Zieht Euch warm an, die Temperaturen steigen

Morgen im Gemeinderat geht es mal wieder ums Ganze: Ums Klima nämlich. Nachdem die Stadt Konstanz mit dem Ausrufen des Klimanotstands ebenso spektakulär wie medienwirksam vorgeprescht ist, müsste sie jetzt liefern. Das will oder kann sie aber nicht, zumindest nicht so schnell, wie es nötig wäre, um durch Klimaneutralität bis 2030 wenigstens noch das Schlimmste zu verhindern, denn 2050 ist es unstrittig zu spät. Der 3. Klimaschutz­bericht jedenfalls ist das Dokument eines Scheiterns mit Ansage.

Der aktuelle halbjährliche dritte Klimaschutzbericht der Stadt beginnt mit dem mehr oder weniger unverhohlenen Eingeständnis, dass der Beitrag von Konstanz hinter dem zurückbleiben wird, was hier vor Ort getan werden müsste, um die Klimaerwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. Es heißt darin: „Bereits jetzt ist absehbar, dass ein Erreichen der Klimaneutralität für die territoriale CO2-Bilanz der Stadt Konstanz nach BISKO-Methodik (also ein Absenken der vor Ort durch Nutzung fossiler Energieträger verursachten Treibhausgasemissionen auf Null) bis in die frühen 2030er Jahre nicht möglich sein wird. Für einen verbleibenden Teil der Emissionen und unter klar definierten Voraussetzungen wird daher auch über Ausgleichsmechanismen wie Kompensation und Anrechnung lokaler Solarstromproduktion diskutiert werden müssen. Klar ist, dass 2050 für das Erreichen von Klimaneutralität zu spät ist, um innerhalb der Klimaziele von Paris (maximal 2 Grad globale Erwärmung) zu verbleiben. Es müssen deshalb die Anstrengungen auf allen Ebenen weiter intensiviert werden.“

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Was heißt das?

Es bedeutet vor allem erst einmal, dass Konstanz es für unmöglich erklärt, seinen Beitrag gegen die globale Klimaerwärmung rechtzeitig zu leisten – eine mittlere Schande für die selbsternannten Klimakatastrophiker. Stattdessen werden „Ausgleichsmechanismen“ vorgeschlagen, die sich für die Ohren eines Laien eher nach Taschenspielertricks anhören: Den Eisbären Rettungsringe zu spendieren, wenn die Arktis abschmilzt und ihnen das Wasser bis zum Hals steht, überzeugt selbst dann nicht, wenn diese Ringe statt aus Plastik aus Öko-Kork gefertigt werden.

Das alles kommt aber keinesfalls aus heiterem Himmel: Am 23. Juli 2020 beschloss der Gemeinderat anlässlich der Präsentation des zweiten Klimaschutzberichtes, „das Ziel der Klimaneutralität für die Stadt Konstanz schnellstmöglich erreichen zu wollen“, ein fester Termin wurde also nicht beschlossen. Ein Institut wurde damals mit dem Erarbeiten einer Klimaschutzstrategie beauftragt. „Diese soll aufzeigen, welche Maßnahmen seitens der Stadt und der Gesellschaft bis 2035 realisiert werden müssen, um einen ambitionierten und mit den Pariser Klimazielen in Einklang stehenden Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen zu leisten.“

Man ahnt schon, hier wird etwas auf die lange Bank geschoben, was die lange Bank nicht verträgt, denn ein Temperaturrekord jagt den anderen – dagegen hilft selbst der strikteste Corona-Lockdown nur ein ganz klein wenig. Es geht schließlich um die Überlebensbedingungen auf diesem Planeten schon für unsere Kinder oder spätestens unsere Enkelkinder, da sollte es eigentlich nur ein schwacher Trost sein, wenn die Kacke im Treibhaus Erde erst dann am Dampfen ist, wenn die meisten von uns schon tot sind.

Was ist bisher geschehen?

