Not the Pressedent of my Hartz…
Das fehlt gerade noch. Bürgerbewegungen aller Ausrichtungen zeigen ihr Entsetzen und ihre Enttäuschung über den reaktionärst möglichen Kandidaten all überall im Netz und anderen Medien. Die anderen wiederum überschlagen sich im Siegestaumel mit Beschönigungsversuchen samt Halbsatzvorwürfen und Zitatenfrevel. Sonst noch so: Nazis verwechseln Fasnacht mit Reichspogromnacht, intime Einblicke in den Thinktank der Südkurier-Redaktion und eine sinnvolle Alternative zur Verwendung des Ehrensolds.
Deutschland wählt den Super-Gau(ck)…
Getrennt lebend, liiert, vier Kinder. So weit, so gut. Der ehemalige Pastor und selbsternannte Bürgerrechtler Joachim Gauck, zu DDR-Zeiten einigen wenigen auch als „Larve“ bekannt, zunächst als „OV“, dann als – hier endet die offizielle Legende und beginnen Gaucks Anwälte eisenhart zuzubeißen – hatte in der von ihm, dem bekennenden Antikommunisten, in der Rückschau so verhassten DDR z.B. das Privileg der Reisefreiheit. Fragt sich nur, warum. Weidlich ausgenutzt haben er und seine Familie es zumindest. Aber das ist nur eine von vielen Lücken im Lebenslauf eines mutmaßlichen Präsidenten der Herzen.
Dem gemeinen Volk mag Gauck (verwirrt und ungewaschen) ja noch imponieren, ich jedoch (frisch geduscht und gerade noch Sudoku schwer gelöst) durchschaue seine Rhetorik der Anbiederung durch Gleichmacherei. Herzig auch, dass er ein glühender Verehrer der faktischen Abschaffung des Sozialstaates durch die Agenda 2010 aus der rot-grünen Ära Schröder, mit Hartz IV und anderen Sanktionen für faule Arbeitsverweigerer und andere Nichtsnutze, war und ist. Als Freund der „uneingeschränkten Eigenverantwortung“ könnte man ihn auch als Vertreter des lupenreinen Neodarwinismus, also der Vereinigung von Neoliberalismus und Turbokapitalismus, bezeichnen.
Auch sollten seine Aussagen zur Occupy-Bewegung, zum Stuttgart21-Protest, zur Atomkraft und zur Vorratsdatenspeicherung nicht kritiklos bleiben. Erst recht nicht bei Betrachtung der ungezählten Relativierungsbemühungen hierzu. Soweit sein Verständnis, die Mitte der Gesellschaft zu repräsentieren oder gar dem Schoß der Kirche zu entstammen. Insofern ein wahrhaft Bürgerlicher, einzureihen in die Heuchlerriegen der großen Parteien und der FDP. Dass ausgerechnet die ihn mit letzter Willenskraft als Kandidaten küren konnte, war zwar aus ihrer eigenen Sicht mutig, politisch aber eher dumm. Denn die Mimik der großen Vorsitzenden ließ nach übereinstimmenden Aussagen führender Psychologen nur eine Schlussfolgerung zu: Politischer Tod durch lebenslange Missachtung. So hat alles Schlechte eben doch noch was Gutes.
Helmle doch Nazi…
Passend zum smarten (naja) Gauck fällt mir doch gerade der schöne Bruno (Helmle) ein, der Ex-OB Konstanzer Herzen, dessen Legende auch nicht so ganz lupenrein überprüfbar war, aber – Konstanzer Forschern sei Dank – ganz überraschend 16 Jahre nach seinem Ableben eine Nazivergangenheit mit ziemlich üblen Details offenbart. Obwohl er dies doch stets vehement abstritt, und obwohl der Südkurier vergangenes Jahr mit Hilfe Helmles Tochter extra das Gegenteil aus dem Hut gezaubert und ihm nach der gelungenen Entnazifizierung und gemeinen Vorwürfen übelmeinender Wissenschaftler einen weiteren Persilschein ausgestellt hat. Und auch ich habe mich damals so gefreut. Für den Südkurier.
Zwar hat Helmle sich nicht gerade als Bürgerrechtler oder Judenretter dargestellt, aber den Anschein des aufrecht Anständigen, der auch schon mal gegen das böse Regime aufmuckte, gab er sich doch so gern wie gut gelogen. Dass er tatsächlich Profiteur der Enteignung jüdischer Mitbürger war und sich damit eindeutig schuldig wie auch nachträglich zum gemeinen Lügner machte, konnte nicht nur in Konstanz unter der gutbürgerlichen CDU-Maske bestens verborgen bleiben. Und dass er sich damals als OB in unserer Stadt diverse Ehrentitel ans Revers heften ließ, müsste man ihm heute, würde er noch leben, als eiskalte Verachtung aller Regeln unserer Gesellschaft auslegen. Da er nun nicht mehr lebt, kann man ihm maximal zu Gute halten, eine multiple Persönlichkeit gewesen zu sein, die ihre Vergangenheit nach Gusto zu verklären in der Lage war. Womit ich schon wieder am Anfang wäre.
