Auf zur Wahl: Legalize it!

Fast heimelig ist ein Spaziergang durch Konstanz so kurz vor der Wahl. Überall schauen uns – sattsam bekannte wie vertraut unbekannte – Gesichter von irgendwelchen Plakaten freundlich an und versprechen uns das Paradies auf Erden, zumindest aber in BaWü. Aber nur eine Partei tut dies glaubhaft, nämlich die FDP. Offenkundig ist sie auf ein bewusstseinserweiterndes Mittel gestoßen, das sie zur gedankenschnellsten aller Parteien macht, obwohl es eigentlich viel zu klebrig für Männerhände ist.

Die FDP ist, auch wenn es keiner gemerkt haben will, die stärkste der Parteien. Vielleicht nicht gerade die mitgliederstärkste, aber doch die mit den stärksten Plakaten, auf denen ein Bild unschwer mehr verrät als tausend Worte: Diese Leute sind allesamt stoned, zugedröhnt, bekifft, voll LSD, kurzum, auf dem Trip ihres Lebens, und der dauert lebenslänglich, weit über die Abwahl aus dem übernächsten Landtag hinaus.

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Alles so schön bunt hier

Der Spruch von Hans-Ulrich Rülke, „Wählen Sie sich aus der Krise“, ist ja schon der oberaffencoolste Spruch seit Erfindung des Pflegeheims, aber dann erst diese Optik! Diese Leute stehen zu ihren Lebensgewohnheiten, das ist allerbeste psychedelische Tradition, dieses innere Wetterleuchten haben die meisten von uns nicht mehr gesehen, seit der Arzt ihnen endgültig das LSD verboten hat.

Aber diese Farbenpracht ist kein Wunder, denn das alles ist geklaut, und zwar nicht von irgendwem, sondern vom abgefahrensten aller Surrealisten. Fällt Ihnen denn nichts auf? Das haben sie doch schon mal gesehen … und zwar als Lutscher in den Bäckerläden ihrer von schwerster Zuckersucht verschatteten Kindheit!

Das Zeug hieß Chupa Chups, kostete ein halbes Wochentaschengeld und war Gold wert, wenn man im Kindergarten so richtig Eindruck schinden wollte. Denn wer hatte dieses tolle Logo und die bunten Einwickelpapiere entworfen. Stimmt! Natürlich Salvador Dalí[1], auch wenn der schon mittags beim Aufstehen so von sich selbst besoffen war, dass er, um stoned zu werden, gar keine Drogen mehr brauchte. Ein solcher Dalí machte damals ganz schön was her, fast so viel wie ein Tretroller mit Mickey-Mouse-Klingel und einem Wimpel vom Steinhuder Meer vornedrauf.

Und jetzt blicken Sie noch mal ganz oben auf Nese Erikli, deren Großplakat ja neben dem von Herrn Rülke aufgestellt ist. Schauen Sie ihr mal tief in die Augen, sehen Sie den entspannten, völlig losgelösten Blick, hinter dem ein Anflug von Spott lauert? Die Pupillen nicht mal stecknadelgroß? Ja, der nette Herr Rülke hat seiner Plakatnachbarin letzte Nacht wohl heimlich was von seinem Stoff verkauft, und jetzt grinsen sie sich beide einen und fragen sich, ob wir wohl was merken.

Veni, vidi … Jürgen

Wo war unsere Beweisführung steckengeblieben? Ah ja: Die FDP wäre natürlich nicht die Partei der unbegrenzten Freiheit, wenn sie sich nicht auch ein wenig künstlerischen Freisinn erlaubte.

In diesem Sinne hat ihr Kandidat Jürgen Keck auf das surrealistische Drogengewimsel gleich noch einen draufgesetzt und verweist damit die Konkurrenz erbarmungslos auf die hinteren Plätze: Er ist der mit weitem Abstand einzige Mensch im Feld aller Kandidierenden, dem es gelingt, so zu gucken, wie er mit Nachnamen heißt. Dafür ist ihm meine Zweitstimme sicher!

Von Kretschmann lernen heißt …

Kommen wir zu den Grünen, die sich sogar im Landtagswahlkampf offenkundig auf den Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt eingeschossen haben. Für sie tritt der durchgeistigte Weltweise Winfried Kretschmann (heißt er wirklich so?) an und verkündet als höchste Erkenntnis eines langen, bedächtigen Politikerlebens die steile These „Bewahren heißt verändern“.

Das ragt, wie Ernst Bloch gesagt hätte. Aber was will uns das eigentlich sagen? Machen wir den Praxistest und drehen den Satz einfach mal um: „Verändern heißt bewahren.“ Merken Sie einen Bedeutungsunterschied? Ich nicht. Also probieren wir es mal mit „Nicht verändern heißt bewahren“. Ändert auch nichts. „Verändern heißt nicht bewahren.“ Ist genauso inhaltsfrei.

