Konstanzer Wohnungsmarkt: Der blanke Horror
Dass keine Freude aufkommt, wenn man in Konstanz eine halbwegs bezahlbare Wohnung sucht, ist seit langem bekannt. Aber was sich auf dem angeblich freien Markt seit geraumer Zeit abspielt, spottet jeder Beschreibung. Wer nach einer akzeptablen Bleibe sucht, ohne vorher eine Bank ausgeraubt zu haben, stellt ernüchtert fest: Von sozialverträglichen Angeboten kann nur selten die Rede sein. Außerdem macht sich auf mehreren Immobilienportalen dreistes Betrugsgesindel breit. Hier der Erfahrungsbericht eines Wohnungssuchenden.
Neben der Nachfrage bei Bekannten und Freunden empfiehlt sich in der Regel ein Suchauftrag bei diversen Wohnungsanbietern, die den hiesigen Markt beackern. Kurz nach Auftragserteilung treffen die ersten Angebote ein. Resultat: Von zehn Projekten sind acht für DurchschnittsverdienerInnen kaum bezahlbar, um den kargen Rest balgen sich Hundertschaften, wie sich im Laufe meiner Suche herausstellen wird.
Auf 27 zusätzliche Bewerbungen gibt es auch zwei Monate später keine Rückantwort. Übrig bleiben zwei Projekte, für die mir dann auch ein Besichtigungstermin angeboten wird. Vorab aber wird eine Mieterselbstauskunft verlangt, die zwar freiwilliger Natur ist, aber wer die verweigert, fällt schon mal durchs Raster. Also gibt man zähneknirschend Auskunft. Nein, ich plane nicht, in einer Zweizimmerwohnung mit gerade mal 45 Quadratmetern klammheimlich eine achtköpfige Wohngemeinschaft einzurichten, die gerne zu nachtschlafender Zeit bis zum Morgengrauen wilde Parties feiert. Musikinstrument betätige ich auch keines und ich denke natürlich nicht daran, mir eines oder sogar mehrere Haustiere zuzulegen. Außerdem habe ich keinerlei Schulden, wie meine Schufa-Auskunft deutlich belegt, mein monatliches Einkommen liegt bei rund 3000 Euro und vorbestraft bin ich auch nicht. Sonst noch was?
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„Das wäre Ihr Kellerabteil“
Die erste Wohnungsbesichtigung einer Zweizimerwohnung in der Konstanzer Altstadt steht an. 42 Quadratmeter, 850 Euro warm. Die freundliche Maklerin weist mich schon mal darauf hin, dass ich einer von mittlerweile 84 MitbewerberInnen sei. Aber das sei noch gar nichts, für ein kleines Appartement in Petershausen-Ost habe sie über 200 Bewerbungen erhalten. „Manchmal rufen mich verzweifelte Wohnungssuchende sogar spät Nachts an und betteln um irgendeine Wohnung. Das habe ich selten erlebt“.
Zuerst führt sie mich zu den Kellerabteilen, eines davon soll meines werden. Das allerdings, wird mir mitgeteilt, sei nur beschränkt nutzbar, „denn hier schimmelt es überall, aber das ist normal in diesem Viertel“. Die Behausung im ersten Stock ist in einem schlechten Zustand. Schiefe Böden, eine völlig abgenudelte Küche, für die eine Ablöse von 1500 Euro verlangt wird. Auch tagsüber braucht man hier Licht und es riecht deutlich feucht und modrig, vor allem im Bad, in dem es auch keine Lüftung gibt. Besten Dank, mir ist schon schlecht.
