„Der mieterfeindliche Mietspiegel von Konstanz“

„Nein, Bürgermeister Werner hat noch nicht geantwortet, die Stadtrat-Fraktionen auch nicht und der Südkurier schon gar nicht“. Renate Frommer vom St.-Gebhard-Platz ist sauer: Auf den Konstanzer Mietspiegel, auf die Stadtverwaltung, auf ihren neuen Vermieter. Der nämlich will die Miete erhöhen, will Wohnungen ausbauen, will das Haus sanieren. Timo Doser aber kann die Aufregung überhaupt nicht verstehen

Besonders erbost ist Renate Frommer über den aktuellen Mietspiegel, „der die Wohnqualität von Petershausen auf eine Stufe mit der des Musikerviertels stellt“. Das führe, so die aufmüpfige Anwohnerin vom St.-Gebhard-Platz (s. Foto) unweigerlich zu Mieterhöhungen. „Dieser Mietspiegel ist einfach mieterfeindlich“. Wenn dann noch „Luxussanierungen“ geplant seien, so die 72jährige, müsse sie weitere Mietsteigerungen befürchten. All‘ das hat sie in einem Schreiben an Baubürgermeister Werner aufgelistet (s. Dokumentation am Schluss dieses Artikels) und Kopien in der Stadt gestreut – auf Antworten wartet Frau Frommer, die seit 34 Jahren in ihrer Wohnung am St.-Gebhard-Platz wohnt, bislang vergebens.

Diese Aufregung kann Timo Doser von der Fa. Doser&Partner, seit Juli letzten Jahres neuer Eigentümer der Häuser, überhaupt nicht verstehen: „Wer im teuren Konstanz mit seiner Wohnraumnot für eine 4-Zimmer-Wohnung von 112 Quadratmetern keine 600 Euro an Miete zahlt, sollte sich über einen moderaten Mietanstieg nicht aufregen“. Überdies läge für die meisten der von Frau Frommer beklagten Baumaßnahmen noch keine Bewilligung vor. „Nicht einmal mir sind derzeit alle Einzelheiten klar“. Und dass sich jemand aufrege, wenn er einen Balkon erhält, habe er auch noch nicht gehört.

Dennoch: Wer die aktuellen Meldungen über Hausverkäufe und Neubau-Tricks verfolgt (s. nur seemoz vom 13. und 15. 2.), kann die Ängste von Renate Frommer verstehen. Deshalb auch veröffentlichen wir ihren Brief unten stehend in vollem Wortlaut:

Betreff: Mietspiegel Konstanz Petershausen / Mieterhöhung / Umbau durch Fa. Doser&partner

Sehr geehrter Herr Werner!

lch bin eine Bürgerin des vom Konstanzer Mietspiegel ,,bevorzugten Ortsteil Petershausen“.

Dieser neue Mietspiegel ist der Ausgangspunkt für eine drastische Mieterhöhung durch den neuen Eigentümer, der Fa. Doser&Partner. Gemäß diesem Mietspiegel berechnet Fa. Doser&Partner korrekt nach Mietspiegel einen Zuschlag von 11% für den Stadtteil Petershausen-Ost und für die ,,gute“ Wohnlage nochmals 5%. Sofern für Letzteres kein rechtsrelevantes Gutachten vorliegt, ist diese Einstufung fraglich.

Wie wird denn die ,,gute“ Wohnlage begründet?

1: Lärmbelästigung: Wir liegen hier in der Hubschrauber Einflugschneise des Krankenhauses, in der Tag und Nacht in niedriger Höhe Hubschrauber über die Häuser donnern. Das ist mit enormem Krach verbunden.

2: 2-mal in der Woche wird vor unserem Haus der Wochenmarkt betrieben. Das bedeutet, dass man im nahen Umkreis keinen Parkplatz finden kann. Der Zugang zu meiner Wohnung wird dadurch massiv erschwert, was ich dann besonders merke, wenn ich Taschen vom Einkauf bis zur Haustüre schleppen muss. Dadurch können bei uns auch keine Anwohnerparkplätze eingerichtet werden.

3.Von den Marktbesuchern wird man zugeparkt, so dass man manchmal längere Zeit warten muss, bis man wegfahren kann. Hier gelten keine Verkehrsregeln, da sowieso nicht von der Ortspolizei kontrolliert wird.

4..Mitarbeiter vom Seerheincenter und die Lehrer von der Gebhard Schule parken stundenlang während ihrer Arbeitszeit vor dem Haus, so dass ein wechselhafter Parkbetrieb nicht stattfinden kann und dadurch eine massive Parkraumeinschränkung festzustellen ist, da am Gebhardplatz Parkraum seitens der Stadt kostenlos zur Verfügung gestellt wird.

5. Die Krankenhaus Parkanlage hat mit Park nichts mehr zu tun. Der Nutzungswechsel in ca. 140 Parkplätze beschert uns momentan ein noch höheres Verkehrsaufkommen.

