Techno, Brazil, Konstantin Wecker und Elektroliebe

Konstantin Wecker, München 2019. Foto: Thomas Karsten

Das Festival „Sommerwiese“ im Bodenseestadion neigt sich dem Ende zu. Vier letzte Events werden noch einmal bis zu 499 ZuschauerInnen in das weite Rund ziehen, das vor Corona ganz andere Menschenmengen gewöhnt war. Ein Highlight ist sicher der Auftritt des immer noch höchst populären Konstantin Wecker, aber auch die Lokalmatadorin Bê Ignacio, die Gutezeit-Sommerwiese und das Play Open Air mit Re.You bringen Abwechslung in diesen mit guter Unterhaltung ansonsten nicht verwöhnten Spätsommer.

Es gibt einige MusikerInnen, bei deren Musik selbst der ausgeprägteste Griesgram schlagartig gute Laune bekommt. Die in Konstanz und Brasilien beheimatete Bê Ignacio ist eine dieser Zauberinnen, die das Leben in dunkleren Momenten plötzlich etwas heller erscheinen lassen können wie der erste Sonnenstrahl, wenn die finstere Gewitterfront sich verzieht. Ein gutes Beispiel dafür ist etwa ihr enorm populäres „Sununga“, das echte Ohrwurmqualitäten besitzt und den ganzen Charme der Música Popular Brasileira (MPB) versprüht, die tatsächlich im ganzen Land am Amazonas und von (fast) allen Bevölkerungsschichten seit Jahrzehnten innig geliebt wird.

MPB im Stadion

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Zum Glück, denn so ist das musikfanatische und tanzwütige Brasil (gesprochen etwa „Brahsiu“) der englischsprachigen Musikmonokultur bis heute leidlich entgangen, indem es immer wieder einheimische Klänge mit gerade aktuellen internationalen Trends verschmolz – oder selbst Trends setzte. Egal, ob Jazz, Pop, Bossa Nova, Samba oder Weltmusik, die Spuren Brasiliens sind in der Musik ähnlich unübersehbar wie sonst wohl nur im Fußball.

Bê Ignacio wuchs in Sao Paulo als Tochter eines afrobrasilianischen Vaters und einer deutschen Mutter auf, studierte dort einige Jahre lang Theater und Schauspiel und schloss schließlich an der Stuttgarter Musikhochschule ein Studium der Jazz- und Popmusik im Hauptfach Gesang ab. Mittlerweile kann sie auf Auftritte in ganz Europa, Brasilien und Asien verweisen und wird mit ihrem Auftritt in Konstanz sicher auch das eher gräuliche und vor sich hin bröckelnde Bodenseestadion mit tropischer Lockerkeit zum Swingen bringen.

Ein Stück bundesdeutscher Kultur

Ein bundesdeutsches Urgestein ist der zumeist tendenziell ernst gestimmte Konstantin Wecker, eine Art musikalisches Urvieh mit politischem Anspruch, den er wie kaum ein anderer musikalisch einzulösen vermag. Sein künstlerisches Fundament bilden eine klassische Musikausbildung und die – von der Mutter geförderte – Begeisterung für Lyrik. 1968 trat Konstantin Wecker erstmals als Liedermacher auf, der Durchbruch gelang ihm 1977 mit der Ballade „Willy“ und dem Album „Genug ist nicht genug“. Insgesamt rund 45 Tonträger dokumentieren über Jahrzehnte die breite Palette von Weckers künstlerischem Schaffen und spiegeln auch persönliche Höhenflüge und Krisen wider. Wecker hat es immer wieder geschafft, persönliches Erleben in Musik und Sprache zu verarbeiten und in seinen teils dramatischen Liedern das Private politisch zu machen. Das verleiht ihm jene Aura von Authentizität, die sein treues Stammpublikum an ihm so schätzt und macht Wecker zum Leuchtturm jenes vom Aussterben bedrohten Kunstverständnisses, das von Anfang an nicht nur bespaßen, sondern immer auch die Wirklichkeit erforschen wollte.

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Wecker ließ aber immer wieder auch seine klassischen Wurzeln durchscheinen, etwa in der Zusammenarbeit mit dem Münchner Rundfunkorchester oder mit dem Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie. Quasi nebenbei veröffentlichte er auch Lyrik und Romane und ist durch Filmmusiken wie jenen zu „Kir Royal“ und „Schtonk!“ sowie durch Kindermusicals in Erscheinung getreten. Nach der Jubiläumstournee „Poesie und Widerstand“ rund um seinen 70. Geburtstag und „Weltenbrand“ (2019) ist „Utopia“ das aktuellste Projekt des auch auf der Bühne ungeheuer vitalen Künstlers.

Elektroliebe

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Zwei weitere Events bringen Stars einer gänzlichen anderen Musik – und vermutlich auch eine ganz andere Publikumsgeneration – ins Konstanzer Stadion: Bereits am Freitag gibt es einen House- und Techno-Abend mit Re.You (Connected, Kompakt), Cosmo & Kramer (Solide, Moblack), Visuals by F/X (Chronique Fatigue). Zum Abschluss der Festivalreihe findet am 12. September ein kleines „Gutezeit“-Festival statt, das mit Einmusik, Animal Trainer und Dr. Grow hochkarätig besetzt ist. Das war’s dann mit der Sommerwiese wie auch mit den Sommerferien.

Wer & Wann: Fr. 04.09. House & Techno – Re.You (Connected, Kompakt), Cosmo & Kramer (Solide, Moblack), Visuals by F/X (Chronique Fatigue), Einlass 19:00 Uhr – Ende 23:30 Uhr.
Sa. 05.09. Bê Ignacio Live, Einlass 19:00 Uhr – Show ab 20:00 Uhr.
Mi. 09.09. Konstantin Wecker Live, Einlass 17:00 Uhr – Show ab 20:00 Uhr.
Sa. 12.09. Gutezeit Sommerwiese mit Einmusik, Animal Trainer und Dr. Grow, Einlass 19:00 Uhr – Ende: 23:30 Uhr.
Wo: Bodenseestadion, Eichhornstraße 89, 78464 Konstanz.
Wie: Karten im Internet unter https://sommerwiese-kn.de/. Wegen der auf 499 ZuschauerInnen begrenzten Kapazitäten wird dringendst empfohlen, Tickets im Vorverkauf im Internet zu besorgen, an der Abendkasse können sie knapp werden. Um den vorgeschriebenen Abstand zu gewährleisten, werden große Kreise mit 1,6 Metern Abstand zueinander auf den Fußballrasen des Bodenseestadions eingezeichnet. Jede Besuchergruppe bekommt einen eigenen Kreis zugewiesen, in welchem gemütliche Sitzgelegenheiten, Picknickdecken oder Bierbänke, auf sie warten.

Text: MM/red,
Foto: Thomas Karsten (Konstantin Wecker in München 2019)