Corona: Wenn Lauterbach klingelt
Die neuen Verordnungen im Zeichen der Pandemie sind zum Teil fragwürdig und müssen auf den Prüfstand. Auch in Konstanz. Von den Auswirkungen, die dieser Dreiviertel-Lockdown mit sich bringt, werden sich vor allem einige Gastrobetreiber und kulturelle Initiativen kaum mehr erholen und fürchten erneut um ihren Fortbestand. Wollen wir das? Wie wäre es mit etwas mehr Augenmaß und Ausgewogenheit? Ein Kommentar.
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Keine Frage: Die bisherigen Maßnahmen und Verordnungen in Zeiten der Pandemie wurden von einer übergroßen Mehrheit der Bevölkerung zu Recht befürwortet. Die Sommermonate trugen ihren Teil dazu bei, wieder ein halbwegs normales Leben zu führen und durchzuatmen. Dass mit Beginn der kälteren Jahreszeit auch die Zahl der Infektionen steigen würde, war vorauszusehen, konnte aber die anschwellende Sorglosigkeit nicht zügeln – mit bekanntem Resultat.
Nun nagelt man also genau die Stätten zu, die uns den Alltag etwas erträglicher gestalten lassen. Ist das nicht ein zu harter Schnitt? Was hätte dagegen gesprochen, Cafes und Restaurants zumindest tagsüber zu erlauben, weiterhin ihren Geschäften nachzugehen? Manche hoffen, die versprochenen Zuschüsse – 75 Prozent vom Umsatz des Monats November in 2019 – kommen schnell. Das wird man abwarten müssen, Zweifel sind angebracht.
Fast ausnahmslos haben die Betreiber Sicherheitskonzepte umgesetzt, die den Anforderungen gerecht wurden. Ebenso verhält es sich bei unseren kulturellen Anbietern, egal ob Stadttheater, Zimmerbühne, K9 oder vielen anderen, die schon seit Monaten von ihren Finanzreserven leben, falls sie überhaupt noch welche haben. Da wäre durchaus Spielraum gewesen.
Glaubt man den Statistiken, dann sind die gestiegenen Infektionszahlen vor allem auf private Kontakte im häuslichen Bereich zurückzuführen, von Hotspots nach einer Theaterpremiere ist nichts bekannt. Und ja: Ein Restrisiko, auch bei strikter Berücksichtigung aller Vorsichtsmaßnahmen, ist nicht auszuschließen, aber es bleibt jedem und jeder überlassen, Stichwort Eigenverantwortlichkeit, damit vernünftig, sprich sozial- und gesundheitsverträglich, umzugehen. Äußerst dünn auch das Argument, nur die neuen Maßnahmen würden dazu führen, dass wir auf ein ungetrübtes Weihnachten hoffen dürfen. Bis dahin könne man ja im trauten und abgeschirmten Familienkreis – maximal fünf Personen – schon mal dementsprechendes Liedgut einüben.
Wie immer sich die Situation weiter entwickelt: Ein kritischer Gesamtblick ist das Gebot der Seuchenzeit. Vor allem dann, wenn der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach unverblümt fordert, auch verstärkte Kontrollen im Wohnungsbereich seien vorstellbar. Da macht einer eine Türe auf, die besser verschlossen geblieben wäre. Denn damit schüttet er leichtsinnigerweise Öl ins Feuer der Aluhut-Träger und Verschwörungskrakeeler, die auch morgen wieder im Stadtgarten erklären werden, wir lebten längst in einer von geheimen Mächten gesteuerten Diktatur, die jetzt ihre Corona-Gestapo in Marsch setzt. Das ist zwar gefährlicher Unfug, aber Lauterbachs Vorschlag wird diese wirre Truppe in ihren Wahnvorstellungen bestärken.
Ich entziehe einer Gesellschaft das Vertrauen, die aus Menschen besteht und trotzdem auf der Angst vor dem Menschlichen gründet.
Ich entziehe einer Sicherheit das Vertrauen, die eine letztmögliche Antwort sein will, ohne zu verraten, wie die Frage lautet.
Ich entziehe einem Volk das Vertrauen, das glaubt, totale Durchleuchtung schade nur dem, der etwas zu verbergen hat.
Ich entziehe einem Staat das Vertrauen, der besser weiß, was gut für mich ist, als ich selbst.
Ich entziehe einer Politik das Vertrauen, die ihre Popularität allein auf das Versprechen eines risikofreien Lebens stützt.
Ich entziehe jenem Idioten das Vertrauen, der das Schild am Eingang unserer Welt abmontiert hat, auf dem stand: ›Vorsicht! Leben kann zum Tode führen.‹
Juli Zeh: Corpus Delicti. Ein Prozess, S. 186.
