NO TAV – Der Widerstand wächst, längst nicht nur im Susatal
Der Protest im piemontesischen Susatal gegen die Bahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke TAV spitzt sich zu. Und die Parallelen zum S21-Protest springen ins Auge: Hier wie dort geht es um eine Bahnlinie, deren Sinn sich nicht erschließt, hier wie dort sollen überflüssige Tunnels das Land durchlöchern, hier wie dort werden Demonstranten kriminalisiert. Die Konstanzer Autorin Sabine Bade, ihr neues Buch erscheint im Mai, berichtet:
Die geplante Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnstrecke zwischen Turin und Lyon soll für den Güterverkehr eine Lücke im ‚Verkehrskorridor 5 Kiew – Lissabon‘ schließen. Dass das stets postulierte Ziel – die ökologisch sinnvolle Verlagerung der Güter von der Straße auf die Schiene – mit dieser neuen Bahnstrecke gar nicht erreicht werden kann, ließ jüngst auch das französische Umweltministerium ernsthafte Bedenken äußern. Was Mario Montis neue italienische Regierung aber nicht davon abhält, den seit über 22 Jahren anhaltenden Protest der Bevölkerung des Susatals mit der militärischen Besetzung des Tals zu beantworten und Verhältnisse herzustellen, die der bekannte Blogger Beppe Grillo [http://www.beppegrillo.it/2012/03/…] gerade als den „Tod der Demokratie“ bezeichnete.
Auch die neue Regierung kippt das Projekt nicht
Man hätte erwarten können, dass die einschneidenden Sparpläne, die Mario Monti zur dringend notwendigen Haushaltskonsolidierung auf den Weg bringt, auch unsinnige und zudem Mensch und Umwelt stark belastende, nationale Prestigeprojekte kippen würden. Stattdessen werden neue Steuern eingeführt, Stellen in Regionen, Provinzen und Kommunen massiv abgebaut, Renten gekürzt, Sozialleistungen drastisch zurückgefahren, Nationalparkgebieten der Etat halbiert und vieles weitere mehr – aber vom Basistunnelprojekt im piemontesischen Susatal, dessen Kosten (allein für Italien) wohl deutlich über den momentan veranschlagten 10 Milliarden Euro liegen werden, nicht einen Millimeter abgerückt.
Jedenfalls nicht, so lange die 620 Millionen Euro, mit denen die EU dieses italienisch-französische Projekt im Rahmen der Transeuropäischen Netze (TEN) kofinanziert, noch nicht verbuddelt sind. Denn auffällig ist, wie oft von italienischen Regierungsvertretern diese Subventionen ins Feld geführt werden: „Wenn wir nicht bauen, verlieren wir den Anschluss an die Zukunft – und die Millionen aus der EU-Förderung!“ In wessen Kassen diese Gelder letztlich fließen werden, verraten sie uns allerdings nicht.
Bohrungen durch asbest- und uranhaltiges Gestein
Die Gegner dieses gigantischen Großprojektes, circa 90 Prozent der Talbevölkerung, angeführt von den Bürgermeistern der meisten Gemeinden des Tales und dem Präsidenten der Berggebietsgemeinschaft, der Comunità Montana, wehren sich mit bewunderswerter Langmut, viel Humor und friedlichen Mitteln (Petitionen, Eingaben, Demonstrationen und Gegengutachten, siehe Kasten) seit nunmehr über 22 Jahren gegen den aus dem Jahr 1989 herrührenden Plan, der hier einen der längsten Basistunnel der Alpen entstehen lassen soll. Gebohrt werden muss dafür auch durch asbest- und uranhaltiges Gestein und der Aushub soll im Tal verbleiben. Die Natur- und Kulturlandschaft des Susatals wäre damit unwiderbringlich zerstört.
Das Nutzungskonzept wurde bereits mehrmals geändert: Zunächst für den Personenverkehr konzipiert, soll die Strecke nun auch als Gütertransportverbindung fungieren. Viel geändert wurde auch an der Streckenführung, jedoch lediglich auf bekanntlich geduldigem Papier: Zu den jeweils dafür notwendigen Probebohrungen kam es nie. Stattdessen setzen die Betreiber auf Marketing: Aus Imagegründen spricht man nicht mehr vom „Treno ad Alta Velocità“ (TAV), also einer Hochgeschwindigkeitsbahn, sondern von der „Nuova Linea Torino Lione“.
