Es gibt was umsonst
Die Bürgerfragestunde in den Gemeinderatssitzungen bietet eine der seltenen Gelegenheiten, der Obrigkeit mal die Meinung zu sagen. Jetzt soll sie aber erst mal wegen Corona entfallen. Noch größere Sorgen bereitet in Konstanz der Plan, das Impfzentrum des Landkreises in Singen zu eröffnen, nun will die Verwaltung für eine Außenstelle auch in Konstanz kämpfen. Außerdem im Gemeinderat: Freiwillige Gagen und – wann gibt es schon mal was umsonst? – kostenloses Parken auf dem Döbele.
Ganz einfach ist das Verhältnis zwischen der Verwaltung und den BürgerInnen, die die Fragestunde nutzen, nicht immer – man denke nur an die bewegenden Auftritte in Zusammenhang mit der Verlegung der Buslinie 6 oder die Interventionen einer Bürgerin, die sehr regelmäßig ihren Finger in die schwärenden Wunden der Lokalpolitik zu legen pflegt, vor allem, wo es um schlechte Umstiegsmöglichkeiten zwischen verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln geht. Dass die Bürgerfragestunde jetzt erst mal wegen Corona abgesagt wird, ist also bedauerlich, wie im Rat auch etwa von Anke Schwede (LLK) und Peter Müller-Neff (FGL) angemerkt wurde. Nicht erst seit seiner Wiederwahl wirkt Oberbürgermeister Uli Burchardt im Umgang mit etlichen RätInnen schnell gereizt – da ist die Vermutung nicht ganz von der Hand zu weisen, dass er insgeheim auch ganz froh sein könnte, den gelegentlich zeit- und nervenraubenden Direktkontakt mit dem Volk in der Fragestunde von der Tagesordnung zu bekommen. Wir leben in einer repräsentativen Demokratie, und da möchten unsere Repräsentanten gern auch die allererste Geige spielen. Allerdings hatte es schon Schmackes, als Uli Burchardt den Grünen Peter Müller-Neff darauf verwies, dass es ja der grüne Ministerpräsident gewesen sei, der geraten habe, jeden irgendwie vermeidbaren Kontakt auch tatsächlich zu vermeiden.
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Impfzentrum auch in Konstanz?
Die Idee, im Landkreis Konstanz nur ein einziges Impfzentrum einzurichten, und dies auch noch in Singen, ist in Konstanz nicht ganz unumstritten, um es einmal freundlich auszudrücken. Abgesehen davon, dass Konstanz ja die Hauptstadt dieses Landkreises ist, – oder sich zumindest so fühlt, – ist die Idee, dass sich zehntausende Frauen, Kinder, Männer, Greisinnen und Greise, Obdachlose und viele andere Menschen zweimal für je einen Piekser nach Singen verfügen sollen, nicht wirklich naheliegend. Gerade in Corona-Zeiten sollte das Manna den Bedürftigen wohl möglichst dezentral verabreicht werden. Auch den Vorwurf, es würden mit zwei Impfzentren in Singen und einem zusätzlichen in Konstanz Überkapazitäten geschaffen, weist die Verwaltung zurück: Da eine solche Impfung ja zwei Spritzen pro Nase erfordert, die in einem bestimmten zeitlichen Abstand verabreicht werden, kämen bei rund 286.000 Einwohnern des Landkreises genug Impffälle zusammen, um zusätzlich auch ein eigenes Impfzentrum für Konstanz und andere Weiler und Katen des südlichen Landkreises einzurichten. Dazu würde sich aus Sicht der Verwaltung etwa das Bodenseeforum bestens eignen, und die Stadt wäre auch bereit, einem solchen Zentrum finanziell entgegenzukommen.