Auch Nazis frönen heimatlichem Brauchtum…
Da kann man den lustigen Deppen, nee, Jecken, äh, Narren heißen die ja hier, wirklich keinen Vorwurf machen. Wie soll man maskierte Intelligenzverweigerer als Nazis erkennen, wenn manche selber ersteres sind? So kam es, wie es kommen musste. Naziaufmarsch auf der Konstanzer Fasnacht. Natürlich waren die skandierten Parolen nicht weniger dümmlich als die Erwartungshaltung des Publikums, das sinnleere Aussagen gewohnt ist und sicherlich auch vorsichtshalber lustig fand, um ja nicht den doofen Spielverderber zu geben.
Vielleicht kann man den Veranstaltern wirklich keinen Vorwurf machen. Dass nun aber die Polizei verzweifelt nach Zeugen für diesen Auftritt sucht, gibt Anlass zu größter Sorge um die geistige Verfassung wie auch die technische Ausstattung dieser Behörde. Jeder Dorftrottel kann sich doch die entsprechenden Videos einschließlich einschlägiger Kommentare im Netz anschauen, sofern er über einen gesunden Magen verfügt.
Jedenfalls bin ich gespannt auf die Ausrede, warum die Sache dann wohl doch im Sande verlaufen wird. Hier schon mal eine kleine Auswahl:
– „War ja schließlich Fasnacht, da dürfen alle Spaß haben.“ Oder:
– „Die waren halt besoffen, bei den dämlichen Parolen.“ Oder:
– „Solche abstrusen Vorwürfe sollte man gar nicht erst ignorieren und gleich zu den Akten legen.“ Oder:
– „Um mit unserem Kandidaten der Herzen zu sprechen: Diese ganze Aufregung ist so unsäglich albern.“ Oder:
– „Unser ganzes Augenmerk galt, wie jedes Jahr, den Linken, die für unsere heimatliche Tradition immer noch die größte Gefahr darstellen.“
Zeitung der Herzchen…
Neulich, in der Redaktion unserer Heimatzeitung:
– „Ich muss was über den Gauck schreiben. War der nicht Kommunist?“
– „Keine Ahnung. Jedenfalls ist der jetzt Antikommunist.“
– „Aber bei der Stasi war der doch, oder?“
– „Kann sein, aber zuletzt als Chef der Aktenvernichtung. Oder so.“
– „Und warum soll ich schreiben, dass den die Bürger alle so gut finden?“
– „Das ist doch unser Auftrag. Irgendjemand muss es ihnen halt sagen.“
– „Hat nicht neulich eine gesagt, die würde dem keinen Gebrauchtwagen abkaufen?“
– „Ja Mann, weil der Taxi fährt.“
– „Und warum finden den von der FDP bis zu den Grünen jetzt alle gut?“
– „Keine Ahnung. Vielleicht, weil der auch verwirrt und ungewaschen ist.“
– „Und die Linken, was haben die gegen den?“
– „Ich glaub‘, der will die verbieten, wegen DDR und so.“
– „Ach. Ist die DDR denn nicht schon verboten?“
– „Keine Ahnung. Nerv‘ mich nicht und schau bei Wikipedia nach.“
– „Okay, trotzdem danke, Jörg-Peter.“
– „Immer gern, Michael.“
Und Sie, Peter „Wladimir“ Beckmann…
Haben Sie sich bereits vermisst in meiner Glosse? Keine Angst, wir denken an Sie und Ihre Kooperation mit der EADS. Und Ihren hervorragenden Beitrag zur gelebten Pressefreiheit. Ihre Schüler müssen stolz auf Sie sein. Gibt’s schon erste Reaktionen in der Schülerzeitung? Haha, war natürlich ein Scherz. Ellenrieder und freie Meinungsäußerung – sorry für diese plumpe Unterstellung.
Ehrensache Ehrensold…
Verlockend ist die Kohle ja schon, für unseren Kurzzeit-Ex. Da ließe sich der eine oder andere Kredit ganz locker tilgen. Entscheidend wird jedoch sein, ob sein Abgang politische, krankheitsbedingte oder persönliche Gründe hatte. Meine Einschätzung könnt Ihr Euch denken. Natürlich kann man konstruieren, dass Größenwahn, Selbstüberschätzung und Egomanie durchaus ernsthafte Krankheiten abbilden. In Gedenken an den Anfang der Misere, die teure Scheidung, könnte man aber – per großer Geste – generös das Geld einem guten Zweck zuführen. Nämlich den Taschen des Nachfolgers, dessen noch ausstehende Scheidung samt Folgekosten schließlich auch finanziert werden will. Vielleicht müssen wir dann wenigsten in Zukunft keine Bilder mehr von ihm und den immer gleichen neuen Freunden sehen.
Lieber geistreich als Zapfenstreich: Euer
Hofnarr der Herzen Minotti