Für Schwaben geht’s zum See immer bergauf
Die aktuelle städtische Vorhabenliste liegt vor. Sie gibt einen Überblick darüber, was die Verwaltung in nächster Zeit anzugehen gedenkt, und reicht von den nächsten Planungsschritten für die Christiani-Wiesen über einen ganzjährig betriebenen Wasserbus bis zu allen möglichen Bebauungsplänen und ganz konkreten Bauvorhaben. In der Summe ergibt das eine Fülle (oft überfälliger) kleinerer oder größerer Schritte, die gerade in Sachen Klimaschutz ziemlich klein auszufallen drohen.
Um zu verstehen, welche Vorhaben in einer städtischen Vorhabenliste veröffentlicht werden, können Sie sich auch einfach mal fragen, welche dort nichts zu suchen haben. „Ich habe vor, meinen Therapeuten zu wechseln, denn mein jetziger Therapeut sagt mir immer, ich solle das Bofo nicht doller liebhaben als meine Freundinnen“ – einen Eintrag wie diesen etwa würden Sie dort nur ungern lesen wollen, denn der wäre doch wohl eher der privaten Lebenssphäre eines von den KonstanzerInnen mit Inbrunst verehrten Menschen zuzurechnen. Selbst wenn dieser Geistesblitz einen Amtsträger mitten während seiner Arbeitszeit träfe, wäre er von nur geringem öffentlichem Interesse.
Eine Straße auf dem Wasser
Bereiten Sie sich also darauf vor, dass die aktuelle Vorhabenliste der Stadt eher prosaische Dinge verzeichnet. Nehmen wir als Beispiel den Wasserbus, der ja samstags immer mal wieder ein paar EinkaufstouristInnen zwischen dem Parkplatz am Bofo und der Innenstadt hin- und herschippert. Jetzt wird weitergedacht: „Zwischen dem neuen Anlegesteg am Bodenseeforum und dem Hafen von Konstanz soll eine Schiffslinie eingerichtet werden. Der sogenannte Wasserbus soll ganzjährig betrieben werden und Nutzer des weiter auszubauenden Mobilpunktes am Brückenkopf Nord in die Innenstadt bringen. Hierbei soll geprüft werden, ob zum Regelbetrieb die Anschaffung von Schiffen mit klimaneutralem Antrieb verkehrlich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Vorerst fährt im Probebetrieb an Samstagen ein Schiff mit Dieselantrieb.“ Dieselantrieb? Das klingt nach einer ordentlichen Dosis CO2 als Frittierfett für die Erdatmosphäre.
Deutlich besser fürs Klima und die Gesundheit der AnwohnerInnen ist da schon eine von Autos befreite linksrheinische Innenstadt, die zumindest gedanklich vorbereitet werden soll. Rechtsrheinisch parkieren, linksrheinisch flanieren, hin und her mit öffentlichen Verkehrsmitteln, das ist der Plan. In Zukunft heißt es dann: „Nicht nur der Trunkenbold/fährt gern im Roten Arnold.“ Daran wird eisern weitergeplant, und außerdem macht sich die Verwaltung Gedanken darüber, in welchem Format die zugehörige Bürgerbeteiligung ausgeführt werden soll. Vielleicht, so unken die üblichen Miesmacher, wird die Bürgerbeteiligung ja per Umfrage im Einzelhandel vorgenommen: „Wollen Sie, dass pubertierende Klimafanatiker und runzlige rote Socken Ihren Kunden die Parkplätze wegnehmen und damit Ihr Geschäft in den Ruin treiben?“
Rampe statt Seufzertreppe
Gerade beleibte oder anderweitig mobilitätseingeschränkte Menschen haben es schwer, wenn der Weg in die öffentlichen Verkehrsmittel sie zum Treppensteigen zwingt. „Welcher Idiot hat sich denn das ausgedacht“, keuchen sie in den Handlauf verkrallt vor sich hin, während sie gerade ihren Bus abfahren hören.
