Was wird aus dem Bürgersaal?
Nach dem Gemeinderat ist vor dem Gemeinderat, und so steht denn bereits am Mittwoch dessen nächste Sitzung im Bofo an. Neben dem Bericht des städtischen Behindertenbeauftragten Stephan Grumbt geht es unter anderem auch um die ersten Erfahrungen mit dem Seniorentaxi sowie die Zukunft des Bürgersaals. Spannend wird sicher auch wieder die kleinräumige Bevölkerungsvorausrechnung für die Stadt Konstanz bis 2040, die zumindest in den letzten Jahren oft verblüffend genaue Vorhersagen ergeben hat.
Viele Menschen können sich kaum vorstellen, wie mühsam der Alltag wird, wenn man mobilitätseingeschränkt oder anderweitig behindert ist und jeder Bordstein auch den kürzesten Gang zu einem Hindernislauf werden lässt oder amtliche Texte in einem Bürokratenkauderwelsch verfasst sind, dass man die AutorInnen am liebsten in ihrer Sprachgülle ersäufen würde. Angesichts der Lebenswirklichkeit um uns herum ist der Zorn, den der Behindertenbeauftragte Stephan Grumbt in seinem Tätigkeitsbericht immer wieder einmal aufblitzen lässt, verständlich: „… warum sind öffentliche Gebäude nicht schon längst barrierefrei, warum werden wichtige Texte und Meldungen nicht generell auch in ‚leichter Sprache‘ verfasst, warum haben BürgerInnen keinen Anspruch auf barrierefreie Ausstattung des Wohnumfelds, wenn sie es benötigen?“
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Barrierefreiheit ist ein Grundrecht
Grumbt erinnert daran, dass Barrierefreiheit kein Geschenk ist, sondern ein Grundrecht. Bisher aber wird sie nicht als etwas Selbstverständliches eingefordert, sondern, wo sie mal verwirklicht wird, als etwas Besonderes gefeiert, und das kann in der Tat nicht angehen, denn Wohn- und andere Bauten ohne Barrieren sind eine Kernherausforderung, gerade für eine alternde Gesellschaft. „Allerdings darf es nicht nur um bauliche Barrierefreiheit gehen. Barrierefreiheit ist ein Querschnittsthema für alle Lebensbereiche. Wichtiger denn je werden zum Beispiel die medizinische Versorgung und Pflege, die Lebenssituation von Kindern mit Behinderungen und deren Familien sowie der barrierefreie soziale Wohnungsbau. Und wie während Corona-Zeiten schmerzlich erfahren: der Zugang zu barrierefreien digitalen Angeboten.“ Der Weg zu einer lebenswerten Umgebung für wirklich alle Menschen scheint noch sehr, sehr weit zu sein.
Der Tätigkeitsbericht des Behindertenbeauftragten kann übrigens hier heruntergeladen werden.
Bürgersaal für alle?
Der Bürgersaal macht seinem Namen in den letzten Jahren nur wenig Ehre – er wurde bis 1971 zwar für den (dann abgeschafften) Bürgerausschuss genutzt, führt heute aber im öffentlichen Bewusstsein eher ein Schattendasein und öffnet seine Pforten eher selten für Anlässe, die die KonstanzerInnen zuhauf anziehen.
Aber was passiert dort eigentlich? Dazu die Verwaltung: „Beispielhaft aufgeführt sei die bereits langjährige Vermietung an die Life Studie der Uni Konstanz (ca. 11 Wochen pro Jahr); die Nutzung durch das Konstanzer Weinfest, den Flohmarkt, vor allem aber auch die Nutzung durch die Stadt Konstanz: so benötigte die Stadt selbst den Bürgersaal im Jahr 2020 für ca. 22 Wochen (für Wahlen etc.). Für das Jahr 2021 ist der Bürgersaal bereits 23 (!) Wochen durch die Stadt Konstanz (Wahlen, Veranstaltung mit Fontainebleau etc.) und weitere 12 Wochen für die Durchführung der Life Studie der Uni Konstanz (unter Schirmherrschaft der Stadt Konstanz) – kostenlos – reserviert. Von den verbleibenden 17 Kalenderwochen sind 12 Wochen bereits durch die Kulturreihe ‚Begegnung der Kulturen‘ (Dr. Badawi) reserviert.“
Die FGL hingegen will den Bürgersaal zu einem weiteren Ort vor allem für kulturelle Veranstaltung entwickeln, deshalb hat sie bereits im Juli 2020 beantragt: „1. Die Übertragung aller zukünftigen Aufgaben für das Management des Bürgersaales an das Kulturamt. 2. Den Bürgersaal der Stadt Konstanz in erforderlichem Umfang zu renovieren. 3. Die Bildung einer Arbeitsgruppe zu dessen Wiederbelebung zu ermöglichen.“ Die Verwaltung ist gegen diesen Antrag und möchte die Verwaltung des Saales gern im Referat des Oberbürgermeisters belassen, das für die „Vergabe inkl. der Terminierung, Reservierung und Erstellung der Mietverträge“ zuständig ist sowie die allgemeine Verantwortung für den Bürgersaal trägt. Den Bürgersaal über das Kulturamt zu vergeben, hält die Verwaltung für falsch, denn dieser 175 Quadratmeter große Raum sei eben nicht nur für kulturelle Veranstaltungen gedacht, sondern darüber hinaus für jedwede „Veranstaltungen des allgemeinen kulturellen, bürgerschaftlichen und gemeinnützigen Lebens“.