6..Die Feuerwehr, der Notarzt oder die Polizei müssen im Notfall weit von unserem Haus entfernt parken, um ihren Einsatz durchführen zu können.

7. Wenn kein Markt ist, dann ist die Straße vor dem Haus eine Durchgangsstraße, die fleißig vom Notarzt und der Feuerwehr mit Tatü Tata genutzt werden. Auch der Durchgangsverkehr von der Theodor Heuss Straße zur Mainaustraße fährt fleißig am Haus vorbei. Da ist NICHTS von ruhiger Verkehrslage zu merken.

Die ,,bevorzugte Wohnlage“ ist unbegründet und ist nur dadurch zu erklären, dass die jetzige Miete drastisch angehoben werden kann. Vielmehr ist eine Einstufung auf eine ,,durchschnittliche Wohnlage“ sachgerechter.

Damit nicht genug. Uns drohen kurzfristig massive Umbauarbeiten an unserem Wohnblock. Dieser,,marode,, Bau soll zu Luxuswohnungen umfunktioniert werden und ist nur durch erhebliche Baumassnahmen zu bewerkstelligen. Das gleicht einer Operation am offenen Herzen ohne Narkose, wenn man im Wohnzimmer sitzt und es wird gerade, so ganz nebenher, die Wand eingerissen, um den neuen Balkon anzubauen. Geplant sind unter anderen folgende Maßnahmen:

1. Aufstockung um 2 Luxus-Wohnetagen durch Ausbau von Mansarden und dem darüber liegenden

Speicher. Die normalerweise zu den Wohnungen gehören Mansardenzimmer werden ,,enteignet“, obwohl bei manchen Mietern diese Mansarden sogar im Mietvertrag aufgeführt sind, so wie bei mir.

2: Balkone werden zu Erkern umgebaut, weitere Balkone werden entweder neu angebaut oder vorhandene vergrössert. Dabei werden ganze Mauern herausgerissen.

3. Versorgungsleitungen (Gas/Wasser/Strom) müssen nach oben durch unsere Wohnungen durchgeleitet werden.

4:Ein neuer Lift soll angebaut werden.

5. Die Kellerräume werden aufgeteilt und verkleinert. Die neuen Mieter brauchen ja schliesslich auch einen Keller.

Diese Umbauten, und der damit verbundene Dreck und Lärm, wird den Mietern während des normalen ,,Wohnbetriebs“ zugemutet. Zum Dank dafür, dass man das alles ca. 9 Monate mitmachen soll, (so lange dauert der Umbau, oder länger?), wurden die Mieten schon drastisch erhöht, obwohl ich vor ca. 1 Jahr schon eine Mieterhöhung hatte, weil damals neue Fenster eingebaut wurden.

Noch nicht genug. Es kostet ja eine Stange Geld, wenn man einen maroden Bau zu einer Luxus- Wohnanlage umbauen will. Wer finanziert den Umbau mit? Natürlich wieder der Mieter, dem man die Kostenumlage noch oben drauf packt. Man muss also für etwas zahlen, was man gar nicht haben will. lch kenne niemanden in unserer Wohnanlage, der diesen Umbau befürwortet.

Wo leben wir denn? Einige Rentner wohnen hier schon über weit 30 Jahre und wollten bis zum Lebensende hier bleiben. Die können sich aber keine Luxuswohnung für ca. 1200,00 € kalt leisten. Wenn man in Konstanz nach einer adäquaten und finanzierbaren Wohnung sucht, wird man ja schon ausgelacht.

Leisten können sich dann diese Wohnungen z.B. reiche Stuttgarter, die mal in den Ferien hier wohnen. Dann stehen die Wohnungen leer. Häuser werden aufgestockt, weil nach oben ,,“hat man ja noch genug Platz“. Ein neues ,,Manhattan“ am Bodensee wird die Zukunft sein. Man bekommt das Gefühl, dass der Ausverkauf von Konstanz begonnen hat.

Dass das in einer grün regierten Stadt passieren kann, wundert mich schon. Normalerweise steht doch auf dem Banner der Grünen ,,Soziale Gerechtigkeit und Bürgernähe“ geschrieben. Aber hier orientiert man sich wieder einmal gegen den normalen Bürger und für die Profitmacherei weniger Firmen (Modell Heuschrecke).

lst das in lhrem Sinn, Herr Werner oder können Sie uns helfen. Schließlich wohnen hier ca. 30 Mietparteien und hinter jeder Wohnungstüre leben Menschen und deren Schicksale. Bürger, die eventuell gezwungen sind, ihr Heim zu verlassen und sich die Frage stellen müssen: ,,Wohin soll (kann) ich“?.

lch bitte Sie um Stellungnahme.

PS: Eine Kopie dieses Schreibens geht ebenfalls an: Südkurier – SPD – CDU – Bündnis90/Die Grünen – Die Linke – FDP u.a..