Ganz einfach ist das alles nicht und zeichnet sich wohl auch erst am Horizont ab: Der derzeitige Impfstoff muss bei minus 70 Grad gelagert und transportiert und nach dem Auftauen in einer Stunde verimpft werden, weshalb dezentrale Impfungen etwa beim Hausarzt vorläufig noch nicht durchführbar sind. Aber auch das Personal könnte noch ein Problem darstellen: In den Impfzentren ist von einem Zwei-Schicht-Betrieb mit jeweils 50-70 Personen die Rede, und nachdem jahrzehntelang im Gesundheitswesen alles immer billiger und schlanker werden musste, bedarf es sicher besonderer Anstrengungen, so viele qualifizierte MitarbeiterInnen zu finden. Sowie es einen neuen, weniger kompliziert zu handhabenden Impfstoff gibt, kann sich die Lage allerdings jederzeit ändern, und man holt sich dann irgendwann seine Piekser einfach beim Hausarzt ab – aber das ist noch Zukunftsmusik. Jetzt soll die Verwaltung nach dem Willen des Rates erst mal zusammen mit Landkreis und Land versuchen, ein Impfzentrum nach Konstanz zu bringen.
Freiwillige Gagen
Wie geht es eigentlich den klassischen MusikerInnen in Zeiten versperrter Konzertsäle und verwaister Orchestergräben? Sofern sie fest in einem Orchester oder einer ähnlichen Institution angestellt sind, geht es so lala. Für FreiberuflerInnen hingegen sieht es mau aus: Sie haben kein oder kaum ein Einkommen, weil die Veranstaltungen, für die sie vertraglich verpflichtet wurden, ersatzlos gestrichen wurden. Da steht es der Südwestdeutschen Philharmonie gut zu Gesicht, dass sie jetzt dem Gemeinderat den Vorschlag unterbreitet hat, diese KünstlerInnen auf freiwilliger Basis wenigstens mit einem Teil des vereinbarten Honorars zu entschädigen. Intendantin Insa Pijanka erläuterte die geplante Spreizung der Zahlungen: Wer kleine Gagen bekommen sollte (etwa 250 Euro für eine Aufführung), soll jetzt 100% der geplanten Summe erhalten, während die GroßverdienerInnen sich mit einem Bruchteil zufrieden geben müssen. Frau Pijanka erinnerte daran, dass die Lage nicht nur für freischaffende KünstlerInnen aller Preisklassen, sondern auch für Agenturen, Veranstalter, Vermieter usw. sehr schwierig oder gar existenzgefährdend ist, denn wem jetzt ein Engagement wegbricht, der findet auch kein anderes. Da die wirtschaftliche Lage der Südwestdeutschen Philharmonie wegen der Kurzarbeit der Festangestellten im Jahr 2020 relativ gut ausfallen dürfte, sind die 60.000 Euro, die jetzt freiwillig ausgereicht werden, für das Orchester vertretbar.
Ein Weihnachtsgeschenk
Schon seit letzten Freitag bis mindestens 10. Januar 2021 oder für die gesamte Dauer des „harten“ Lockdowns gibt es ein besonderes Präsent der Stadt: Kostenfreies Parken auf dem Döbele. Es gibt mehr Anwohner, die im Homeoffice bleiben und ihr Auto irgendwo abstellen wollen, es wird nur einen reduzierten Busverkehr geben, weshalb mehr Menschen mit ihrem heiligen Blechle in die Stadt kommen. Außerdem, so fügte Thomas Traber, der Leiter des Personal- und Organisationsamtes, hinzu, sei diese Regelung auch für Menschen im Notdienst der Stadtverwaltung, für MitarbeiterInnen in Arztpraxen und im Lebensmittelhandel und überhaupt für alle gedacht, die in der derzeitigen Situation Angst vor anderen Verkehrsmitteln haben. Darum: Freies Parken.
Neben Zustimmung gab es auch einige Kritik: Christine Finke (JFK) sieht in kostenlosem Parken für alle primär einen Anreiz für touristische und Einkaufsreisen aus der angrenzenden Schweiz, und Christel Thorbecke konstatierte, dass die Busse derzeit komplett leer seien, so dass dort keine Ansteckungsgefahr gegeben sei. Günter Beyer-Köhler (FGL) verwies darauf, dass freies Innenstadt-Parken für alles steht, wogegen die Stadt Konstanz eintritt (nämlich motorisierten Individualverkehr) und wollte das kostenlose Parken auf Menschen mit AnwohnerInnen-Parkausweis beschränkt wissen.
