Corona-Demo: Größenwahn am Bodensee

Seit Wochen trifft sich im Konstanzer Stadtgarten ein kleines Häuflein, um gegen die verordneten Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Das sei ihnen unbenommen, auch wenn ihre vorgetragenen Argumente kaum nachvollziehbar sind. Nun aber steht den angeblich Widerständigen der Sinn nach überregionaler Anerkennung und „Gerry“ Mayr (Foto), den der Südkurier als „Kopf“ der Bewegung bezeichnet, hat für Konstanz am 3. Oktober eine Großdemo angemeldet. Ein Kommentar zur Lage.

Die grotesken Bilder von der Berliner Demonstration sind noch frisch. Da marschierten Friedensbewegte mit Impfgegnern, alubemützten Esoterikern und überregional bekannten Verschwörungsgetriebenen. Dazu ReichsbürgerInnen im Schulterschluß mit Althippies, die, zumindest lassen manche ihrer Äußerungen diesen Verdacht aufkommen, irgendwann in den siebziger Jahren auf ihrem letzten LSD-Trip hängengeblieben sind. Bürgerrechtler jedweder Coleur waren ebenfalls mit dabei, vermischten sich mit militanten Alt- und Neonazis, die ihre Reichsflaggen schwenkten und auch Anhänger der QAnon-Bewegung waren nicht zu übersehen. Deren Erkennungszeichen, ein großes „Q“, prangte auf vielen T-Shirts. Diese Gruppe, in der Regel rechtsextreme und antisemitische Psychopathen, vertritt die These, geheime Eliten würden Kinder opfern, ihnen das Adrenalin-Stoffwechselprodukt Adrenochrom entziehen, um sich damit ewige Jugend zu sichern. Noch gefährlicher und abgedrehter geht es kaum. Die Veranstalter dieser Demo scherte das nicht sonderlich, man sei eben auch „rechtsoffen“.

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Und mittendrin im Berliner Absurditätenkabinett der Konstanzer Gerhard „Gerry“ Mayr. Der gelernte Motorradmechaniker aus Wollmatingen, der auch ein eigenes Hostel betreibt, ist einer der Initiatoren der Konstanzer Corona-Demos. Bekannt geworden ist der selbsternannte Abenteurer in den vergangenen Jahren durch Aktionen, an deren Sinn man durchaus zweifeln darf. Er war Teilnehmer bei der Rallye Dakar, fuhr auch mit einem Quad zum Nordcap oder durch den südamerikanischen Dschungel. Somit kam er zu mehreren Einträgen im Guinness-Buch der Rekorde, und darauf ist Herr Mayr mächtig stolz. Den Südkurier ließ er nach einer seiner Aktionen in einem Interview wissen: „Adrenalin, davon bin ich abhängig, und es ist die einzige Droge, die ich akzeptiere und die mich immer weiterbringt“.

Mit seiner Lieblingsdroge vollgepumpt bis zur Halskrause war Mayr wohl auch kürzlich in Berlin. Er nutzte die Gelegenheit, kletterte auf die Bühne, und erklärte, völlig euphorisiert, endlich von mehreren zehntausend GesinnungsgenossInnen gehört zu werden, dass die nächste Demo am 3. Oktober in Konstanz stattfinden werde. Er kündigte eine „Wahnsinnsveranstaltung“ an und zwar „für Europa und die ganze Welt“. Eine Vierländerübergreifende Menschenkette (Liechtenstein, Österreich, Schweiz mit Abschlusskundgebung auf Klein Venedig in Konstanz) soll es geben und dazu erhofft sich Mayr mindestens 20 000 TeilnehmerInnen. Doch damit nicht genug. In Konstanz wolle man auch dagegen protestieren, dass Menschen „gentechnisch verändert“ würden. Beifall brandete auf, nicht nur bei den Impfgegnern, der sich gewaltig steigerte, als Mayr allen Ernstes erklärte, in Konstanz „werden wir Angela Merkel abwählen“. Da steht wohl der nächste Rekordeintrag für den Abenteurer vom Bodensee an. Man darf zu Recht vermuten, dass Herrn Mayr in Berlin auch noch die letzte Zündkerze durchgeschmort ist.

Noch wird ein knapper Monat ins Land gehen, bis sich die Armada der sogenannten Querdenker am Bodensee einfindet – wenn es überhaupt dazu kommt. Doch zu unterschätzen ist das nicht, denn vor allem dem rechten Pöbel geht es ja keineswegs um Kritik an den Corona-Maßnahmen, die teilweise durchaus berechtigt ist. Aber für den rechtsradikalen Mob gibt Gerhard Mayer den Steigbügelhalter, auch wenn er neuerdings behauptet, es gehe ihm nur um „Liebe und Friede“ unter den Menschen. Sollten er, und auch seine Konstanzer MitstreiterInnen es nicht schaffen, sich sehr klar und deutlich von den Rechtsextremisten zu distanzieren, ist der Rest von Glaubwürdigkeit vollends dahin. Zudem wären die Stadtgartendemonstranten, mit denen teilweise ein Diskurs noch möglich ist, gut beraten, hurtig darüber nachzudenken, ob sie sich weiterhin vor den obskuren Karren des Egomanen Mayr spannen lassen wollen und sich damit zumindest der Lächerlichkeit preisgeben.

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Die gute Nachricht: Gegen die Demo am 3. Oktober sind bereits mehrere Gegenveranstaltungen angemeldet. Vorgeschlagene Parole: Klardenken statt Querdenken.

H. Reile (Foto: Landeplatz / CC BY-SA)


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