Schlechte Aussichten für Reinhard Zahn

20120228-235143.jpgVorab: Das Urteil ist noch nicht gefällt – erst im Laufe des heutigen Mittwochs wird das Arbeitsgericht Radolfzell klären, ob die fristlose Kündigung von Reinhard Zahn als Hauptstellenleiter der vhs Konstanz rechtens ist oder nicht (seemoz wird zügig berichten). Nur soviel machte die gestrige Verhandlung klar: Der renommierte vhs-Mann Zahn und die hiesige vhs-Chefin Ferling sind unversöhnlich – ein Friedensschluss scheint ausgeschlossen.

Denn die gegenseitigen Vorwürfe und die gegenseitigen Verdächtigungen wurden im Gerichtssaal nicht ausgeräumt: War die Einstellung von Zahn überhaupt ernst gemeint oder beugte sich der Vorstand nur dem Vorschlag des Konstanzer Bürgermeisters Boldt? Und warum war der auf der entscheidenen Sitzung, als es um die Zahn-Kündigung ging, nicht mehr anwesend? Warteten die vhs-Vorständlerinnen Nikola Ferling und Dorothee Jacobs-Krahnen etwa nur auf einen günstigen Zeitpunkt, um den smarten, aber ungeliebten Zahn zu entlassen? Gab es überhaupt eine Stellenbeschreibung des Zahn-Jobs? Wurden fest vereinbarte Gesprächstermine ignoriert? Gab es ein Vermittlungsangebot des vhs-Verbandes Baden-Württemberg und wer hat das abgelehnt? Wurde die Kommunikation zwischen Zahn und seinen Vorgängern untersagt?

Auf solche und andere Fragen gab es keine Antworten vor dem Radolfzeller Gericht. Und weitere Probleme, die noch im Gütetermin eine Rolle spielten, wurden ausgeklammert: Die Rechtsgültigkeit der neuen vhs-Satzung zum Beispiel, nachvollziehbare Kündigungsgründe oder die Frage nach der Sittenwidrigkeit dieser Kündigung. Mag sein, dass solche Fragen im Schriftsatz-Wechsel der Parteien ausdiskutiert wurden – den Zuhörern der gestrigen Verhandlung, unter ihnen wieder etliche vhs-Dozenten aus Konstanz und Lörrach, blieb eine Erklärung verwehrt.

Der kurze Auftritt des Reinhard Zahn in Konstanz
Am 1.8. 2011 tritt Reinhard Zahn seinen Posten als Hauptstellenleiter der vhs in Konstanz an. Vorher hatte er 10 Jahre lang erfolgreich die vhs in Weil am Rhein geleitet. Ende Oktober wird er ohne Angabe von Gründen noch in der Probezeit, die Ende Januar ausgelaufen wäre, fristlos gekündigt. Im November befassen sich der Haupt- und Finanzausschuss sowie der Konstanzer Gemeinderat mit der vhs-Problematik. Im Dezember wird die Gemeindeprüfungsanstalt von Landrat Hämmerle mit einer Sonderprüfung der Volkshochschul-Finanzen beauftragt. Daraufhin beantragt Jürgen Leipold (SPD) eine Vertagung dieses Themas bis in den Juni – später wird eingeschränkt, man könne die Diskussion auch vorziehen, wenn Prüfungsergebnisse früher vorliegen sollten. Am 20.12. findet ein ergebnisloser Gütetermin im Kündigungsschutzverfahren statt, das Reinhard Zahn mittlerweile gegen die vhs angestrengt hat. Am 28.2. dann die erste Verhandlung vor dem Arbeitsgericht, über die hier berichtet wird.

Es darf vermutet werden, dass ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichtes, wonach für eine Kündigung in der Probezeit allein die „innere Einstellung“ des Arbeitgebers ausschlaggebend sein kann (also etwa: Mit diesem Arbeitnehmer verstehe ich mich überhaupt nicht), die Taktik der Anwälte und die Einschätzung der Richterin bestimmte. Jedenfalls blieb Rechtsanwalt Dr. Rolf Stagat für die vhs stur bei seinem Prinzip, keine Kündigungsgründe zu nennen; Rechtsanwältin Marion Strolka für R. Zahn verzichtete auf die Benennung von Zeugen und Arbeitsrichterin Dr. Sabine Adam gab frühzeitig zu erkennen, dass sie die Aussichten von Reinhard Zahn, in diesem Verfahren zu obsiegen, eher schlecht einschätzt.

Zum Schluss der Verhandlung erneuerte das Gericht den Vorschlag aus dem Gütetermin: Lohnfortzahlung bis 30.11. und eine Abfindung von 3000 Euro. Als Zahn, der diesen Vorschlag noch vor zwei Monaten energisch abgelehnt hatte, um wenige Tage Bedenkzeit bat, bestand der vhs-Anwalt auf einer Gerichtsentscheidung noch am selben Tag. Kommentar einer zuhörenden vhs-Dozentin dazu: „Wenn Konzerne so mit Menschen umgehen, sind wir alle empört – wenn staatliche Institutionen sich so verhalten, regt sich kaum Widerstand“.

Wie gesagt, das Urteil ist zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung noch nicht bekannt. Doch zweierlei ist absehbar: Wie auch immer das Urteil lautet – die Parteien werden weiter streiten. Zumindest Reinhard Zahn versicherte nach der Verhandlung noch einmal seemoz gegenüber, im Falle einer Niederlage in die Berufung gehen zu wollen. Zudem steht seine Schadensersatzforderung von 50 000 Euro an, die auch in Radolfzell verhandelt werden müsste.

Und da sind noch weitere vhs-Probleme unbearbeitet: Was ergibt die Prüfung der vhs-Finanzen durch die staatliche Gemeindeprüfungsanstalt, wann klagt der Singener Steuerprüfer gegen die Rufschädigung, die vhs-Finanzen fehlerhaft verbucht zu haben, wie geht der Konstanzer Gemeinderat mit dem Protest des Dozenten-Rates um, das vhs-Programm sträflich ausgedünnt zu haben, welchen Stellenwert hat die Volkshochschule in den Augen der Verantwortlichen noch als Bildungseinrichtung? Oder betrachtet der Vorstand die Volkshochschule nur noch unter Rendite-Gesichtspunkten? Viele Fragen, die in den nächsten Monaten beantwortet werden wollen…

Autor: hpk

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