Die Diskussion wogte rund eine halbe Stunde hin und hier, und dann wurde mit knapper Mehrheit beschlossen und verkündet: Freies Parken auf dem Döbele für alle, nicht nur für Anwohner, und dies, so lange der Vorrat an Lockdowns reicht. Wer also seinem Auto schon immer mal über Weihnachten einen geräumigen Parkplatz ganz für sich allein gönnen wollte, auf dem es sich so richtig aalen, räkeln und nach Herzenslust umhertollen kann – ab aufs Döbele mit ihm.
O. Pugliese (Text und Bild)
@Christel Thorbecke – Da haben Sie mich aber gänzlich falsch verstanden. Bei mir gibt es keine Feindseligkeit gegenüber Schweizern. Im Gegenteil.
@Christine Finke
Die öffentlich geäußerte Bemerkung in der letzten Sitzung des Gemeinderates über unsere „lieben Schweizer Freunde“, die unsere kostenlose Parkplätze für ihren nicht willkommenen Einkaufsbesuch nützen, fand ich persönlich peinlich und völlig unangebracht.
Am Stammtisch mag es vorkommen, dass alte Konstanzer sich nostalgisch nach dem „aalde Konschdanz des kommt nimme zruck“ sehnen und die bekannten Sprüche gegen die Kundschaft aus der Schweiz klopfen, aber einer Stadträtin steht eine solche abweisende Haltung ganz schlecht zu Gesicht. Wie sind Freunde und Nachbarn und das ist eine Bereicherung für beide Seiten. Spätestens seit Corona dürfte das klar geworden sein.
In der Tat echt „freundlich“ ausgedrückt dass im LK KN ein Impf-
zentrum eingerichtet wird und dies auch NOCH in Singen entsteht.
Unglaublich, wie kann das sein?
Überhaupt – kann es einem/r BesucherIn aus dem Oberzentrum
„zugemutet“ werden sich ins Mittelzentrum Singen zu bewegen?
@M.Berger: …“es ist ja nicht so dass zehntausende Konstanzer auf
einmal ins Impfzentrum müssen.“
Nee,….sie DÜRFEN!!!!
Am dezentralsten könnte man die Impfungen vielleicht verabreichen, indem man nicht die Menschen zu den Impfzentren kommen läßt, sondern die Impfzentren zu den Menschen:
Also das Impfzentrum in einem Zug aufbauen, der dann bedarfsgerecht mal ein paar Tage in dieser Ortschaft und dann wieder ein paar in der nächsten sein könnte. Ob man die erforderlichen Einrichtungen wie die speziellen Tiefkühlapparaturen nun in einer Gemeindehalle oder eben in einem Zug aufbaut, dürfte ja eigentlich keinen großen Unterschied machen.
Danke für den Bericht, und zwei Anmerkungen dazu:
Wir vom JFK haben den Antrag gestellt, das kostenlose Parken auf dem Döbele für Anwohner zu ermöglichen (nicht Günter B-K, der ins gleiche Horn stieß), und danke für die Erwähnung meiner Anmerkung bezüglich der Kombination von kostenlosem Parken und Schnäppchen im Drogeriemarkt, was unsere Schweizer Nachbarn betrifft – aber „primär“ sehe ich die Maßnahme nicht in diesem Licht, ich wollte lediglich auf den Punkt aufmerksam machen, der bis dahin überhaupt nicht bedacht worden war.
Viele Grüße ans Seemoz Team und ich wünsche erholsame Feiertage!
Nichts gegen den Vorschlag in Konstanz ein zweites Impfzentrum in KN einzurichten. D a s Impfzentrum des Kreises dort einzurichten ist allerdings angesichts der äußerst dezentralen Lage für die an der Notdgrenze des Kreuses lebenden Bürger eine Zumutung. Singen ist an sich sehr zentral gelegen, vernünftig gewählt und mit öffentlichen Verkehrsmitteln relativ gut zu erreichen.