• Es gibt weder technische noch Kapazitätsengpässe. Der heutige Tunnel ist über mehrere Jahre hinweg bis Ende 2010 komplett modernisiert worden.
• Die Energiebilanz des geplanten 57 km langen Basistunnels ist absolut negativ. Sowohl die an der Universität von Siena durchgeführten Untersuchungen zum Energieverbrauch durch den Bau und den Betrieb der neuen Tunnelstrecke als auch die Errechnung des Energieverbrauchs durch das Belüftungs- und Kühlsystem ergeben jede für sich einen CO2-Ausstoß pro Transportladung, der höher ausfällt als der der Ladungen im heutigen Tunnel, selbst bei dessen vollkommener Auslastung.
• Die Sicherheitsvorkehrungen des geplanten Basistunnels, da auf demselben Gleis und in engstem Zeittakt sowohl Personenzüge mit 220-240 km/h als auch Güterzüge mit 100-120 km/h verkehren sollen, sind vollkommen unzureichend.
• Ein Blick auf die voraussichtlichen Kosten dieses Megaprojektes: Mario Cavargna, Präsident von „Pro Natura Piemonte“, hat anlässlich einer Konferenz in Straßburg am 9.3.2011 dargestellt, dass sich auf Basis der im Jahr 2007 geplanten Streckenführung Kosten von 175 Mio. € pro km Bahnstrecke ergeben.
Vor einigen Tagen berichtete die Internationale Alpenschutzkommission CIPRA [http://www.cipra.org/de/alpmedia/news-de/4556] darüber, dass nun auch in Frankreich der Widerstand gegen dieses Projekt wächst: Französische Umweltorganisationen lehnen das Megaprojekt des TAV mittlerweile genauso ab wie die konservative Partei UMP in Savoyen. Bedenken äußerte nun auch das französische Umweltministerium. Umweltverbände und UMP kritisieren – neben den negativen Auswirkungen auf Grundwasser und Feuchtgebiete und den Folgen für Natura-2000-Gebiete auf ihrem Bauabschnitt -, dass das Ziel der Verlagerung der Güter von der Straße auf die Schiene mit der Hochgeschwindigskeitsstrecke nicht realisiert werden könne.
Wäre es im Zusammenhang mit diesem Bahnprojekt jemals um den Austausch von Sachargumenten gegangen, wäre es auch nur einmal einer echten Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen worden, wären Fahrgastzahlen und Streckenauslastungen nicht künstlich hoch- und schöngerechnet und die Bevölkerung im Susatal in die Entscheidungsprozesse eingebunden worden – könnte man auch erwarten, dass diese von französischer Seite geäußerten groben Projektmängel nun analysiert würden.
Und die Medien lassen sich instrumentalisieren
Wer aber die Situation vor Ort kennt, wird dieser Illusion nicht erliegen. Der italienische Staat entzieht sich seit langem allen Argumenten und bedient sich sehr geschickt der Medien, um die NO-TAV-Bewegung, d.h. vor allem die Bevölkerung des Susatals, pauschal zu verunglimpfen, mit Terroristen gleichzusetzen und zu kriminalisieren.
Seit Ende Juni 2011 aus allen Landesteilen zusammengezogene Ordnungskräfte das Hüttendorf der Projektgegner bei Chiomonte unter Zuhilfenahme von Wasserwerfern und durch die Genfer Konvention geächtetem CS-Gas räumten, ist dieser Ort zur ‚nationalen Baustelle’ erklärt worden. Die wird nun rund um die Uhr von Einheiten der italienischen Gebirgsjäger, der Brigata Taurinense, bewacht. Eben von ihrem Einsatz in Afghanistan zurückgekehrt, schützen sie seither mit gepanzerten Fahrzeugen ein kleines Stückchen Land vor der eigenen Bevölkerung. Für circa 90.000 Euro täglich.