[the_ad id=’73355′]
Ihnen soll zumindest etwas geholfen werden: An der Ostseite des Sternenplatzes soll es über eine Rampe endlich einen barrierefreien Zugang zur dortigen Bushaltestelle stadtauswärts geben. Da der Sternenplatz zur B33 und damit (noch) zum Bund gehört, muss selbiger für die Bauarbeiten blechen, und die Stadt ihrerseits muss nur einen „Planungskostenanteil“ von ca. 250.000 Euro hinblättern. Sie erhält für ihre Mühen vom Bund zusätzlich eine „Verwaltungskostenpauschale“ in Höhe von acht Prozent der Baukosten. Bei der üblichen Kostenexplosion für öffentliches Bauen in Konstanz könnte das am Ende noch ein gutes Geschäft für die Stadt werden.
Pappeln im Tägermoos
Manche Vorhaben werden von der Stadt in üppigster Verwaltungspoesie unters Volk gebracht: „Für das Gebiet ‚Espenriet bei Ziegelhof‘ im Tägermoos befindet sich eine Schutzanordnung des Kantons Thurgau im Gesetzgebungsverfahren. Eine Schutzanordnung nach Schweizer Naturschutzrecht entspricht der Ausweisung eines Naturschutzgebiets nach deutschem Recht. Die Verwaltung beabsichtigt unter Mitwirkung externer Fachberater, der Bürgerinitiative und von Naturschutzverbänden ein Konzept zur Pflege und Erneuerung der Allee zu erarbeiten.“
Dieses Pflege- und Entwicklungskonzept liegt seit rund zwei Jahren vor, und jetzt soll das alles irgendwie mit der schweizerischen Schutzgebietsanordnung in Einklang gebracht werden. Eine Herkulesaufgabe, die sich wohl am einfachsten mit der Kettensäge erledigen ließe.
Propeller zu Einkaufswagen
Auch in Sachen Landeplatz geht es voran. Nach jahrelangen Diskussionen soll jetzt die Entwicklung von 6,4 Hektar Gewerbeflächen im Norden der Rollbahnen zur Byk-Gulden-Straße hin beginnen. Dazu soll nun ein „Antrag auf Änderungsgenehmigung des Landeplatzes sowie Entwidmung der nicht mehr benötigten Segelflugpisten gestellt werden. Parallel wird ab Ende 2020 ein Rahmenplan zur Entwicklung der Gewerbeflächen erarbeitet unter Einbeziehung des Bestandes südlich der Byk-Gulden-Straße. Von der Flughafengesellschaft wird ein Masterplan für die Entwicklung des Landeplatzes erstellt. Anschließend wird das Verfahren zur Erstellung eines Bebauungsplanes eingeleitet werden.“ Nicht nur Baumaßnahmen selbst wollen geplant werden, auch deren Planung bedarf natürlich einer kniffligen Vorplanung.
Vermischtes
Die Aktualisierung der Klimaschutzstrategie für Konstanz „zeigt auf, mit welchen Schritten und bis wann Konstanz in verschiedenen klimaschutzrelevanten Handlungsfeldern die weitgehende Klimaneutralität erreichen kann. Insbesondere wird dargestellt, welche Beiträge dazu von welchen Akteursgruppen erbracht werden müssen, da Klimaschutz nur als gemeinsamer Kraftakt der gesamten Stadtgesellschaft funktionieren kann.“ Das Konzept soll im Mai 2021 fertig sein, nach den Debatten im Umfeld der letzten Gemeinderatssitzung steht allerdings zu befürchten, dass sich so bald nichts ändern soll, zumindest nicht bis – scroll, blätter, such – siehe da, ein Datum für die angestrebte „weitgehende“ Klimaneutralität steht da nicht. Muss es auch nicht, denn das steht dann ganz sicher nächstes Jahr im Plan.
