FFF KN – Podiumsdiskussion zu den Erneuerbaren

Letzte Woche fand eine von FFF Konstanz initiierte Podiumsdiskussion statt, die die „Klimakrise auf allen Ebenen lösen“ wollte. Idee der Veranstaltung war es, Kommune, Land, Bund, EU und Wissenschaft an einen Tisch zu bringen. Zuständigkeiten sollten geklärt, aber auch konkrete Forderungen formuliert und auf den Weg gebracht werden. Solche Diskussionen sind notwendig, lassen doch die verästelten Pfade des Föderalismus und die (teils fingierte?) Handlungsunfähigkeit Einzelner zuweilen staunen.

Fridays for Future hatte die Diskussion vor allem angeregt, um konkrete Handlungsimpulse und Maßnahmen für die direkte Zukunft herauszuarbeiten. Die Moderation des Gesprächs war also stets darauf zugeschnitten, den sonst eher herumdrucksenden, die Verantwortung auf andere abschiebenden PolitikerInnen ein paar klare Statements und so etwas wie eine To-Do-Liste zu entlocken. Dieses Ansinnen erwies sich allerdings als eher utopisch …

Es ist kurz nach 12

Ein Impulsvortrag verdeutlichte eingangs den Stand der Klimakrise und legte den Fokus auf die erneuerbaren Energien. Dabei ging es vor allem um Deutschland und die Region, aber auch um die von der Politik initiierten – unzureichenden – Maßnahmen zum Klimaschutz. So sind überall Wälder in Gefahr, nicht nur durch Regenwaldrodungen für die Tier- und Futtermittelindustrie, sondern auch durch die klimabedingte Waldbrandgefahr, die nicht nur in den forstwirtschaftlichen Monokulturen Mitteleuropas wächst.

Durch die Störung klimatischer Zirkulationsströmungen kommt es vermehrt zu „Hitzestaus“, die zum Beispiel den Amazonasregenwald in eine Savanne zu verwandeln drohen. Solche Kipppunkte (zum Beispiel auch das Abschmelzen der Polkappen und das daraus resultierende Ansteigen des Meeresspiegels) verstärken ihrerseits die Erwärmung. „Es ist kurz vor 12“ – das war einmal, denn es ist „recht wahrscheinlich“, wie es im Wissenschaftsjargon heißt, dass Kipppunkte überschritten werden und vielleicht schon wurden. Einzig die weltweite Klimaneutralität bis 2030 könnte den Schaden begrenzen (die Stadt Konstanz hat bis 2035 weitgehende Klimaneutralität gelobt), während jeder spätere Termin zu spät sei.

Erneuerbare Energien? In Deutschland?

Angesichts dieser Lage ist der Ausbau der erneuerbaren Energien, also vorrangig Solar- und Windenergie, in Deutschland völlig unzureichend, obgleich er für die Klimaneutralität essenziell ist. Der Solarausbau stagniert seit 2009 mit Rücksicht auf die Wirtschaft mehr oder weniger. Dabei gilt die Solarenergie – gerade für Städte wie Konstanz, in denen Windenergie wenig sinnvoll ist – als Königsweg zur klimaneutralen Energieproduktion. Der Ausbau der Windenergie sei hingegen bis 2017 gut vorangegangen, aber seither durch bürokratischen Wirrwarr, vorgeschobenen Artenschutz und mangelnde Attraktivität für Investoren eingebrochen.

Noch immer aber lägen die finanziellen Aufwendungen für Klimaneutralität kaum über dem Betrag, den Deutschland für sein Militär aufwendet, dabei dürfte der Klimawandel weltweit erhebliche Unruhen, also schlussendlich Kriege, verursachen.

Woran hakt’s?

In der Diskussion sollte es um die Sachlage „vor Ort“ sowie Perspektiven, aber auch Probleme und Hindernisse gehen, besonders um den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie die Zuständigkeiten der jeweiligen politischen Ebenen.

