Wenig Neues in Sachen Bürgersaal

Der Bürgersaal macht seinem Namen meist nur wenig Ehre – ein heimeliger Ort der Geselligkeit für BürgerInnen, Vereine, Kultur und Brauchtumspflege war er auch schon vor Corona nicht. Die FGL unternahm jetzt einen Vorstoß, das zu ändern und den Raum aufwendig für Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen umzubauen, um ihn attraktiver zu machen. Sie holte sich allerdings eine blutige Nase, da die Verwaltung einen Alternativvorschlag vorlegte, der am Ende die Nase vorn haben sollte.

In der Debatte war viel davon Rede, welche Bedeutungen denn wohl das Wort „Bürgersaal“ habe und welche oft hochtrabenden Erwartungen die verschiedensten SprecherInnen damit verbinden. Manche verstanden darunter einen Saal, der stets allen BürgerInnen, Vereinen usw. für Hochzeiten, Abiturbälle usw. offensteht, andere wiederum wollten ihn am liebsten gleich zu einem hochmodernen Konzert- und Theatersaal aufrüsten.

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Deutebolde hatten Hochkonjunktur

Gelegentlich dachte man als Zuhörer, gleich werde jemand „Wir sind die BürgerInnen“ rufen und Gleichgesinnte um sich sammeln, um den Saal im Handstreich von der Herrschaft des OBs zu befreien. Am liebsten hätte der Zuhörer allerdings all jenen wortverliebten RätInnen, die sich zu wortklauberischen Deuteboldereien hinsichtlich des Begriffs „Bürgersaals“ aufschwangen, geraten, sich statt der Wortklauberei einfach zu einer Umbenennung des Raumes in „Innerstädtischer Multifunktionsraum“ durchzuringen; dann wäre die Debatte wesentlich kürzer ausgefallen.

Anlass der Diskussion war bekanntlich ein Antrag der Grünen aus dem letzten Sommer. Darin wurde gefordert: „1. Die Übertragung aller zukünftigen Aufgaben für das Management des Bürgersaales an das Kulturamt. 2. Den Bürgersaal der Stadt Konstanz in erforderlichem Umfang zu renovieren. 3. Die Bildung einer Arbeitsgruppe zu dessen Wiederbelebung zu ermöglichen.“ Punkt 3 hatte die FGL wieder zurückgezogen, auf der Agenda blieben also die Punkte 1 und 2.

Man muss wissen, dass der Bürgersaal derzeit dem Referat des Oberbürgermeisters untersteht und von diesem etwa für die Ausgabe von Briefwahlunterlagen und sonstige Wahlaktivitäten genutzt wird. Rechnet man dann noch die 12 Wochen hinzu, in denen er an die Uni vergeben ist und berücksichtigt weitere 12 Wochen für Mohamed Badawis Reihe „Begegnung der Kulturen“ (falls sie denn trotz Corona stattfindet) bleibt da nicht mehr viel Raum für die Bürgerschaft.

Komptenzwirrwarr?

Für die FGL stieg Mohamed Badawi selbst zur Antragsbegründung in die Bütt und rührte das Herz aller echten KonstanzerInnen, als er daran erinnerte, dass dieser kulturhistorisch bedeutsame Raum schon im 15. Jahrhundert ein Bestandteil des Franziskaner-Klosters, der heutigen Stephansschule, war. Daraus leitete er dann flugs die Zuständigkeit des Kulturamtes her. Als einer der Hauptnutzer der Räumlichkeit kennt er die Verhältnisse allerdings sehr genau und beklagte vor allem die Zuständigkeitsverteilung, die Nutzer oftmals vor Rätsel stelle: 1. Terminvergabe und Schlüsselausgabe liegen beim Referat des Oberbürgermeisters. 2. Die technischen Fragen erledigt der Hausmeister der Stephansschule, und damit das Amt für Bildung und Sport. 3. Für die Reinigung ist das Gebäudemanagement des Hochbauamtes in Abstimmung mit dem Hausmeister zuständig. Damit, so klagte Badawi, sei es anders als etwa im Theater oder der Philharmonie ziemlich schwierig, bei Schwierigkeiten den richtigen Ansprechpartner zu finden. „Erlauben Sie mir ein kleines Beispiel: Wer ist zuständig, wenn es während einer Veranstaltung ein Problem beispielsweise mit dem Strom gibt?“ Deshalb solle alles aus einer Hand, nämlich vom Kulturamt, kommen. Warum diese eine Hand nicht auch das Referat des Oberbürgermeisters sein könnte, erläuterte er nicht. Außerdem blieb schleierhaft, ob das Kulturamt dann in Zukunft auch den Hausmeister und die Reinigungskräfte hätte stellen sollen, um das so nachdrücklich geforderte Eine-Hand-Prinzip zu gewährleisten.

