Ein Mann von Geld

Geordnet sieht es aus in der Londoner Upperclass. Die Bühne ist symmetrisch. Rote Samthocker stehen links und rechts im Hintergrund und eine Bank vorne im Zentrum. Schwarze Styroporwände mit Türen und Durchgängen zu beiden Seiten laufen trichterförmig auf die Mitte der hinteren Bühnenhälfte zu. Dort befindet sich ein erleuchteter Rahmen – darin das einzige die Symmetrie störende Element: Ein Felsen, der zu einer Seite hin aufragt. Er steht sinnbildlich für Aufstieg und Fall, für die Basis des Erfolgs, aber auch die Luft, die oben immer dünner wird, und für ein Mega-Projekt: Den Hyper-Alpenkanal. Wen der Name dieses Projekts an die Machenschaften der Hypo Alpe Adria Bank erinnert, der hat zumindest einen von Elfriede Jelineks Verweisen auf die politischen Skandale der heutigen Zeit entdeckt.

Sand im Getriebe

In Maya Fankes Inszenierung „Der ideale Mann“ von Oscar Wildes „The ideal husband“ in der Fassung von Elfriede Jelinek fordert die für ihre Durchtriebenheit bekannte Mrs. Chevely die Unterstützung ebendieses Projektes durch Sir Robert Chiltren ein. Für Chiltren eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, liebt ihn seine Frau doch für seine Integrität, sein Engagement und seine Wohltätigkeit. Wäre da nicht Mrs. Chevelys Druckmittel: Ein Brief, der belegt, dass Sir Robert erst durch ein krummes Geschäft in den Besitz eines erklecklichen Vermögens und die hohe politische und gesellschaftliche Position gekommen ist, in der er sich nun befindet. Chiltren steckt in der Zwickmühle. Seinen politischen Idealen zuwider handeln oder die Fassade des idealen Mannes zum Einsturz bringen?

Schein und Sein

Am Anfang ist die Künstlichkeit der Figuren nicht auszuhalten. Alle sind brav und schick in schwarz-weiß gekleidet , sprechen gestelzt und machen tänzelnde Bewegungen zu 50er-Jahre-Musik, die dennoch verkrampft und roboterhaft wirken. Im Hintergrund ist immer wieder affektiertes Kichern zu hören. Man bewegt sich eben in gewissen Kreisen… Birgit von Rönn gibt eine Rosamunde-Pilchersche Lady Chiltren mit gestrenger Miene und Stock im A****, die stets „den aufrechten Gang übt“ und dies ebenso von ihrem Gatten erwartet wie bislang erfolgreich gefördert zu haben glaubt. Für ihn ist die Wahrheit jedoch „eine komplexe Angelegenheit“, die sich auch in Patrick O. Becks körperbetontem Spiel widerspiegelt. Einerseits versucht er staatsmännisch auftretend sein Idealbild aufrechtzuerhalten, andererseits verkriecht er sich wie ein kleiner Wurm unter der Bank und erweckt durch sein physisch-plastisches Leiden fast ein bisschen Mitleid für seine Misere. Ganz anders Peter Posniaks Lord Goring – Chiltrens bester Freund – ein Dandy, dessen größte Herausforderung es ist, die passende Knopflochblume zu finden, bewegt sich geschmeidig auf der Bühne und wirft sich regelmäßig gekonnt in Pose. Sein Image als „talentiertester Müßiggänger im Großraum London“ eilt ihm voraus, sodass sein im Grunde anständiges Verhalten nur subtil angedeutet wird.

Die Bedeutung der Hinterbühne

Nach der Ouvertüre wird das Publikum hineingezogen in den Strudel aus Lügen und Intrigen, der sich zwischen den Figuren entspinnt. Die Kostüme werden farbig, die Dialoge pointiert und entlarven die Janusköpfigkeit der (Einfluss-)Reichen und Mächtigen am Ende des 19. Jahrhunderts wie heute. Die sprichwörtliche „Lady in Red“ geht um. Mit komödiantischer Raffinesse werden harte Brocken serviert: Ist es nicht die Idealisierung durch die Frauen, die ihre Männer zur Korruption treibt? Wollen wir nicht eigentlich gerne angelogen werden? Kann man es mit Ehrlichkeit überhaupt zu etwas bringen? Dem ‚Fußvolk‘ in Form der Serviermädel Lucy und Polly (beide: Sarah Siri Lee König) und der Butler Mason und Phipps (jeweils: Dominik Puhl) kommt in Fankes Inszenierung eine bedeutende Rolle zu. Mit der Präsenz der Beiden holt die Regisseurin die Goffman’sche Hinterbühne auf die Bühne und zeigt zugleich einen Spiegel für das Verhalten ihrer Hauptfiguren. König und Puhl machen ihre Arbeit grandios – ein Augenverdrehen, ein Kopfschütteln, ein betretener Blick kommt immer zur richtigen Zeit. Ausgestattet mit Staubwedeln, Zigaretten oder einem Paar Skiern haben sie immer das richtige Mittel, um ihre Herrschaften vorzuführen. Ja, sie avancieren zu den heimlichen Stars des Abends. Warum? Sehen Sie selbst!

Franziska Spanner (Foto: Ilja Mess)


Weitere Aufführungen, jeweils ab 20 Uhr: 27.10./ 28.10./ 30.10./ 31.10./ 4.11./ 6.11./ 7.11./ 8.11./ 14.11./ 15.11/ 18.11./ 19.11./ 20.11./ 2.12./ 5.12./ 15.12./ 25.12.