Der Konstanzer OB Uli Burchardt sieht als hauptsächliches Hindernis für den mangelhaften Ausbau von Photovoltaikanlagen, dass diese wirtschaftlich nicht rentabel seien. Er verwies dabei auf die Zuständigkeiten von Land und Bund.

Das Noch-Landtagsmitglied Daniel Renkonen (Grüne) sprach sich für eine erweiterte Solarpflicht und die Wärmewende aus; auch er verwies auf die nächsthöhere Instanz, also den Bund.

CDU-Bundestagsabgeordneter Andreas Jung sprach sich ebenfalls für den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren, steuerliche Förderung für Sanierungen und Änderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus. Er prangerte die steuerlichen und bürokratischen Absurditäten bei Photovoltaikdächern und Genehmigungsverfahren für Windräder an, und sah sich selbst und den Bund in der Pflicht.

Michael Bloss, für die Grünen im EU-Parlament, sprach sich für verschärfte Richtlinien, effizienteren Emissionshandel und verbesserte Anreizstrukturen auf EU-Ebene aus. Ein Problem seien die bürokratischen Strukturen der EU, wobei er sich deutsche Unterstützung in Form eines Klimagesetzes erhoffte.

Der letzte in der Runde war Wolfang Seibel, Lehrstuhlinhaber für öffentliche Verwaltung an der Uni Konstanz. Er verkörperte gewissermaßen die Rolle des „politischen Willens“. Er sprach u. a. über die Gasversorgung via Nord Stream 2, die ein Paradebeispiel für grüngewaschenen Industrielobbyismus sei. Nord Stream 2 sei nicht vereinbar mit den EU-Richtlinien, nicht notwendig und nicht klimafreundlich, auch wenn die eigens dafür gegründete sogenannte „Umweltstiftung“ in Mecklenburg-Vorpommern etwas anderes suggeriere. Es nannte es absurd, dass ein fossiler Brennstoff als nachhaltig deklariert werden könne und so effektiver Klimaschutz verhindert werde.

Diskussion!

In der folgenden Diskussion wurden die Positionen der Teilnehmenden deutlich. Auffällig war beim Schrei nach Zusammenarbeit das stete Abwälzen von Verantwortung auf die nächsthöhere Ebene. Alle politisch Verantwortlichen wollen ja gern, können oder dürfen aber, so scheint’s, kaum etwas tun. Aber auch das Individuum ist für den Klimaschutz nur begrenzt verantwortlich, denn es ist die Politik, die den Rahmen setzt. Der Grüne Bloss brachte es auf den Punkt: „Man kann gewisse Dinge nicht durch Konsum lösen.“ Die Politik müsse vielmehr durch die Priorisierung von Maßnahmen Anreize schaffen, die vor Ort zügig umgesetzt werden können.

Das EEG als Paradebeispiel

Sehr deutlich scheint das Versagen des Bundes auf verschiedenen Ebenen. Der Bundestagsabgeordnete Jung schrieb sich sogar noch die eher kosmetischen Änderungen des EEG im Jahre 2021 auf die Fahnen, obwohl es ziemlich absurd ist, dass die Finanzierung des Ausbaus der Erneuerbaren über einen Zusatzbetrag geschehen soll, der nicht nur auf die StromkundInnen abgewälzt wird, sondern auch das Stromsparen und die vermehrte Einspeisung von Ökostrom ins Netz für Einzelpersonen teurer macht. Als Krönung des Ganzen wurden diejenigen Industrien, die besonders viel Strom verbrauchen, von dieser Umlage ausgenommen.

Das ist insbesondere dann widersinnig, wenn man/frau bedenkt, dass der Kohleabbau in Deutschland immer noch gefördert wird, weil die 20.000 Arbeitsplätze in der Kohleindustrie erhalten werden sollen – wohlgemerkt, nachdem 80.000 Arbeitsplätze in der Solarbranche wegfielen. Nachhaltige (ökologische, wirtschaftliche und soziale) Zukunftsperspektiven werden einem dogmatischen „ich muss möglichst viel Kohle machen, koste es, was es wolle“ untergeordnet.

