Sieger Pantisano
Auch wenn er knapp gescheitert ist: OB-Kandidat Luigi Pantisano kann sich als Gewinner der Wahl am 18. Oktober fühlen. Seine Kampagne hat all jenen Auftrieb verliehen, die für eine soziale und ökologische Wende in der Stadtpolitik streiten. Nun wird es darauf ankommen, den Schwung der Kampagne weiterzutragen.
Dass es am Sonntag in der Mittelstadt Konstanz um mehr ging, als nur eine lokale Bürgermeisterwahl, macht das unüberhörbare Rascheln deutlich, das dieses Ereignis bundesweit im Blätterwald auslöste. Aufschlussreich etwa die Kommentierung im Zentralorgan des deutschen Besitzbürgertums. „Konstanz wird nicht dunkelrot“, fällt in der FAZ dem Schreiber ein Stein vom Herzen. „Nur knapp“ habe der CDU-Politiker Ulrich Burchardt gewonnen, ist dort zu lesen, „gegen seinen Herausforderer Luigi Pantisano, der Mitglied der Linkspartei ist und das Ziel knapp verfehlte – gestützt auf ein breites linkes Bündnis“. Besonders beunruhigend findet der Autor daran das Verhalten der örtlichen Grünen, die mit ihrer Beteiligung an Pantisanos Bündnis das „vom grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann idealtypisch verkörperte grün-schwarze oder auch das schwarz-grüne Koalitionsmodell“ in Frage gestellt hätten.
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Was die FAZ mit Sorge erfüllt, sollte allen Anlass zur Hoffnung sein, die für eine sozial-ökologische Politikwende streiten. Denn richtig erkannt hat der Journalist, dass es der bündnispolitische Ansatz des Herausforderers Pantisano war, der den vom konservativ-neoliberalen Lager gestützten Amtsinhaber schwer in die Bredouille brachte. Statt sich auf vermeintlich alternativlose kapitalistische Sachzwangargumente einzulassen, gelang es Pantisano, ein Bündnis um sich zu scharen, das mit sozial- und umweltpolitischen Verbesserungsideen punkten konnte. Unterstützt von vielen Initiativen und der Linken ließen sich auch Grüne und JFK von der Dynamik überzeugen, die das Projekt entfaltete. Trotz der knappen Niederlage kann der Stuttgarter Stadtplaner deshalb seinen Wahlkampf mit breiter Brust beenden. Mit einiger Berechtigung erklärte Pantisano noch am Wahlabend, er fühle sich „als Sieger“. Zusammen mit vielen Initiativen habe er dazu beigetragen, dass eine „starke außerparlamentarische Opposition“ für eine soziale und ökologische Stadt entstanden sei. „Dafür bin nicht ich wichtig, dafür ist die Idee von einer besseren Zukunft wichtig“, betonte Pantisano bei seiner Wahlparty vor coronabedingt kleiner Runde im Neuwerk.
Für den gerade mal so im Amt bestätigten Burchardt hingegen kommt das Ergebnis einer kräftigen Ohrfeige gleich. Noch nicht einmal die Hälfte der WählerInnen sind offenkundig mit der von ihm verantworteten Politik einverstanden. Der fehlende Amtsbonus hat Gründe: Von den vielen Versprechen, mit denen Burchardt vor acht Jahren auch bei Umweltbewegten noch punkten konnte, hat er kaum etwas eingelöst. Jüngstes Beispiel dafür war die Weigerung, sich auf das Ziel einer klimaneutralen Stadt bis 2030 festzulegen, von vielen als Vertagung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag interpretiert. Ähnlich sieht es auch in anderen Bereichen aus: Kaum eine Spur etwa von der angekündigten bürgernahen Politik, im Kampf gegen Wohnungsnot und explodierende Mieten hat sich nichts zum Besseren gewendet, stattdessen hat Burchardt der Stadt mit dem Bodenseeforum ein Millionengrab beschert. Obschon ihm ebendort bei Bekanntwerden des Wahlergebnisses die Erleichterung anzumerken war, ist mit Einsicht beim alten und neuen Stadtoberhaupt wohl kaum zu rechnen. Zwar möchte er jetzt „Gräben zuschütten“, mehr als die übliche Standardfloskel dürfte das indes nicht gewesen sein. Denn anstatt sich, dem Ergebnis angemessen, zumindest in etwas Demut zu üben, erklärte er flugs, die Wahl habe „ein deutliches Ergebnis“ gebracht und ihm „ein starkes und festes Mandat“ verliehen.
Welche Nachwirkungen diese Oberbürgermeister-Wahl haben wird, liegt jetzt in der Hand der politischen Kräfte, die Pantisanos Bürgerbündnis mitgetragen haben. Sie sollten das Ergebnis als Auftrag nehmen, den Schwung für einen sozial-ökologischen Politikwechsel weiterzutragen – inner- und außerhalb des Gemeinderats.
J. Geiger (Foto: Sophie Tichonenko)
Don Camillo* durfte zuhause bleiben. Ein Ereignis wird den KonstanzerInnen erspart bleiben: „Als Peppone und seine Mannen zum Beispiel nach ihrem Wahlsieg einen feierlichen Umzug veranstalteten, eilte Don Camillo zum Glockenturm und übertönte mit seinem heftigen Geläut Peppones Festansprache.“ Don Camillo´s Erben durften am 18.10.2020 zuhause bleiben.
Stimmen aus der SPD, von Matt und Martin retteten Don Camillo´s Erben vor dem Glocken läuten weil der links-ökologisch orientierte OB-Kandidat Pantisano knapp unterlag. Ulrich Burchards Hosianna folgten die vielstimmigen Jubilate der MillionenerbInnen und KapitalanlegerInnen, die sich jetzt nach dem Sektfrühstück um die letzten Kapitalanlagemöglichkeiten (Filet- und Grundstücke) balgen.
Für Konstanzer Mieterinnen, auch RathausmitarbeiterInnen, ein deutlicher Hinweis sich in Richtung Singen nach einer bezahlbaren Mietwohnung und Pendlerplänen der Bahn umzusehen.
Im Südkurier wabert in der Folge weiterhin der faulige Geruch altbackener, tendenziöser CDU-Berichterstattung durch die Flure und man hofft auf Kretschmanns (Grüne) grün-schwarze Millionen-Belohnung aus der Landeskasse für Medienförderung von Anzeigenblatt bis TV-Beitrag. Die Vormachtstellung bleibt in Konstanz beim Südkurier.
In den Schulen, in der Unterrichtseinheit Medienkompetenz, wird also auch zukünftig kein objektiver Pressevergleich von „Junge Welt“ und Südkurier stattfinden. Hinweis: Die Junge Welt verzichtet auf Datenklau und oft auf Bezahlsperren.
Drittgrößte WählerInnengruppe bleiben NichtwählerInnen mit 38,6 Prozent oder einem Anteil von etwa 25.996 Stimmen. Nachdem sich trotz bundesweiter Tendenzberichterstattung und „Roter Sockenkampagne“ für Pantisano, dem Kandidaten der Hoffnung, nochmals 4.143 WählerInnen mehr aussprachen, lässt sich ein deutlicher Zugewinn für linke, soziale und ökologisch orientierte Politik feststellen. Eine Steilvorlage für die Linke und deren Konstanzer Landtagskandidatin Antje Behler (Wahlkreis 56 Konstanz/Radolfzell).
Trotz aller theoretischen Bekenntnisse und zahlloser Arbeitspapiere mangelt es vermutlich noch an konkreten zwischenmenschlichen Kontakten mit Menschen die inzwischen hoffnungslos zwischen „ehrenamtlicher“ Zwangsarbeit, Aufstockerei oder Minijobs herumvagabundieren, gelegentlich als Querdenker auch mal nach Rechts, oder in mildtätige, kirchliche Einrichtungen abweichen.
Je suis ver.di ? Was die Solidarität mit öffentlich Bediensteten, Hass IV EmpfängerInnen seitens KünstlerInnen, Hotel- und Gaststättenpersonal oder Soloselbstständigen betrifft, zeigen ehemalige BalkonklatscherInnen bisher wenig Empathie. Dabei müsste beispielsweise Eltern klar sein, dass, desto schneller die öffentlich Bediensteten ihr Ziel erreichen, die Kita wieder, den Umständen entsprechend, normale Öffnungszeiten hat.
Wer als Kulturschaffende(r) übersieht, dass Hass IV mit allen Nachteilen der gesetzlich festgeschriebene Standard für Millionen Menschen ist, seit SPD und Grüne dieses Unrecht etabliert haben, muss sich fragen lassen, wie eine Forderung nach Besserstellung gerechtfertigt werden kann. Ein Fünftel aller Kinder in der Republik haben außerhalb jugendpädagogischer Betreuung oder schulischer Angebote keine Möglichkeit zusätzliche Bildungs- und Kulturangebote zu nutzen. Der Großteil gering verdienender öffentlich Beschäftigte(r) wird, wie auch die Mehrzahl der KurzarbeiterInnen zukünftig über zu wenig verfügbares Einkommen verfügen um Gaststättenbesuche, Reisen oder Kulturveranstaltungen bezahlen zu können.
Die Hoffnung auf die kraftvolle Unterstützung eines OB Pantisano ist erloschen. Jetzt heißt es linke und außerparlamentarische Kräfte zu stärken und sich zunächst zum Je suis, ver.di! zu bekennen.
*Don Camillo und Peppone war Beginn einer der erfolgreichsten Filmreihen der 1950er-Jahre. In Peppone als überzeugtem Kommunisten fand Don Camillo, in der Po-Ebene Norditaliens, seinen idealen Gegenspieler. Beide Männer waren bemüht das Dorf und seine Bewohner glücklich zu machen. Filmreihe: Frankreich , Italien 1952 .
Luigi Pantisano hat 18320 Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt von der notwendigen sozial-ökologischen Wende überzeugt. Ganz im Sinne der Graswurzelbewegung wird sein Engagement deutliche Spuren in Konstanz hinterlassen. Grazie!