Sie hat jetzt neue Richtlinien für die Überlassung des Bürgersaals vorgeschlagen, über die der Gemeinderat nun befinden soll. In deren Präambel heißt es: „Jeder ist im Rahmen dieser öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung berechtigt, den Bürgersaal und seine Einrichtungen zu nutzen. Besonders willkommen sind Veranstaltungen von Vereinen und Gesellschaften aus den Bereichen Sport, Kultur, Soziales und jeglicher Traditionspflege ebenso wie im Einzelfall andere am Gemeinwohl orientierte Institutionen und Initiativen aus diesen Bereichen. Antragsteller müssen ihren Sitz und Wirkungskreis in Konstanz haben. Die Nutzung desselben Antragstellers ist in der Regel auf eine einmal jährliche begrenzt.“
Was ja die Renovierung zumindest der sanitären Anlagen nicht ausschließen dürfte.
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Bleibt das Seniorentaxi?
Die Stadt Konstanz hat wegen Corona für Menschen über 60 sowie Menschen mit Behindertenausweis das Seniorentaxi eingeführt, das die Stadtwerke zusammen mit Taxi Dornheim betreiben. Es transportiert Menschen Montag-Freitag von 8-18 Uhr zum Buspreis zwischen zwei Bushaltestellen des Stadtgebietes. Das Angebot erfreut sich anhaltender Beliebtheit und wird mittlerweile täglich rund 60 mal in Anspruch genommen. Die Differenz zwischen dem Bus- und dem Taxipreis übernimmt derzeit letztlich die Stadt, und das vorhandene Budget von 30.000 Euro reicht bis Mitte/Ende Februar. Der Gemeinderat wird sich am Mittwoch Gedanken darüber machen, ob dieses Angebot fortgeführt werden soll oder nicht. Wer ein Seniorentaxi braucht, ruft spätestens 45 Minuten vorher die Telefonnummer 07531/803-5080 an und wird dann an der nächsten Bushaltestelle abgeholt.
Wie viele sind wir in 20 Jahren?
Die kleinräumige Bevölkerungsvorausrechnung für die Stadt Konstanz bis 2040 ist eine spannende Studie, in der mathematische Methoden die klassische Spökenkiekerei ersetzt haben (wer es genau wissen will, findet die Studie hier). Um die Frage aller Fragen direkt zu beantworten: Während am 31.12.2019 insgesamt 86.332 KonstanzerInnen gezählt wurden, sollen im Jahre 2040 bereits zwischen 94.379 und 99.937 Menschen hier leben. „Konstanz ist wie andere Universitätsstädte eine sogenannte Schwarmstadt mit entsprechendem Wachstum. Nach der sehr dynamischen Entwicklung in den Jahren 2015 und 2016 hat sich der Zuwachs in den letzten Jahren abgeschwächt. Für 2020 wird coronabedingt kurzzeitig ein leichter Einwohnerrückgang erwartet. Aufgrund der hohen Attraktivität findet jedoch auch in Zukunft weiterhin Zuwanderung statt und die Stadt steht damit nicht nur unter Zuzugs- sondern zunehmend auch unter Verdrängungsdruck.“ Mit anderen Worten: Alles wie gehabt, wenn wir die Seuche in den Griff bekommen.
O. Pugliese (Text und Bild)