Für den Ausbau der Erneuerbaren braucht es nicht nur sinnvolle Möglichkeiten für BetreiberInnen, Strom ins Netz einzuspeisen, auch die Entwicklung neuer Technologien muss zügig vorwärts gehen. Windräder müssen effizienter werden, es müssen Möglichkeiten entwickelt werden, die Geräte ordentlich rückbau- und recyclebar zu machen. Statt nicht endender Diskussionen über den Vogelschutz müssen diese technologischen Entwicklungen verlässlich gefördert werden, anstelle jener Unternehmen, die gerade NRW aufbaggern. Stattdessen lässt man im EEG die Förderung von Windkraftanlagen auslaufen, weil „die ja schon rentabel geworden“ seien. Doch wenn in die Jahre gekommene Anlagen nicht mehr bezuschusst werden, werden sie vermutlich verfrüht abgebaut, was nicht nur Recyclingprobleme schafft, sondern dem Ausbau der Erneuerbaren auch einen Dämpfer verpasst, da neue Windräder ja praktisch nicht mehr genehmigt werden.

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Forderungen für die Zukunft

Die hauptsächlichen Probleme sind also die falsche Priorisierung von Energiequellen, der unverhältnismäßige wirtschaftliche Wettbewerb zwischen fossilen und erneuerbaren Energieträgern und der groteske bürokratische Apparat, der jegliche Impulse erstickt – zumindest darin waren sich die DiskussionsteilnehmerInnen einigermaßen einig.

Michael Bloss wies außerdem darauf hin, dass Deutschland immer noch die europäischen Klimaziele blockiere, was insbesondere für die CO2-Bepreisung und den Strukturwandel der Industrie gelte. Dabei hinke insbesondere die Bundes-CDU ihren eigenen Vorgaben meilenweit hinterher: Statt das Pariser Klimaabkommen als Basis anzuerkennen, eiere sie zwischen EEG-Umlagen, Wärmepumpen und verklausulierten Sanierungsquoten hin und her.

Damit verabschiedeten sich die Beteiligten, die eine Fortsetzung des Gesprächs einhellig befürworteten. Zumindest zeigte sich einem breiteren Publikum, mit welchen Details sich die Verantwortlichen oft herumschlagen.

Viel Greifbares ist scheint’s nicht herausgekommen bei diesem FFF-Diskussionsabend. Erwartungsgemäß haben jene Politiker, deren Parteien seit Jahrzehnten gegen den Umbau der Energiesysteme gearbeitet oder diesen Umbau bestenfalls hasenherzig vorangetrieben haben, darauf verwiesen, dass sie zwar gern handeln würden, aber nicht können. Das war absehbar, deshalb hätte man sich gerade von FFF eine breitere Auswahl an Diskutierenden gewünscht, die auch die Frage thematisieren, welche grundlegenden Umbauten des gesellschaftlichen Systems für einen effektiven Klimaschutz notwendig wären, denn allein mit neuer Technik lässt sich die Klimakatastrophe kaum mehr verhindern. So lange auch deutsche Unternehmen vom Abholzen der Wälder am Äquator profitieren dürfen, so lange Dörfer den Kohlebaggern weichen müssen – und so lange der kurzfristige wirtschaftliche Eigennutz als höchste Lenkungsinstanz gesellschaftlichen Handelns akzeptiert werden, gibt es für das Weltklima und die ärmere Menschheitsmehrheit wenig Hoffnung.

Auf dem Podium hingegen outen sich selbst die Angehörigen langjähriger Regierungsparteien, denen das echte oder vermeintliche Wohl „unserer Wirtschaft“ allemal wichtiger war als das Überleben der Menschheit, urplötzlich als in der Wolle gefärbte Vorreiter einer Öko-Wende. Im politischen Alltag allerdings zeigt sich dann schnell, was von ihren Lippenbekenntnissen zu halten ist – wie auch FFF immer wieder schmerzlich erfahren wird.

Praxagora (Bild: Neißehai, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons)