Der Müll muss weg (II)
Die Mülltrennung wird immer wieder als die Königsdisziplin im Leben der mündigen VerbraucherInnen gepriesen. Sie gilt als erste Stufe zu einem Rohstoffkreislauf, der die schmerzfreie Wiedergeburt der immer gleichen Verpackung verheißt und dem Tetrapack das ewige Leben verspricht, von dem wir Menschen bisher nur träumen dürfen. Was also bringt die Mülltrennung in Deutschland und speziell in Konstanz? Was wird aus den ach so wertvollen, pfleglich behüteten Rohstoffen in Säcken und Containern?
Natürlich spiegelt die Zusammensetzung des Mülls auch sich ändernde Lebens- und Konsumgewohnheiten wider. MüllarchäologInnen erbuddeln in mittelalterlichen Marktplätzen nach Jahrhunderten ganze Speisekarten und Lebensformen der damaligen BewohnerInnen, und selbst für Geheimdienste soll der Blick in die Papierkörbe, Latrinen und Mülltonnen des auszuspähenden Feindes oft sehr lehrreich gewesen sein. Also schauen wir einmal genauer hin: Wie steht es mit dem Recycling im ökobewegten Konstanz?
Altpapier: Weniger wird mehr
Die gesammelte Altpapiermenge beträgt für das Jahr 2020 rund 6.361 Tonnen. Das entspricht 72 Kilogramm pro Person und liegt 3 Kilogramm unter der gesammelten Menge pro Kopf 2019. Das Volumen stieg 2020 trotzdem merklich an, was vor allem durch die Zunahme des Onlinehandels zu erklären ist, und die Zunahme an Versandkartons im Altpapier lässt sich an den häufiger gewordenen Fahrten der Müllfahrzeuge zum Ausladen gut ablesen. Ein Versandkarton ist nämlich wesentlich leichter, dabei aber wesentlich voluminöser als ein Stapel aussortierter Dokumente. Die Menge der Printprodukte wie Kataloge, Zeitungen und Prospekte, die viel Gewicht bei wenig Volumen auf die Waage bringen, ist zudem weiterhin rückläufig, was den Rückgang des Gesamtgewichts erklärt.
Altglas: Mehr Durst in der Pandemie?
Neben dem Biomüll verzeichnen die EBK vor allem bei der Menge des Altglases einen spürbaren Anstieg: 2.634 Tonnen Altglas wurden im letzten Jahr gesammelt. Das sind 117 Tonnen mehr als im Vorjahr. Pro Kopf haben die KonstanzerInnen damit rund 1 Kilogramm Altglas mehr in den Container geworfen als noch im Jahr zuvor. Beim Schmunzeln über den eigenen Durst zu Zeiten der Pandemie sei jedoch angemerkt, dass auch das Koch- und Essverhalten einen Einfluss auf die Altglasmenge nimmt: Gemüse und Obst, Hülsenfrüchte, Soßen, Marmelade und Brotaufstriche werden ebenso in Gläsern gekauft, die schließlich in den Altglascontainern landen (auch wenn so manche Flasche „Koch“wein den Herd nie erreicht haben dürfte, sondern unterwegs im Schlund der/s Kochenden verschwand).
Und was darf in die Altglascontainer? Ausschließlich Flaschen, Glaskonserven und anderes Behälterglas. Das bezeichnet alle Verpackungen aus Glas, die ohne Pfand verkauft werden. Nicht hinein dürfen Fenster- oder Spiegelglas, Trinkgefäße, Keramik und Porzellan. Diese würden den Recyclingprozess aufgrund ihrer andersartigen Zusammensetzung erheblich stören.
Was wird aus dem Altglas?
Es ist kein schöner Anblick: Rund um die Glascontainer herum liegen oft Pappkartons herum, in denen leere Flasche transportiert wurden, und auf den stählernen Kolossen warten Korken und Blechverschlüsse in Massen darauf, endlich vom Winde in alle Richtungen verweht zu werden.
Muss das eigentlich sein?, fragt sich die immer wieder auflodernde Volksseele. Es muss nicht sein, wie die EBK schreiben, und die Lösung ist denkbar einfach: Deckel dürfen mit in die Container!
Alle Glasbehälter übrigens, die nicht transparent oder braun gefärbt sind, sind im grünen Container richtig, also z.B. auch blaue. Die verschiedenen Glasfarben werden bei der Containerleerung selbstverständlich nicht wieder zusammengekippt, denn die Aufbauten der Altglas-LKW besitzen verschiedene Kammern, in denen die Glasfarben voneinander getrennt bleiben.
Sind die Container voll, werden sie von den EBK geleert und deren Inhalt zur Umladestation in der Fritz-Arnold-Straße gebracht. Von dort wird das Altglas zu verschiedenen Glashütten in Süddeutschland transportiert.
In der Glashütte werden grobe Fehlwürfe zunächst von Hand aussortiert. Anschließend sorgt ein raffiniertes System aus Magneten, Rüttelsieben verschiedener Größen und Lichtschranken mit Druckluftdüsen dafür, dass Fremd- und Störstoffe aus dem Altglas entfernt werden. Große Magnete ziehen zuverlässig Deckel aus Metall heraus, die zugeführte Hitze entfernt Papieretiketten und weitere organische Reststoffe wie Lebensmittelreste aus dem Altglas.