„Mitten im wunderschönen Konstanz“
Anderntags eine zweite Besichtigung, diesmal in der Niederburg. Eineinhalb Zimmer, 40 Quadratmeter, 900 Euro warm, in etwa mein geplantes Budget. Das besondere Highlight bei dieser Immobilie, so ist im Expose zu lesen, sei die „wunderschöne und großzügige Terrasse, auf der man nach Feierabend die Seele baumeln lassen kann – mitten im Herzen der wunderschönen Stadt Konstanz“. Das klingt doch, also nichts wie hin. Die Noch-Mieterin kommt gleich zur Sache. Sie würde dem Hausbesitzer nur Nachmieter empfehlen, die ihr die komplette Einrichtung – u.a. Einbauschränke, Regale, Küchentisch, Stühle, und am besten auch noch ein potthässliches Ungetüm von Bett dazu – gegen eine Ablöse von 3000 Euro abzunehmen gewillt seien. Ach ja, die Terrasse soll hier nicht unerwähnt bleiben. Es handelt sich um eine etwa vier Quadratmeter große und völlig verwilderte Sitzfläche, an die direkt ein Großparkplatz anschließt, Vergiftungsgefahr also inklusive.
Ich erhöhe nach ergebnisloser Suche im Januar und Februar mein Budget auf 1200 Euro warm, aber auch dann kommt wenig Vernünftiges rein. In der Regel muss man mit einer Warmmiete von 20 Euro aufwärts rechnen, mindestens. Wenn es überhaupt Reaktionen auf meine Bewerbungen gibt, lesen die sich in der Regel so: „Aufgrund der sehr großen Nachfrage müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass uns eine zeitnahe Beantwortung ihrer Anfrage derzeit leider nicht möglich ist“.
Irgendein Dummer wird sich schon finden
Ende Februar spuckt mein Rechner folgende Offerte aus: Schöne Wohnung in der Altstadt, 72 Quadratmeter, dazu ein großer Balkon für eine Warmmiete von 800 Euro. Sofort bewerbe ich mich und bitte freundlichst um Kontaktaufnahme. Kurz darauf schlägt eine Mail bei mir auf. Die angebliche Besitzerin der Wohnung lässt mich wissen: „Da ich derzeit meinen kranken Vater in Madrid versorge, kann ich leider nicht nach Konstanz kommen. Mit der Wohnung will ich kein Geld verdienen, ich möchte nur, dass sie in guten Händen ist“.
Klar, da stimmt was nicht. Ich frage dennoch, wie sich die Dame die Abwicklung vorstellt. Kaum eine Stunde später dann der Vorschlag: „Sie können einen von mir beauftragten Agenten in der Stadt treffen und den Mietvertrag unterschreiben. Anschließend wird Ihnen der Wohnungsschlüssel überreicht“. Ich solle aber bitteschön nicht vergessen, dem „Agenten“ cash 2400 Euro in die Hand zu drücken, gedacht als Kaution.
Wer nicht völlig weich in der Birne ist, geht auf dieses kriminelle Angebot nicht ein, denn die Wohnung gibt es natürlich nicht, und wenn es sie gibt, ist sie nicht frei. Doch die simpel gestrickte Betrugsmasche führt doch manchmal zum Erfolg, wie mir von verschiedenen Beobachtern der Immobilienbranche bestätigt wird: „In ihrer Not gehen Wohnungssuchende darauf ein, denn sonst würden Angebote dieser Art nicht ständig ungeprüft über Portale transportiert werden. Den Hintermännern kommt man leider fast nie auf die Spur“.
Mein vorläufiges Fazit nach mittlerweile dreimonatiger und erfolgloser Wohnungssuche: Der Konstanzer Wohnungsmarkt zeugt deutlich davon, dass Nachfrage und Angebot längst in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen und der damit verbundene Verdrängungswettbewerb dazu geführt hat, dass sogar bis weit ins Hinterland hinein nur noch schwer eine bezahlbare Unterkunft zu finden ist. Und nun? Da fällt mir spontan nur ein alter Song von Udo Lindenberg ein: „Hinter dem Horizont geht’s weiter, ein neuer Tag beginnt …“
Torsten P. (vollständiger Name der Redaktion bekannt)