Bummelei? Lüge? Harsche Kritik an der Stadtverwaltung

20120211-001446.jpgEs ging hoch her auf der letzten TUA-Sitzung: Im Technischen und Umweltausschuss des Konstanzer Gemeinderates standen die Neubaupläne auf dem Chérisy-Gelände zur Diskussion. Zwar konnte sich die Stadtverwaltung im Hauruck-Verfahren zunächst durchsetzen und die weitere Planung für zwei Häuser mit Studentenwohnungen auf der grünen Wiese fortschreiben, doch eine endgültige Entscheidung fällt erst der Gemeinderat in einer seiner nächsten Sitzungen. Fest steht: Der Streit ist noch längst nicht ausgestanden.

Während der TUA-Sitzung am vergangenen Donnerstag gerieten vor allem Roland Jerusalem, Leiter des Amtes für Stadtplanung und Umwelt, und Dieter Bellmann, Geschäftsführer von „Neue Arbeit“, aneinander. Die Neue Arbeit versteht sich als gemeinnütziger Betrieb, die auf dem Gelände der ehemaligen Chérisy-Kaserne bezahlbare Wohnungen für Geringverdiener und Studenten, aber auch Arbeitsplätze und Kulturangebote geschaffen hat.

seemoz berichtete mehrmals über die Pläne privater Investoren, auf einer Chérisy-Wiese neue Studentenwohnungen zu errichten, und über den Widerstand dagegen, der vor allem von alt eingesessenen „Chérisianern“ kommt. Jetzt sprachen wir mit Dieter Bellmann über die Auseinandersetzung:

„Studenten sollen lieber draußen bleiben“ titelt ein Blog. Und manche Lokalpolitiker wie auch die Stadtverwaltung scheinen ebenfalls den Eindruck vermitteln zu wollen, die Chérisy würde Studenten vergraulen.

Das ist großer Quatsch. Hier haben immer schon Studenten gelebt. Und wenn hier Neubauten entstehen, dann nur solche für Studenten. Darüber sind sich alle in der Chérisy einig. Nein, man will mit diesem durchsichtigen Manöver nur von eigenen Versäumnissen ablenken. Man hat beim Problem: Studentischer Wohnraum schlicht jahrelang gebummelt. Und das gilt nicht nur für die Stadtverwaltung, sondern auch für das Uni-Rektorat.

Das Problem studentischer Wohnraumnot gerade in Konstanz ist wahrlich nicht neu…

Eben. Um nur zwei Bespiele zu nennen, über die auch seemoz bereits berichtete: Da standen in der Gottfried-Keller-Straße seit Monaten 240 Studentenbuden leer. Die gehören zwar dem Bund. Aber hat man je gehört, dass die Stadtverwaltung darauf gedrängt hätte, dass dieser Wohnraum zügig wieder für studentisches Wohnen instand gesetzt wird? Mittlerweile werden dort Wohnungen für zahlungskräftigere Familien gebaut, die Studierenden gehen leer aus. Oder, zweites Beispiel, die Neue Arbeit musste 80 Studentenwohnplätze hier in der Chérisy aufgeben, weil die zugesagten staatlichen Zuschüsse ausblieben. Jetzt so zu tun, als wollten gerade wir studentischen Wohnraum verhindern, ist geradezu infam. Zumal solche Studentenbuden zu spät kämen; die werden jetzt gebraucht, in drei Jahren ist die Studentenflut längst abgeebbt.

Dennoch: Euer Widerstand richtet sich gegen neue Studentenwohnplätze

Weil wir ein Trojanisches Pferd vermuten. Denn wer baut schon Zwei-Zimmer-Appartements für Studenten – die können sich das gar nicht leisten -, wenn er sie nicht später an rüstige Ehepaare verkaufen will? Deshalb sollen ja auch Tiefgaragen entstehen. Studenten können in der Regel keine Tiefgaragenplätze bezahlen, begüterte Pensionäre schon. Schon jetzt bleiben etliche Tiefgaragenplätze auf dem Wobak-Grundstück in der Chérisy leer, weil sie einfach zu teuer sind. Und uns in diesem Zusammenhang vorzuwerfen, wir hätten nicht für genügend Parkraum gesorgt, erfüllt beinahe den Tatbestand der Lüge. Es waren städtische Vorgaben, die zur Parkplatznot führten.

Das Argument von Stadtplanungschef Jerusalem ist, dass im vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Nutzung durch Studenten festgeschrieben wird. Das sei juristisch wasserdicht, hat er schon vor Wochen gegenüber seemoz beteuert.

Aber politisch jederzeit wieder abänderbar. Dabei gäbe es rechtliche Möglichkeiten, studentische Nutzung auf alle Zeit festzuschreiben. Dass solche Möglichkeiten nicht genutzt werden, steigert unseren Argwohn nur.

Zudem fehle ein Verkehrskonzept, kritisiert nicht nur die Initiative „Schöne Chérisy“…

Richtig. Herr Jerusalem will den jetzt schon übermäßigen Verkehr in und um die Chérisy einfach wegzaubern. Über Geschwindigkeitsbegrenzungen bei den drei Ausfahrten aus dem einstigen Kasernengelände zum Beispiel wird nicht einmal nachgedacht. Und die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzungen auf dem Gelände wird nicht kontrolliert. Von Rezepten gegen die Autodichte ganz zu schweigen. Es bleibt die Frage: Warum verweigert die Stadtverwaltung ein stimmiges Verkehrsgutachten?

Autor: hpk

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