Einige Schritte sind so offenkundig Alibi-Veranstaltungen, dass es die Höflichkeit gebietet, sie mit Schweigen zu übergehen. So will ich etwa den mit 30.000 Euro ausgestatteten 20-köpfigen Bürger-Klimarat unerwähnt lassen, der eine „Demonstration zu Ehren aller Tiere am Animal Pride Day am 4. Juli“ mit 3.000 Euro unterstützte, und auch das Stadtradeln fällt eher in die Abteilung Propaganda, denn wir brauchen keine PR-Veranstaltung für ohnehin schon begeisterte Radler, sondern eine vernünftige Radinfrastruktur, um mehr Menschen aus ihren Autositzen in die Fahrradsättel zu locken.

Im Prinzip sind die größten Brocken in Konstanz mit 80% der Emissionen die Gebäude und die Energieversorgung. Das heißt, wir brauchen saubere, regenerierbare Energie für alle plus strom- und sonstige energiesparende Gebäudeeinrichtungen, klimaneutrale Neubauten (wie sie für den Hafner angekündigt werden) etc. Doch auch der Verkehr trägt natürlich sein Scherflein zum Klimawandel bei.

Sinnvoller als ein Bürger-Klimarat oder Fußkühler für die Pinguine in der zunehmend lauwarmen Antarktis erscheint da schon die Beratung von Immobilienbesitzern, wie sie die Photovoltaik für ihre Gebäude nutzen können. Dass von 550 Angeschriebenen im Pilotgebiet Allmannsdorf/Staad und den zusätzlich über eine Online-Infoveranstaltung für das Pilotgebiet Dingelsdorf-Oberdorf Informierten nur 56 eine kostenlose Beratung beantragt haben, lässt nicht gerade hoffen. Außerdem soll ein Sanierungsgebiet zwischen Wollmatinger Straße, Taborweg, Kuhmoosweg und Friedrichstraße ausprobiert und eines im Industriegebiet ausgewiesen werden. Da sich die Förderung dort aber in äußerst überschaubaren Grenzen hält, ist nicht mit überbordendem Interesse der Immobilieneigner zu rechnen. Tacitus notierte mit vollem Römerstolz, „iam et pecuniam accipere docuimus“, womit er meinte, die Römer hätten den Germanen beigebracht, statt des bis dahin üblichen Tauschhandels endlich auch Geld anzunehmen. Leider sind die Germanen (oder zumindest der hausbesitzende Teil derselben) dabei geblieben, und der Weltuntergang interessiert sie nur, wenn sie zu dessen Abwendung üppige Zuwendungen der öffentlichen Hand zu erwarten haben.

Wer aber glaubt, das Problem allein durch Photovoltaik-Anlagen auf städtischen Gebäuden lösen zu können, irrt. Zumindest nach Angaben der Stadt werden 80% der tauglichen Flächen bereits für die Solarstromerzeugung verwendet. Immerhin sind 2020 auf dem Dach des Humboldt-Gymnasiums und dem des Kunstdepots der städtischen Museen im Industriegebiet weitere Anlagen installiert worden.

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Was soll geschehen?

Die Gesamtausgaben im städtischen Haushalt für den Klimaschutz belaufen sich im Jahr 2021 auf rund 9,3 Millionen Euro. Damit bewegen sie sich in derselben Größenordnung wie im Vorjahr. Bei den Entsorgungsbetrieben und den Stadtwerken beträgt die Höhe der klimaschutzbezogenen Gesamtausgaben etwa 11 Millionen Euro. Daraus ergibt sich für 2021 eine Gesamtsumme von ca. 20 Millionen Euro.

Allerdings ist es schwierig, Ausgaben eindeutig dem Klimaschutz zuzuordnen. Wenn eine Uraltheizung in einem Schulgebäude auseinanderfällt und erneuert werden muss, kommt die neue Heizung natürlich auch dem Klima zugute, war aber andererseits eine unvermeidbare Investition.