Weil sich aber in Ehren ergraute Bürgermeister, Großmütter, die Angst um die Zukunft ihrer Enkel haben, junge Mütter, die sich – an einer Hand ein Kleinkind, auf dem Arm einen Säugling – regelmäßig an den Demonstrationen beteiligen und Rentner, die sich Tag für Tag an den vielen Mahnwachen im Susatal zusammenfinden, auf Dauer schwer als „gewaltbereite Extremisten“ und Mitglieder von „schwarzen Blöcken“ darstellen lassen, wurde im Morgengrauen des 26. Januar 2012 zur landesweiten Razzia geblasen: Wegen der Teilnahme an NO-TAV-Demonstrationen wurden insgesamt 26 Personen verhaftet, nur zwei davon stammen aus dem Susatal. Viel Phantasie benötigt man nicht, um die dahinter stehende Strategie zu durchschauen.
Solidaritätskundgebungen und Blockaden
Für die Freilassung der Demonstranten und gegen die zunehmende Kriminalisierung der Projektgegner gingen am 25. Februar 2012 wieder 50.000 – 70.000 Menschen (die angegebenen Zahlen schwanken stark) im Susatal auf die Straße. Angeführt wurde der Marsch von Bussoleno nach Susa wie stets bei Aktionen dieses breitgefächerten Bündnisses vom Präsidenten der Comunità Montana Valle Susa e Val Sangone und den Bürgermeistern der meisten Gemeinden des Susatals. Da diese Demonstration wie immer vollkommen friedlich verlief – schlechte Nachricht für die Medien, denen es so an reißerische Schlagzeilen mangelte – wurde nach ihrem Ende den rückreisenden Demonstranten am Turiner Bahnhof Porta Nuova ein spektakulärer Empfang geboten: Nach unseren Informationen wartete die Polizei dort mit großem Aufgebot und soll nicht nur kräftig die Knüppel geschwungen – sondern auch willkürlich Tränengas eingesetzt haben.
Zwei Tage später wurde das Gebiet um die Mahnwache Clarea am Bauzaun von einem Grossaufgebot der Polizei gewaltsam geräumt und dabei ein Demonstrant lebensgefährlich verletzt. Seither kommt es in Italien täglich zu landesweiten NO-TAV-Demonstrationen, Solidaritätskundgebungen und Blockaden der durch das Tal verlaufenden Autobahn Turin – Frejus.
Das martialische Auftreten der dabei jeweils in Aktion tretenden „Ordnungs- und Sicherheitskräfte“ gibt wenig Anlass zu der Hoffnung, dass es der italienischen Regierung um eine friedliche Lösung des Konfliktes geht. Flankiert werden diese Einsätze (Wasserwerfer, Tränengas, Schlagstockeinsatz, Menschenjagden) mit einer an Einseitigkeit kaum zu überbietenden Pressekampagne. Wer den dort verbreiteten Meldungen über „bürgerkriegsähnliche Zustände“ und die „Neoterroristen“ des Susatals nicht aufsitzen möchte, sollte ‚Il Fatto Quotidiano’ [http://www.ilfattoquotidiano.it] lesen. Was wir besonders deutschsprachigen Medienvertretern ans Herz legen möchten, bevor sie ungeprüft Meldungen der italienischen Presseagentur aufgreifen. Diese Zeitung wurde von Marco Travaglio mitbegründet, dem der Deutsche Journalisten-Verband am 28. April 2009 den ‚DJV-Preis der Pressefreiheit 2009’ verliehen hat, und zeichnet sich durch deutlich objektivere Berichterstattung der Geschehnisse im Susatal aus.
Seit einigen Tagen steht darüber hinaus eine Solidaritätspetition [http://www.ipetitions.com/petition/solidaritaetserklaerung-fuer-die-notav-aktivisten] im Netz, mit der wir der Bevölkerung des Susatals, die sich so vehement gegen die Zerstörung ihrer Heimat auflehnt, ein wenig den Rücken stärken können.
Autorin: Sabine Bade, http://westalpen.wordpress.com
Foto: Wolfram Mikuteit
Großbaustellen zur Giftmüllentsorgung
Platte Vorurteile à la „Italien = Mafia“ zu bedienen, ist nicht mein Ding.
Dennoch fällt auf: Egal ob von Berlusconi, Prodi oder nun von Mario Monti geführt – alle italienischen Regierungen der letzten zwanzig Jahre verteidigen das Hochgeschwindigkeitsprojekt TAV zwischen Turin und Lyon auf Biegen und Brechen. Wider Bedarfsberechnungen namhafter Wissenschaftler, trotz äußerst knapper Staatsfinanzen und nur mit Gewalt gegen die eigene Bevölkerung durchsetzbar, deren Kriminalisierung klaglos hingenommen wird.
