritik am zähen Verlauf Richtung Klimaneutralität auf städtischer Scholle kann er nachvollziehen: „Klimanotstand ausrufen reicht da nicht, wir müssen Klimapioniere werden und dementsprechend handeln“.

Handlungsprogramm Wohnen greift nicht

„Wohnen ist ein heißes Thema“, sagt Matt richtigerweise, und auch da werden ihm wohl die meisten zustimmen. Ebenso bei seiner Einschätzung: „Es fehlt an Wohnungen für geringere und mittlere Einkommen“, das Angebot im gehobenen Wohnungsbau sei dagegen ausreichend. Das Handlungsprogramm Wohnen (HaProWo) strecke sich bis ins Jahr 2035, das müsse aber „viel schneller gehen“. Denn es könne nicht sein, dass immer mehr KonstanzerInnen der Stadt den Rücken kehrten, weil sie sich die Mieten nicht mehr leisten könnten. Matts Vorschlag: „Zügige und nachhaltige Nachverdichtung, innovative Gebäudetechnik, hochgeschossigeres Bauen, Unterstützung neuer Wohnkonzepte wie Genossenschaften und Bauvereine“. Zudem müsse die fortgesetzte Bodenversiegelung gestoppt werden „und je nach Areal in Wohnraum und Grünanlagen“ umgewandelt werden. Dazu seine Hauptforderung, die man sich merken sollte: „Städtische Grundstücke und Gebäude werden nicht mehr an auswärtige Investoren verkauft“. ( Das sollte ebenso für private Investoren vor Ort gelten, denen in der Regel auch nur der Sinn danach steht, gewinnbringend mit Betongold zu handeln.)

Auch dazu gab es noch einen Ellbogencheck Richtung Burchardt. Es sei ein ganz großer Fehler gewesen, die Grundstücke Vincentius und Siemens-Areal privaten Investoren überlassen zu haben. Stimmt, aber da macht es sich Kandidat Matt zu einfach, denn die Entscheidung darüber traf nicht Oberbürgermeister Uli Burchardt im Alleingang, dafür war der Gesamtgemeinderat verantwortlich, der mehrheitlich dafür gestimmt hat, die Areale an auswärtige Spekulanten zu verhökern.

H. Reile (Text und Bild)


Wer mehr über das Wahlprogramm von Andreas Matt erfahren möchte, wird hier fündig. Im August plant er weitere Veranstaltungen.