Man sieht richtig, wie sich eine Kommission grüner Hobbydemagogen wochenlang hitzig erregt über diesen einen Satz gebeugt hat. „Wir müssen rüberbringen, dass wir irgendwie für Veränderung stehen. Aber dass wir nichts verändern wollen, muss auch rüberkommen. Und nicht vergessen: Donnerstags soll es in den Schulkantinen für alle nur noch vegetarisches Essen geben dürfen, aber natürlich mit Fleisch. Also …“

Machen wir uns nichts vor: Das alles ist herzlich uninteressant. Interessant ist nur, dass dieses Plakat ausgerechnet vor dem Bodenseeforum hängt. Vermutlich will der Landesvater dem Oberbürgermeister einfach einen Ausweg aus dem Dauerelend mit seinem geliebten Millionengrab weisen, „Bewahren heißt abreißen“?

Politische Bildung voran!

Wenn Ihr Kind aus der Schule nach Hause kommt und erzählt, es sei im Klassenzimmer durchs Fenster die ganze Zeit lang von einem Mann ohne Mundschutz angelächelt worden, halten sie es nicht für verrückt, denn dann hatte es vermutlich einfach nur großes Glück.

Die stets bildungsbeflissene CDU unternimmt nämlich gerade intensive Anstrengungen zur politischen Bildung schon im Kindesalter und hat deshalb vor der Stephansschule ein Plakat ihres freundlichen Kandidaten gleich in Höhe des ersten Stocks aufgehängt, damit er von den SchülerInnen auch gut gesehen werden kann als leuchtendes Beispiel dafür, dass man es als Strebertyp ganz schön weit bringen kann (sogar bis ganz nach oben an einem Laternenpfahl).

Ein bösartiges Gerücht aus dem Lehrerzimmer behauptet übrigens, der Mann auf dem Plakat trage deshalb keine Maske, weil er sie gegen eine marktübliche Provision von 250.000 Euro ans Gesundheitsministerium weiterverkauft habe. Dem sei hier überdeutlich widersprochen, denn das ist doch deutlich erkennbar ausgemachter Blödsinn! Jeder denkende Mensch weiß, dass ein kluger Kopf in solchen Fällen keine Euro nimmt, sondern auf Bitcoins besteht.

Grüne testen neues Recycling-Konzept

Was machen wir mit all dem Recyclingpapier, das täglich aus den Fabriken auf den Markt drängt? Energetisch sinnvolle Papier- statt Aluhüte für unsere Mitschnelldenker? Oder wollen wir gar zulassen, dass der Südkurier darauf gleich wieder frische AfD-Werbeprospekte druckt?

Nix da, dachten sich unsere Grünen, die stets die Nase im Wind haben, und so, wie gegen den Jugendalkoholismus nur eines hilft, nämlich den Kids alles ratzeputz vor der Nase wegzutrinken, so haben die Grünen den anderen das ganze schöne Papier weggedruckt und vor ihren politischen Gegnern an Fahrradlenkern versteckt – unter anderem auch an meinem. Das ist nett, liebes Grünvolk, denn ein solcher Papierfetzen an Lenker oder Bremse ist eine echte Verkehrsgefährdung, sofern man ihn nicht vor Fahrtantritt auf die Straße schmeißt, und kann zu heftigen Stürzen und saftigen Bußgeldern führen.

Was also soll der Unfug? Muss ich jetzt sogar an meinem Fahrrad ein wetterfestes Plastikschild „Werbung verboten“ anbringen, nur um mir dann Euer Gemähre wegen Mikroplastik in Fahrradaufklebern anzuhören? Ist mein Fahrrad eigentlich Freiwild für die Schnapsideen aller frei herumlaufenden SelbstdarstellerInnen?

Und jetzt … alle

Aber immerhin: Es sind nicht die ersten Liebesgaben auf meinem Fahrrad. Eine Zeitlang waren es anonyme Zettel eines netten Nachbarn, bei dem es noch immer einen weißen Fleck an der Wand über dem Sofa gibt, wo er 1945 aus reinem Opportunismus das Hitlerbild abgehängt hat: „Fahrrad wegnehmen, sonst erfolgt Anzeige bei der Polizei“, pflegte er zu schreiben. Das ist etwa auf Eurem Phantasie-Level, liebe Grüne, denn vermutlich steht auf der Rückseite Eures Fahrradwerbeanhängers (ich habe ihn nicht gelesen), „wenn Du uns nicht wählst, schlitzen wir Dir Fettarsch ganz fies Deinen Gel-Sattel auf“?

So leicht kriegt Ihr mich aber nicht, da müsst Ihr Euch schon mehr einfallen lassen. Mein absoluter Hingucker ist eine anonyme Zeitgenossin, die mir immer wieder mal randvollgeschissene Hundekot-Beutel auf den Gepäckträger legt, manchmal mit einem Zettel dran, auf dem in blassblauer Frauenschrift steht: „Mach‘ das weg!“

Das hat doch Schmackes! Aber was lernt Ihr daraus, Grüne, was gehört an ein Fahrrad? Kapiert? Labt Euch an einem klimaneutralen Büfett, her mit ein paar tausend Jutebeuteln, ab in die Hocke – und dann feste einen abgeseilt für die Partei.

In diesem Sinne: Happy Wahlkampf noch!

O. Pugliese (Text, Fotos und Screenshots)


Quellen

[1] Salvador Dalí und das Logo von Chupa Chups. 1969. Das ikonische Logo des Salvador Dalí.