Wer hat das Chérisy-Verkehrs-Gutachten umgeschrieben?

Da wundert sich der verkehrspolitische Laie: Innerhalb von vier Tagen sind zwei verschiedene Gutachten zur Verkehrssituation in der Chérisy in Umlauf. Und – da wundert sich niemand mehr – Stadtplanungschef Roland Jerusalem stellte am 8.März im Technischen und Umweltausschuss (TUA) der Stadt Konstanz die deutlich geschönte Fassung vor. Frage: Wer hat wann und warum zwischen dem 20. und 24.2. die Kernaussage des Gutachtens umgeschrieben?

Zur Vorgeschichte: Die „Gesellschaft für Projektsteuerung im Bauwesen mbH“, einer von zwei Investoren der geplanten Neubauten auf dem Chérisy-Arreal (seemoz berichtete mehrmals), hinter der Architekt Walter Finthammer als Projektleiter und Sacha Wengert aus Gottmadingen als Finanzier stehen, hatte auf Wunsch der Stadtplanung und der „Initiative Schöne Chérisy“ ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass das durch den Neubau veränderte Verkehrsaufkommen bewerten soll. Verfasser des neunseitigen Gutachtens ist Diplom-Ingenieur R. Neumann von „Modus Consult Ulm“.

Erstaunlich nur, dass von dem Gutachten zwei Versionen kursieren – eine vom 20.2., die andere vom 24.2. (beide Fassungen liegen der Redaktion vor). Weniger erstaunlich, dass die neuere Fassung von „nachgewiesen guter Verkehrsqualität auch unter Berücksichtigung des zu erwartenden Neuverkehrsaufkommens“ spricht, während die ältere Fassung nur eine „funktionale Erschließung der beiden geplanten Bauvorhaben“ erwähnt. Ein Versehen scheint ausgeschlossen – die eine Formulierung ersetzt die andere auf der letzten, der Seite neun, die jeweils nur wenige Zeilen umfasst und die Quintessenz des Gutachtens formulieren will.

Wer wollte da dem Fazit des Gutachtens einen besseren Anstrich verpassen? Wer hat da umformuliert? Und warum? Und wer wusste von der Neuformulierung? Und wer fürchtet um das Projekt, wenn die Verkehrssituation nicht in schillernden Farben beschrieben wird? Und welche Risiken geht eine Stadtverwaltung ein, wenn sie sich auf Gutachten privater Investoren verlässt? Wird da am rechten Fleck gespart?

Doch selbst „die nichtssagende Feststellung des Gutachtens, die von einer funktionalen Einstufung“ spricht, beruht, so Rudy Haenel, Sprecher der Initiative Schöne Chérisy, „auf falschen, zugrunde gelegten Zahlen und einer daraus resultierenden falschen Prognose“. Denn die in den Erdgeschossen der Studentenwohnheime geplanten Gewerbeflächen und die Anzahl der geplanten Stellplatzflächen würden um 50% geringer angenommen als geplant, so Haenel in einer aktuellen Presserklärung.

Und dennoch käme trotz dieser zu niedrigen Zahlen in der Ausgangsberechnung das Verkehrsgutachten immer noch zu einer geschätzten Belastung mit „Neuverkehr“ von 50%, zusätzlich zu der konkret gemessenen jetzigen Belastung in der abendlichen Spitzenstunde zwischen 17 und 18 Uhr, weist die Initiative Schöne Chérisy nach.

Da haben Stadtplanung und Investor einige Probleme bei zukünftigen Diskussionen, scheint es. Selbst das ursprüngliche, kritischere Gutachten arbeitet mit offensichtlich falschen Angaben und kommt deshalb zu viel zu optimistischen Annahmen. Wie viel mehr gilt das für das zweite, offenkundig geschönte, jetzt wohl gültige Gutachten? Es gibt einiges zu erklären…

Autor: PM/hpk

 

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