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Abi-Bälle

Die Vision, die Mohamed Badawi vom Bürgersaal hat, und die für ihn als engagierten Musik- und Kulturveranstalter ja auch naheliegt, wurde deutlich erkennbar: Er denkt an eine Generalrenovierung zum Konzertsaal mit allen Schikanen, mit einer Bühne, mit einem regelrechten Backstagebereich, mit Umkleidemöglichkeiten, einer Küche und einer technisch hochwertigen Licht- und Tonanlage und erteilte „ moderaten Veränderungen am Saal“ eine klare Absage, da sie nicht ausreichen würden. „Ich denke an Veranstaltungen des Theaters oder an Kammerensembles der Philharmonie und nicht zuletzt an all die Schüler und Schülerinnen, die Jahr für Jahr nach geeigneten Räumen für ihre Abschlussfeiern suchen. Ich bin dafür, die Zuständigkeit für diesen Saal im Interesse der Nutzer bei nur einem Amt zu bündeln, und dieses Amt sollte das Kulturamt sein.“ Dass er dabei natürlich als einer der Hauptnutzer auch an ein besseres Ambiente für seine eigenen Veranstaltungen gedachte haben dürfte, ließ Badawi verständlicherweise unerwähnt.

Auch die LLK schlug in dieselbe Kerbe. Holger Reile fragte sich, „was heißt eigentlich ‚Bürgersaal‘? Wenn man sich die Belegung für dieses Jahr anschaut, so ist der Saal überwiegend für Wahlen oder für die Universität reserviert. Verdient der Saal überhaupt noch den Namen ‚Bürgersaal‘, wenn dort über Wochen hinweg billige Lederhosen und Dirndl für das Oktoberfest angeboten werden? Ich verstehe unter einem Bürgerinnen- und Bürgersaal etwas anderes. Außerdem ist der Saal über drei Monate hinweg für Herrn Badawis ‚Begegnung der Kulturen‘ reserviert. Der Saal ist also so gut wie voll, sodass niemand mehr eine Chance hat, ihn für eine Veranstaltung zu buchen.“ Es ist in der Tat auch in Konstanz für Vereine, Brauchtumspflege und andere menschelnde, sozial engagierte oder kulturell inspirierte Gruppen schwierig, eine (noch dazu bezahlbare) Räumlichkeit für ihre Veranstaltungen zu finden. Daher ist in der Tat nicht ganz einzusehen, warum der Saal nur wenigen AkteurInnen vorbehalten bleiben sollte.

Verwaltung siegt knapp

Der Hauptgegenspieler des FGL-Antrages war die Verwaltung selbst. Der OB möchte den Saal natürlich gern weiterhin unter seiner Fuchtel behalten, und Bürgermeister Andreas Osner, neben vielem anderen auch für die Kultur zuständig, versicherte, das (ihm unterstehende) Kulturamt werde sich nicht „verkämpfen“, um den Saal unter seine Verfügungsgewalt zu bekommen. Dieter Hirt vom Referat Oberbürgermeister und damit von Amts wegen mit der Liegenschaft vertraut, beschrieb den Status quo so: „Wir haben eine sehr heterogene Nutzung des Bürgersaals, das reicht von der IHK bis zur Gewerkschaft und zur Universität. Außerdem ist der Saal wichtig, weil er die einzige und alternativlose zentrale, behindertengerechte Ausgabestelle für die Briefwahlunterlagen ist. Natürlich sind nicht in jedem Jahr Wahlen, aber trotzdem ist der Bürgersaal immer ausgelastet.“

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Die Verwaltung schlug vor, demnächst im Technischen und Umweltausschuss die aus ihrer Sicht nötigen „moderaten“ Renovierungsmaßnahmen vorzustellen, ansonsten aber alles beim Alten zu lassen – außer den Nutzungsbedingungen, für die sie einen nicht unintelligenten Vorschlag vorlegte. In deren Präambel heißt es: „Jeder ist im Rahmen dieser öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung berechtigt, den Bürgersaal und seine Einrichtungen zu nutzen. Besonders willkommen sind Veranstaltungen von Vereinen und Gesellschaften aus den Bereichen Sport, Kultur, Soziales und jeglicher Traditionspflege ebenso wie im Einzelfall andere am Gemeinwohl orientierte Institutionen und Initiativen aus diesen Bereichen. Antragsteller müssen ihren Sitz und Wirkungskreis in Konstanz haben. Die Nutzung desselben Antragstellers ist in der Regel auf eine einmal jährliche begrenzt.“

Mit diesem Gegenvorschlag obsiegte die Verwaltung am Ende ganz knapp über die Grünen, und zwar mit 20 Ja- und 17 Nein-Stimmungen bei 2 Enthaltungen. Will heißen: Es wird sich nur wenig ändern, es wird ein wenig geweißelt und die Klos auf Vordermannfrau gebracht, und am Ende sollen mehr Vereine und sonstige gesellschaftliche Akteure öfter als bisher zum Zuge kommen.

Notfalls lässt sich das Ding später ja immer noch umbenennen.

O. Pugliese (Text und Bild)