Neues Rechtsgutachten zum Heilpraktiker-Beruf

Seit Jahren wird über die Seriosität der hierzulande tätigen HeilpraktikerInnen heftig diskutiert. Für die einen gilt diese Berufssparte als Sammelbecken für Scharlatane und verblendete Esoteriker. Andere wiederum wehren sich gegen diese aus ihrer Sicht unzulässigen Einschätzungen, hinter der sie diverse Lobbyverbände aus dem schulmedizinischen Lager vermuten. Ein neues Gutachten soll nun dazu führen, die Debatte zu versachlichen.

Der Beruf des Heilpraktikers ist ein deutscher Sonderweg. Nachdem in den letzten Jahren mehrere Patienten nach der Behandlung durch Heilpraktiker verstorben waren, ist die Diskussion um die gänzliche Abschaffung dieses Berufs oder eine Überarbeitung des veralteten Berufsrechts, das aus dem Jahr 1939 stammt, neu entflammt (vgl. MdEZW 12/2016, 466f). Verschiedenartige Auffassungen zum Gesundheits- und Krankheitsverständnis und über ein Dutzend Berufsverbände mit unterschiedlichen Standards und Qualitätskriterien erschweren die Übersicht. Vor kurzem hat nun das Bundesgesundheitsministerium ein Auftragsgutachten zur rechtlichen Situation der Heilpraktiker in Deutschland veröffentlicht.

Den über 300 Seiten umfassenden Text hat ein renommierter Fachanwalt für Medizinrecht systematisch gegliedert und durch ein ausführliches Inhaltsverzeichnis und ein differenziertes Stichwortverzeichnis gut erschließbar gemacht. Als Gegenüber zur wissenschaftlich begründeten Schulmedizin, die Ärzte anwenden, beschreibt der Gutachter die „Alternativheilkunde“, die von Heilpraktikern ausgeübt werde. Den Begriff Alternativmedizin vermeidet er, weil sie ja nicht wie die Medizin wissenschaftlich, sondern mit einem ganzheitlichen Blick auf die bio-psycho-soziale Person betrieben werde.

In seinem Gutachten spricht er sich für ein neues Heilpraktikerberufsgesetz aus. Nach der jetzigen Gesetzeslage werde die Bevölkerung nicht ausreichend vor Gesundheitsgefahren geschützt. Er schlägt einen neuen Heilpraktikerberuf mit staatlicher Ausbildung und Prüfung vor. Dadurch würden potenzielle PatientInnen vor Gesundheitsgefahren bewahrt, die mit der Ausübung von Alternativheilkunde verbunden seien.

Für eine gänzliche Abschaffung des Heilpraktikers in Deutschland, die manche Kritiker fordern, sieht der Gutachter derzeit keine ausreichende Rechtsgrundlage. Das würde einen massiven Eingriff in die Berufswahlfreiheit bedeuten, der nach seiner Ansicht nur gerechtfertigt wäre, wenn dies zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher Gefahren für die Gesundheit in Betracht käme. Diese Feststellung sei derzeit nicht möglich. Das kriminelle Verhalten Einzelner könne nicht die Abschaffung eines gesamten Berufsstandes rechtfertigen.

Das Bundesgesundheitsministerium möchte mit diesem Gutachten, das bisher in den Medien kaum beachtet wurde, eine öffentliche und ergebnisoffene Diskussion zum Heilpraktikerrecht anstoßen. In einem transparenten Meinungsbildungsprozess sollen alle betroffenen Kreise einbezogen werden. Bereits im Juni will das Bundesgesundheitsministerium in einen ersten fachlichen Austausch mit den für den Vollzug des Heilpraktikergesetzes zuständigen Ländern treten. Hoffentlich gelingt es dort, sowohl den notwendigen Patientenschutz als auch die kontrollierte Einbeziehung ganzheitlicher Methoden ausgewogen im Blick zu halten und im Berufsrecht zu verankern.

Dr. Michael Utsch (Bild: Bruno /Germany auf Pixabay)

Dieser Text erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe der EZW (Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen).


Das Rechtsgutachten zum Heilpraktikerrecht kann hier heruntergeladen werden.