Kollegen und „Kollegen“

Die Gleichbehandlung der Presse ist untrennbar mit der Pressefreiheit verbunden und ein hohes Gut, das es ständig zu verteidigen gilt. Doch grundsätzliche Solidarität unter Kollegen ist einigen Südkurier-Redakteuren völlig fremd.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als vor rund 30 Jahren eine Verwaltung der Meinung war, sie könne es sich leisten, Redakteure des linken Stadtmagazins Nebelhorn bei Pressekonferenzen auszuschließen. Das Thema war dann schnell vom Tisch, als KollegInnen anderer Medien diese Art von Ungleichbehandlung kritisierten. Auch wenn man politisch in völlig unterschiedlichen Lagern stand, war man sich meist einig: Die freie und ungehinderte Berichterstattung muss gewährleistet bleiben.

Doch die Zeiten haben sich geändert und der Südkurier hat seinen Anteil daran. Als vergangene Woche im Ellenrieder-Gymnasium über die Rüstungsindustrie am Bodensee diskutiert wurde, wollte Schulleiter Peter Beckmann im Vorfeld von dem Mitdiskutanten Jürgen Grässlin wissen, ob er einverstanden sei, wenn auch „die Presse“ geladen werde. Dagegen hatte Grässlin nichts einzuwenden, im Gegenteil. Aber vor Ort wurde dann schnell klar, dass mit Presse alleine der Südkurier gemeint war. Redakteurin Kirsten Schlüter räkelte sich wohlig auf ihrem Stuhl und genoss sichtlich die überaus freundliche und fast devote Begrüßung, die ihr Peter Beckmann gleich mehrmals aufs Brot strich. Von dieser Seite, das weiß Beckmann schon lange, hat er keine kritische Berichterstattung zu befürchten, vor allem, wenn es um die Kooperation seiner Bildungsanstalt mit dem Waffenkonzern EADS geht.

Uns seemoz-Vertreter wollte er allerdings nicht im Raum haben, denn zu oft hat er da bisweilen etwas lesen müssen, was dem CDU-Mann überhaupt nicht gefallen hat. Da wir uns weigerten, den Saal zu verlassen und das auch mit dem Hinweis auf die Pressefreiheit begründeten, ließ Beckmann die Polizei kommen. Und so kehrten wir nach der üblichen Personenkontrolle diesem heimeligen Ort der demokratischen Meinungsbildung den Rücken. Mit uns solidarisch zog auch Theaterintendant Christoph Nix reichlich fassungslos von dannen.

Kirsten Schlüter berichtete zwei Tage später über die Diskussion und schrieb auch über den „Zwischenfall“. Sollte man der Redakteurin der „besten Lokalzeitung Deutschlands“ vorwerfen, dass ihr der Rauswurf zweier Journalisten, denen dadurch eine Berichterstattung unmöglich gemacht wurde, keine Zeile wert war? Wohl eher nicht, denn Begriffe wie Solidarität unter Kollegen sind dieser „Kollegin“ anscheinend völlig fremd und haben für sie wohl nur antiquarischen Wert.

Fast schon dankbar aber scheint man in der Südkurier-Lokalredaktion zu sein, dass seemoz und deren Macher endlich als Feindbild taugen. Das schweißt in der Regel auch die fantasielosesten Zeitgenossen eng zusammen. Nun haben aber einige Lokalredakteure ein Problem, denn seemoz darf namentlich in ihrem Blatt nicht genannt werden, so eine Anordnung von weiter oben. Das erinnert an die 1980-er Jahre, als auf Geheiß des damaligen Chefredakteurs Franz Oexle es ebenfalls strikt verboten war, das Stadtmagazin Nebelhorn zu erwähnen.

Also muss ein Einzelner herhalten, in dem Fall eben ich. Die erste putzige Attacke ritt kürzlich Redakteur Michael Lünstroth. Im Zusammenhang mit meiner Kritik im Gemeinderat an den überzogenen Planungen für das Konziljubiläum bezeichnete er mich als „Gelegenheitsjournalisten“. Nun, nach der Debatte am Ellenrieder, zog Lokalchef Jörg-Peter Rau in drolliger Kollegialität nach und adelte mich als „Gelegenheitspolitiker“. Werte „Kollegen“: Was denn nun, würden Sie sich bitte mal gelegentlich einigen? Mit Verlaub: Kann es sein, dass da in Ihrem Innersten nicht nur gelegentlich ein journalistischer Minderwertigkeitskomplex sein Unwesen treibt, dem auch mit einem erfahrenen Therapeuten nur ganz schwer beizukommen ist? Tritt keine Besserung ein, empfehle ich wohlwollend einen Kurs bei der hiesigen vhs. „Backen ohne Mehl“ ist schon voll, aber bei „Tucholsky leichtgemacht“ wären ab März noch genügend Plätze frei.

H.Reile