Wer über Monate hinweg die Blödzeitung liest oder gar kauft und sich immer noch wundert, dass dieses mediale Rinnstein-Erzeugnis sich je nach gesellschaftspolitischer Windrichtung ständig selbst widerspricht, der sollte nicht (andere) fragen, was „man“ daraus lernen kann. Der sollte sich besser ganz still und leise selbst fragen, was er daraus lernen kann.
Die Bildzeitung hat in den vergangenen Monaten ständig weitere Lockerungen der Coronaauflagen gefordert. Heute an Allerheiligen (!) sorgt sie sich um das kollabierende Gesundheitssystem. Was kann man daraus lernen?
Eine verständliche und umfassende Erklärung der gegenwärtigen Situation, wie es dazu kam, wie es weiter gehen kann, durch
Ch. Drosten. Unbedingt sehens- und hörenswert ( ab min 7:10 )
https://www.youtube.com/watch?v=q9EwA8w-jP8&feature=youtu.be
Aufnahme vom Windhorst-Abend in Meppen am 30.Oktober.
Hier das, was Karl Lauterbach gesagt hat:
„Wir befinden uns in einer nationalen Notlage, die schlimmer als im Frühjahr werden kann. Die Unverletzbarkeit der Wohnung darf kein Argument mehr für ausbleibende Kontrollen sein. Wenn private Feiern in Wohnungen und Häusern die öffentliche Gesundheit und damit die Sicherheit gefährden, müssen die Behörden einschreiten können.“
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/lauterbach-corona-wohnungskontrolle-shitstorm-100.html
Über das, was MdB Lauterbach zur „Rheinischen Post“ über die Unverletzliche Wohnung möglicherweise mißverständlich gesagt hat, kann man streiten. Bedenklicher finde ich, dass verschiedene Polizeibehörden anscheinend schon Wohnungskontrollen ohne Straftatverdacht, nur mit Bezug auf die Coronaverordnungen, durchgeführt haben. Ich würde das nicht als verfassungsgemäß einschätzen. Noch schlimmer, wenn die Behörden sich dabei auf anonyme Denunzianten stützen, wie das Ordungsamt Essen in seinem Online-Meldeformular. „Ihre Kontaktdaten (optional)“ – das sichert nicht gerade den nachbarschaftlichen Frieden.
Lesenswertes zur Situation in einem weiteren Anrainerstaat des
Bodensees:
„Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 228“
https://cms.falter.at/blogs/athurnher/2020/10/30/corona-je-spaeter-massnahmen-gesetzt-werden-desto-ungerechter-werden-sie/
@Lina Seitzl
So ist es, danke – auf diese Pandemie bezogen ist meine Erfahrung
@Karl_Lauterbach „… formuliert zwar gewöhnungsbedürftig, aber hat (fast) immer recht.“
https://twitter.com/kdvieth/status/1322085456151019520
Wir haben den „Vorteil“, die Entwicklung in unserem Nachbarland beobachten zu können, es ist uns bei den Infektionszahlen um ein paar Tage voraus und reagiert etwas weniger restriktiv – und es kommt nicht gut:
https://www.tagblatt.ch/ostschweiz/ostschweizer-spitaeler-stossen-an-ihre-grenzen-das-gesundheitspersonal-wird-von-der-quarantaenepflicht-befreit-ld.1272539
Auch diese graphische Darstellung spricht für sich
https://icumonitoring.ch/?fbclid=IwAR2XL5qjtXEWt0HlJwrh73pIx-aIDdoHVHSi3Nqy6JBWbo2Zn7Mz8MbxbL0
Und dies soll die Grundlage für die Entscheidungen der Bundesregierung gewesen sein:
https://www.businessinsider.de/politik/deutschland/geheimer-lagebericht-aus-diesen-gruenden-kommt-der-lockdown-zurueck-a/
Öl ins Feuer gießen Medien, die ungeprüft diese von Christian Lindner und der Bild-Zeitung befeuerte Kampagne gegen Karl Lauterbach verbreiten. Lauterbach hat nur gefordert, dass auch in NRW Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich eingeführt werden, so wie das u.a. in Baden-Württemberg der Fall ist. Von Kontrollen in privaten Wohnräumen hat er nie gesprochen. Oder wie es der Volksverpetzer treffend betitelt: „Fake über Lauterbauch: BILD & Lindner stellen Zitate bewusst falsch da – alle schreiben ab.“
https://www.volksverpetzer.de/corona-faktencheck/lauterbach-fdp-bild/
Den Einlassungen zu der katastrophalen Situation für Kultur und Gastronomie ist kaum etwas hinzuzufügen.
Leider vermittelt uns der Kotau am Anfang und der am Ende des Kommentars, dass „wir“ uns sauwohl fühlen, endlich mal ein Teil einer staatlich geförderten fanatisierten Mehrheit zu sein.
Oder beugen „wir“ uns einfach nur vorauseilend dem Damoklesschwert der Zensur?