[the_ad id=’68671′]
Auch elektronisch geht es voran, wenn ich die etwas kryptischen Ausführungen zu den Christiani-Wiesen richtig deute, die da lauten: „Im Modellquartier Christiani-Wiesen wird die Vision ‚Smart Wachsen – Qualität statt Quadratmeter‘ realisiert und die Ergebnisse im Wissenstool LexiKON zugänglich gemacht. Das LexiKON ‚Smart Wachsen‘ wird 2020 weiterentwickelt. Aktuell entwickelt das Projektteam digitale Austauschformate, um die innovative Zusammenarbeit trotz Coronavirus und abgesagter Vor-Ort-Termine zu ermöglichen. Beispiel dafür sind digitale Expertenkreise zu Mobilität und Energie. Gemeinsam mit der Verwaltung wird die digitale Lösung des LexiKONs bedarfsorientiert entwickelt, um die Projekterkenntnisse in Planungsprozesse einfließen zu lassen.“ Das alles kostet schlappe 388.000 Euro Eigenmittel Stadt Konstanz plus 769.115,00 Euro Fördergelder des Bundes. Für den Laien hört sich das allerdings an, als gehe es eigentlich nur um eine öffentlich zugängliche Datenbank mit Informationen und einem Workflow plus die Möglichkeit, Internetkonferenzen abzuhalten – was selbst Kleinstunternehmen schon seit Monaten recht kostengünstig und erfolgreich praktizieren, ohne dazu eigens digitale Lösungen bedarfsgerecht programmieren lassen zu müssen. Doch der Laie irrt ja bekanntlich sein gesamtes Untertanenleben lang. Einzelheiten finden Sie hier: zukunftsstadt-konstanz.de/lexikon
Aber es gibt auch ganz handfeste Maßnahmen, die unser aller Leben tagtäglich veredeln! „Die Radwegweisung im Stadtgebiet Konstanz stammt aus den 90er Jahren und ist inzwischen veraltet und lückenhaft. Daher wird das gesamte Stadtgebiet mit neuer Radwegweisung versehen. Diese orientiert sich am deutschlandweiten Standard und vereint Wegweisung für Tourismus (u.a. Bodenseeradweg) und den Alltagsverkehr (Wegweisung in die Stadtteile).“ Die neue Beschilderung folgt einem „ausgearbeiteten Wegweisungskataster, in dem alle geplanten Schilderstandorte und Schilder enthalten sind“ und soll bis Ende des Jahres angebracht sein. Die Kosten liegen bei 65.000 Euro für das städtische Wegweisungsnetz (ohne das fremde Gedöns).
Schade eigentlich, denn es ist doch den meisten von uns immer wieder ein Riesenvergnügen, all die Schwabensäckel, die uns – von stundenlangem Suchen völlig zermürbt und mit flehentlichen Hundeblicken – den Weg zur Reichenau zu entlocken versuchen, erbarmungslos den Bodanrück hoch nach Langenrain zu schicken.
Text: MM/O. Pugliese, Bild: O. Pugliese
Im Rathaus zuständig für Bürgerbeteiligung und Bürgerschaftliches Engagement ist Martin Schröpel. E-Mail: martin.schroepel@konstanz.de, Telefon: 07531-9002236.
Die aktuelle Vorhabenliste finden Sie hier: Vorhaben der Stadt Konstanz
Wie immer ein Lese-Vergnügen.
Zur „Radwegweisung“: Neue Beschilderungen sind immerhin preiswerter als Radwege, ganz egal, wo diese uns hinweisen.
Natürlich nur, wenn dafür nicht wieder externe Experten gebraucht werden.
Vielen Dank, Herr Pugliese, für diese cabaretreife Zusammenfassung eines für den gemeinen, informationsorientierten Durchschnittsleser ungeniessbaren hochprozentigen Bürokratenstoffes.