Vor einigen Tagen berichtete die Basler Zeitung über ein Interview, das Roberto Saviano («Gomorrha») der italienischen Tageszeitung «La Repubblica» gegeben hat.
Unter dem Titel „Wie die Mafia mit Hochgeschwindigkeitszügen Kasse macht“ berichtete die Basler Zeitung über das TAV-Projekt und Savianos Kernaussage: Dass die Mafia so gut wie alle grösseren Baustellen in Italien kontrolliere. „In den letzten dreissig Jahren sind die Hochgeschwindigkeitszüge ein Instrument zur Verbreitung der Korruption und der organisierten Kriminalität geworden.“ Und statt über ökologische Risiken beim Bau der geplanten Bahnstrecke zu reden, wäre es wichtiger zu verhindern, dass die Baustelle des Treno ad Alta Velocità zur größten Goldgrube der Mafia wird. Die verdiene nämlich an den Bauvorhaben kräftig mit.
Die Basler Zeitung schreibt:
„Im Rahmen der Antimafia-Ermittlungen während des Baus der TAV-Strecke Mailand–Turin wurde tonnenweise illegal entsorgter Sondermüll in den Baugruben sichergestellt (ebenfalls ein Kerngeschäft der Mafia). Die neapolitanische Camorra besitzt das Monopol im Giftmüllhandel, seit über 30 Jahren entsorgen norditalienische Unternehmen ihre Gifte über die Camorra. Doch die illegale Entsorgung hat ihren Preis: Laut Schätzungen des italienischen Umweltschutzverbandes Legambiente verdient die Camorra damit jährlich rund 20 Milliarden Euro. Die Kontrolle der TAV-Baustellen ist für die Mafia laut Saviano ein doppeltes Business: «Sie bereichert sich, indem sie die Baustellen ausgräbt und danach wieder auffüllt.»“
Sabine Bade
Basler Zeitung vom 12.3.2012:
http://bazonline.ch/ausland/europa/Wie-die-Mafia-mit-Hochgeschwindigkeitszuegen-Kasse-macht/story/22909666
Radio Dreyeckland hat ein Interview über die Ereignisse bei der Großdemonstration am 27. Februar 2012 im Valle Susa und die anschließende Räumung der Mahnwache an der Clarea ins Netz gestellt. Martina, die wir seit langem durch ihre Arbeit für das No-TAV-Komitee Turin kennen, rückt darin gerade, was derzeit nur verzerrt durch italienische oder deutschsprachige Medien geht.
Sabine Bade
Soll niemand sagen, wir hätten die deutschen ‚Qualitätsjournalisten’ nicht gewarnt!
Was Redaktionen nicht alles auf sich nehmen, um genüßlich über „gewaltbereite Extremisten linksradikaler Gruppierungen“ berichten zu können, offenbarte – warum in die Ferne schweifen? – die SCHWÄBISCHE ZEITUNG in ihrer Printausgabe vom 5. März 2012. Unter dem Titel „Proteste gegen eine neue Bahnstrecke in Italien enden gewalttätig“ offenbarte ihr Korrespondent Thomas Migge anschaulich, was mittlerweile alles obsolet geworden ist in dieser Branche. Denn wer großzügig auf Recherche verzichtet, sollte wenigstens grob über die Tücken der Google-Übersetzungshilfe informiert sein und einen Atlas besitzen:
So liegt das „Val di Susa-Tal“ statt im Nordwesten an der Grenze zu Frankreich nun „in Nordostitalien“ (Geografie: 6, Herr Migge!), und dessen Bevölkerung wehrt sich laut SCHWÄBISCHER ZEITUNG „gegen dieses ehrgeizige und teure Projekt, für das der bereits existierende Tunnel des Berges Frejus erweitert werden muss.“
Wer schnell auf den Zug der Berichterstattung über die „Unterwanderung“ von „Extremisten“ aufspringen möchte – druckt schon mal versehentlich einen Artikel ab, der Aufschluss gibt über die von keinerlei Kenntnis getrübten Redaktionsstuben: Schließlich setzen sich gerade die Projektgegner seit 22 Jahren FÜR den Erhalt/die Erweiterung des existierenden Fréjustunnels zugunsten der vollkommen anders verlaufenden Trasse des geplanten neuen Basistunnels ein!