Es kann allerdings ohnehin nicht darum gehen, eine Summe festzulegen, die in Klimamaßnahmen investiert werden soll. Vielmehr muss das Ziel formuliert werden, bis 2030 eine klimaneutrale Kommune zu werden, und dann zu schauen, was dafür getan und investiert werden muss. Es gibt durchaus seriöse Stimmen, die dieses Ziel auch in Konstanz für erreichbar halten: Erst im Juli 2020 veröffentlichte eine lokale ExpertInnengruppe einen Klimastadtplan, in dem WissenschaftlerInnen, UmweltaktivistInnen und PolitikerInnen auf 42 Seiten darlegten, welche Maßnahmen jetzt nötig sind, um die Stadt bis zum Jahr 2030 klimapositiv zu machen, und – vor allem – wie das auch gehen kann.

Hier der Plan

Laut Klimaschutzbericht sehen die klimaschutzrelevanten Ausgaben im städtischen Haushalt so aus:

Handlungsfeld Summe (gerundet)
Gebäude + Energieversorgung 6,9 Mio. €
Stadtplanung, Mobilität, Entsorgung 1,3 Mio. €
Wirken nach außen 0,3 Mio. €
Wirken nach innen 0,02 Mio. €
Sonstige 0,8 Mio. €
Gesamt 9,3 Mio. €

Entsorgungsbetriebe EBK, Stadtwerke SWK und „Sondervermögen Hafner“ schlagen so zu Buche:

Handlungsfeld Summe (gerundet)
Gebäude + Energieversorgung 2,7 Mio. €
Stadtplanung, Mobilität, Entsorgung 8,3 Mio. €
Gesamt 11,0 Mio. €

Was heißt das im Einzelnen?

Auffällig an den zahlreichen im Klimaschutzbericht aufgeführten Einzelposten ist deren unterschiedliche Wirksamkeit. Jede Tonne CO2, die durch die Photovoltaikanlage für das Verwaltungsgebäude Laube eingespart wird, kostet über den gesamten Lebenszyklus 142,97 Euro. Beim Energieeinspar-Contracting für vier Schulgebäude, einer fragwürdigen Art, öffentliches Geld in Privatfirmen zu schaufeln, ist man pro Tonne schon mit 2.270,54 Euro dabei. Und die Mehrkosten der Entsorgungsbetriebe „für 10% Biogas am Gasverbrauch (GG-Label)“ lassen sich gar in 25.319,15 Euro pro Tonne eingespartes CO2 umrechnen.

Quantitativ erstaunliche Einsparpotenziale zu erträglichen Preisen ergeben sich etwa durch die Verwendung von LED-Beleuchtungskörpern in Verwaltungsgebäuden und Sporthallen. Große Investitionen, die auch dem Klima zugutekommen, erfordert etwa der Nahwärme-Ausbau (Abwasserwärmenutzung und verschiedene Erdgas-Blockheizkraftwerke). Elektrobusse, erdgasbetriebene Schiffe und ein zentraler Fahrzeugpool für die Ämter, die bisher eigene Dienstfahrzeuge vorrätig halten, die oft unbenutzt rumstehen, sind sicher gute Maßnahmen, aber von sehr unterschiedlicher Effektivität, was den Klimaschutz anbelangt (mögen aber durchaus andere Vorteile haben).

Doch in der Summe ist das alles eben zu wenig, das muss alles schneller gehen. Sonst gilt in wenigen Jahrzehnten für den Eisbären: Erst wenn die letzte Scholle geschmolzen und die letzte Robbe verspeist ist, wirst Du merken, dass man die Touris am Strand von Mallorca auch essen kann.

O. Pugliese (Bild: Stadt Konstanz)

Weitere Informationen

07.08.2020 | Klimaneutralität ist machbar, Herr Nachbar
3. Klimaschutzbericht der Stadt Konstanz, Januar 2021
Anlage: KLIMA-UNIKN= WISSEN, WIE
Intensivierung der Konstanzer Klimaschutzbemühungen zum Jahrestag des ersten Klimaschutzberichts
1. Klimaschutzbericht der Stadt Konstanz, Januar 2020
2. Klimaschutzbericht der Stadt Konstanz, Juli 2020