Im Sortierprozess zerbricht das Altglas in immer kleinere Scherben. Das Glasgranulat wird abschließend auf seine Reinheit überprüft. Finden sich mehr als 3 Gramm Metall in einer Tonne Altglas, muss der Sortierprozess wiederholt werden. Denn nur das reine, farbgleiche Altglas kann eingeschmolzen und zu neuen Flaschen, Gläsern und Behältern von gleichbleibender Qualität geformt werden.
Wertstoffhöfe: Schließung und Besucheransturm
Die Zeit der Pandemie haben viele genutzt, um zu Hause auszumisten und etliche Dinge auf den Wertstoffhöfen zu entsorgen. An Spitzentagen wurden dort bis zu 700 BesucherInnen abgefertigt. Andererseits waren die Wertstoffhöfe zu Beginn der Pandemie auch einige Wochen geschlossen, um Kontakte zu beschränken und den Betrieb der Müllabfuhr jederzeit aufrechterhalten zu können. Mit 1.141 Tonnen fielen 2020 knapp 20 Tonnen weniger Sperrmüll an als 2019. Die Menge an gesammelten Wertstoffen, das sind Holz, Metall, Elektroschrott, Kühlschränke, mineralische Stoffe und Hartkunststoffe, ist dagegen um 54 Tonnen auf 3.164 Tonnen gestiegen.
Mehr Nachhaltigkeit
Natürlich sind die Dienste der EBK ebenso verdienstvoll wie unverzichtbar; nur wer sich einmal in einem jener wirtschaftlich und gesellschaftlich weniger entwickelten Länder dieses Planeten seinen Weg zwischen Haufen gärenden Mülls gebahnt hat und zusah, wie eine halb verhungerte Katze von feisten, an den allgegenwärtigen Abfällen wohlgenährten Ratten zu Tode gehetzt wurde, weiß eine geordnete Müllabfuhr aus ganzem Herzen zu schätzen.
Aber die Frage der auf hohem Niveau stagnierenden oder gar in vielen Teilen der Welt weiterhin wachsenden Müllmengen ist seit langem als eine für den Umweltschutz wichtige Frage erkannt. Trotzdem tut die bundesdeutsche Politik im Namen „unserer“ Wirtschaft herzlich wenig, um eine konsequente Müllvermeidung in die Wege zu leiten. Einwegkunststoffstrohhalme und Plastikgeschirr zurückzudrängen ist nicht falsch, aber eher ein Fliegenschiss im weiten Kosmos des Mülluniversums. Es käme darauf an, massenhaft Müll gar nicht erst entstehen zu lassen, und das scheinen viele Unternehmen zu fürchten wie der Teufel das Weihwasser.
Müll unter Palmen
Stattdessen wird ein Recycling propagiert, das nur zu oft ganz einfach im Verbrennen (wenn nicht Schlimmerem) besteht: Greenpeace hat etwa herausgefunden, dass „illegale Mülldeponien in Malaysia ein enormes Risiko für Umwelt und Gesundheit darstellen. Das zeigen die Auswertungen von Wasser- und Bodenproben, die ein internationales Team von Greenpeace an mehreren Standorten des Landes entnommen hat, an denen importierter Plastikabfall – unter anderem aus Deutschland – lagert.“ Das Problem mit all seinen Risiken wird gern bei den Armen weit weg „entsorgt“. Deutschland liegt nicht von ungefähr auf Platz 4 der großen Mülllieferanten und dürfte mehr als 15 Prozent seines Plastikmülls exportieren, vor allem nach Südostasien.[1] Das ist politisch wohl so gewollt oder wird zumindest nicht umgehend unterbunden. Aus den Augen, aus dem Sinn, schon schweigt das Ökogewissen wieder.
Wer aber an seinem individuellen Müllberg etwas ändern will, trinke sein Bier aus der Mehrwegflasche und das Mineralwasser gegen den Kater am nächsten Morgen ebenso. Für alle Fälle gibt es im Internet hier ein Abfall-ABC, in dem sich die korrekte Sortierung häufiger Müllsorten nachschlagen lässt. Damit lässt sich zumindest ein Teil des Restmülls vermeiden, auch wenn das noch lange nicht genügt, allen Eisbären zum Frühstück eine Robbe ohne Plastik- und Aludoseneinlage und eine ausreichend große Scholle unter ihrem ausladenden Arsch zu garantieren.
MM/red, Die Fakten in diesem Text stammen zumeist wortwörtlich aus einer Medienmitteilung der EBK, ohne dass diese Passagen jeweils als Zitate kenntlich gemacht werden; eine herkömmliche Zitierweise hätte den Lesefluss zu sehr gehemmt. (Bilder: Hans Braxmeier/Pixabay, O. Pugliese, Pete/Pixabay)
[1] Weitere Quellen:
https://www.greenpeace.de/plastikreport-malaysia-2020
https://www.spiegel.de/wirtschaft/greenpeace-studie-malaysia-wird-zur-deutschen-muellkippe-a-514cf9e0-2ca8-4939-87fa-729a8a20a610