Nicht ganz so tumb – aber auch nicht viel besser – verläuft die Berichterstattung auf tagesschau.de. Unter dem Titel „’Stuttgart 22’ liegt in Norditalien“ [http://www.tagesschau.de/ausland/valdisusa100.html] werden von Tilmann Kleinjung aus dem ARD-Hörfunkstudio Rom, der wenigstens weiss, wo das Val di Susa liegt, zunächst die „Straßenschlachten“ hervorgehoben, die sich die Projektgegner mit der Polizei liefern. Und als Beweis dafür, dass die NO-TAV-Bewegung ihren Rückhalt in der lokalen Bevölkerung verloren hat, der Bürgermeister von Sestriere zitiert, da „wegen blockierter Autobahnen und Schienen“ immer weniger Touristen die Skigebiete rund um Sestriere erreichen. Dass die in aller Regel ohnehin nicht durch das Susa- sondern durch das benachbarte Chisonetal ihre Skihänge erreichen, weiss noch jeder, der die Berichterstattung über die Olympischen Winterspiele 2006 verfolgt hat. Was leider nicht jeder weiss, ist, dass die Mehrheit der Bürgermeister im Val di Susa bei allen NO-TAV-Demonstrationen in der vordersten Reihe stehen – und das, obwohl nur jene Gemeinden Kompensationszahlungen als Gegenleistung für die durch die geplanten Bauarbeiten erlittenen Schäden erhalten, die sich NICHT gegen das Hochgeschwindigkeitsprojekt aussprechen.
Um die Sinnhaftigkeit des geplanten Basistunnelprojektes zu unterstreichen, reicht es eben nicht, die Verkehrsachse Turin – Lyon mit der viel stärker frequentierten Brennertrasse zu vergleichen. Denn über das vollkommen unterschiedliche Verkehrsaufkommen verrät uns Tilmann Kleinjung nichts. Dafür weiss er mehr als die Betreibergesellschaft: „Im Sommer vergangenen Jahres wurde mit dem Bau begonnen. Seitdem haben sich die Proteste dagegen radikalisiert. Seit einer Woche herrscht Bürgerkrieg rund ums Bahngleis.“
Das kommt davon, wenn man Meldungen der italienischen Presseagentur aufsitzt. Schließlich ist das Areal für den Erkundungstunnel (!!) bei Chiomonte vor einem Jahr lediglich eingezäunt worden und wird seit dieser Zeit vom italienischen Militär bewacht. Von Baumaßnahmen, das hätte saubere Recherche schnell ergeben, kann keine Rede sein!
Vor kurzem hat eine Delegation des Europaparlaments diese sogenannte ‚Baustelle’ besichtigt und konnte sich ein Bild davon machen, dass dort keinerlei Arbeiten stattfinden. Das erklärte Sonia Alfano, Europaabgeordnete und neben Gianni Vattimo, Sabine Wils und Eva Lichtenberger Teilnehmerin der Besuchergruppe in Chiomonte. Vertreter des Betreibers LTF (Lyon Turin Ferroviaire) selbst gaben zu, nachdem Einsicht in die Akten verlangt wurde, nicht in der Lage zu sein, ein definitives Projekt für den Erkundungstunnel vorzulegen, da ein solches Projekt nicht existiert.
Dass für dieses nicht existente Projekt Privatgrundstücke per Dringlichkeitsbescheid enteignet wurden, begreift die Bevölkerung – meines Erachtens zu Recht – als illegal.
Vertiefene Infos im Netz:
Am 1. März 2012 widmete der prominente Ex-Rai-Journalist Michele Santoro unter dem Motto ‚Un leader politico’ [http://www.serviziopubblico.it/tutte_le_puntate/2012/03/01/news/un_leader_politico.html?cat_id=10] seine wöchentliche Sendung ‚Servizio pubblico’ den Geschehnissen im Val di Susa (2h49). Selbst wer kein Wort Italienisch versteht, kann sich anhand der vielen eingestreuten Filmausschnitte wahrscheinlich ein besseres Bild der Lage machen als durch Lesen von SCHWÄBISCHER ZEITUNG oder tagesschau.de.
Sabine Bade