„Frauenwitze der dümmsten Sorte“

Mit den „Fasnachtskonzerten“ liefert er derzeit im Konstanzer Konzil ein Stück wahrer Fasnacht-Tradtion ab: seemoz sprach mit Dr. Tobias Engelsing über seinen väterlichen Freund Helmut Faßnacht, über sexistische Scherze der Fernsehnacht, über den Einfluss der Comedy und über die Zukunft der Bühnenfasnacht. Das alles im Vorfeld eines schon historischen Interviews mit Helmut Faßnacht aus dem „Nebelhorn“, das wir morgen veröffentlichen wollen.

Stimmt der Eindruck eines Reingeschmeckten, dass nach Helmut Faßnacht die Konstanzer Fasnacht viel von ihrer kabarettistischen Schärfe verloren hat?

Schon zu Zeiten, als Helmut Faßnacht noch auftrat, waren Veränderungen in der Bühnenfasnacht zu bemerken: Nummern, die politische Ereignisse karikierten, wurden weniger. Der Fasnachtshumor nimmt sich seit Jahren schon anstelle lokaler und politischer Themen eher Alltagsphänomene der alternden Wohlstandsgesellschaft vor, etwa das Abnehmen, den Gesundheitswahn, das Nachlassen von Körperfunktionen. Und, wie jüngst bei der SWR-Fernsehfasnacht, der Humor wird wieder sexistischer: Frauenwitze der dümmsten Sorte gehen locker über die Sender als hätte Alice Schwarzer nie gelebt.

Ein Faßnacht-Zitat aus 1980: „Die geplante A 81 wird eine B33 neu, die ist zwar eine Bundesautostraße, aber keine Bundesautobahn, denn die B33 alt ist zwar auf der Autobahnstraße planerisch sechsspurig angelegt, aber im Bedarfsplan für Bundesfernstraßen als Transversale mit zwei zusätzlichen Spuren festgehalten, während die Westtangente der B31 und die Osttangente der LMA 882 bei der Südeinführung einen Regelquerschnitt erhält, der topographisch als die Ergänzungs-Autolandebahn komplikationslos in das örtliche Planfeststellungsverfahren eingefügt und als sechsspurige Bundesautobahn umgewidmet werden kann.“ Den Text könnte man noch heute vortragen. Faßnacht auf ewig aktuell?

Eher nein, denn der fasnächtliche Humor hat, wie das Kabarett, eine sehr kurze Halbwertszeit: Viele Texte von Helmut Faßnacht sind subtil ausgedacht und wunderschön geschrieben, aber sie würden heute nicht mehr so ziehen wie damals. Er würde heute vermutlich etwas anders schreiben und spielen.

Sie selber treten in seine Fußstapfen, wenn Sie nun ganz aktuell mit Florian Riem wieder ein Fasnachtsprogramm mit der Philharmonie im Konzil aufführen…

Diese Fasnachtskonzerte sind der Versuch, der Bühnenfasnacht eine neue Facette zu geben: Die Kombination aus großer Orchestermusik und kleinen fasnächtlich-kabarettistischen Nummern. Dabei denke ich oft an meinen väterlichen Freund Helmut Faßnacht und was er zu dieser oder jener Nummer wohl sagen würde. Im aktuellen Programm werde ich ihm übrigens eine kleine Hommage widmen, ein Telefonat, wie er es als „Karle Dipfele“ viele Jahre mit Stuttgart geführt hat.

Gewalt, Alkohol, Ausschweifungen, Glasscherben überall: Ist die traditionelle Fasnacht auf dem absteigenden Ast?

Nein, im Gegenteil: Die Jugendarbeit vieler Zünfte, Vereine und Musikgruppen ist vorbildlich, das hat auch das große Narrentreffen gezeigt. Vor allem die Straßenfasnacht ist jung und sie hat Zukunft. Dass sich viele Jugendliche ins Koma saufen, hat andere gesellschaftliche Ursachen, etwa die Überforderung von Kindern in einer unsinnigen Verdichtung der Schulzeit. Die Fasnacht ist nur die Bühne dieser Phänomene, nicht ihre Ursache.

Trotzdem: Hat die Bühnenfasnacht trotz Comedy noch Zukunft? Und wie sieht die aus?

Was die Bühnenfasnacht anlangt, bin ich skeptischer: Das Leitmedium Fernsehen gibt die Richtung vor und prägt Erwartungen und den „Humorkonsum“ der Gesellschaft. Inzwischen treten in etlichen Fasnachtsveranstaltungen schon eingekaufte professionelle Comedians mit ihrem Talkshow- und Proletenhumor auf, das wird Wirkungen auf die Laienbühnen haben – ich fürchte, keine guten. Zudem nehmen bekanntlich Sesshaftigkeit und Bindungsbereitschaft an Vereine ab. Ohne Bindung und Bereitschaft junger Leute, für den Fasnachtsverein ein Bühnenprogramm zu erarbeiten, aufzutreten oder hinter der Bühne mitzuarbeiten, werden sich diese aufwändig gemachten Abende eines Tages nicht mehr realisieren lassen. Aber vielleicht sehe ich auch zu schwarz, denn Menschen spielen und singen gerne und sie machen gern mal Witze über ihren Alltag: Das wird vermutlich in irgendwelchen Formen immer bleiben.

Zur Person: Tobias Engelsing (51, s. Foto), Chef der Städtischen Museen, steht seit 1975 selbst auf Narrenbühnen, unter anderem mit Helmut Faßnacht. Er hat fast 20 Jahre lang das Jakobinertribunal am Obermarkt mitgestaltet. Seit vier Jahren schreibt und inszeniert er für die Südwestdeutsche Philharmonie deren „Fasnachtskonzerte“. Unter dem Arbeitstitel: „Kragennarren – Die Geschichte der Konstanzer Fasnacht im 19. und 20. Jahrhundert“ bereitet er gegenwärtig eine große kulturhistorische Ausstellung vor, die auch die NS-Zeit umfassen wird.

Autor: hpk

Und zur Einstimmung auf unseren morgigen Beitrag: „Ich hab e Hundele“