Erfolgreicher Arbeitskampf: Mehr Geld und soziale Absicherung für K&U-Beschäftigte
Über den Abschluss eines neuen Entgelttarifvertrags für die Beschäftigten bei der Edeka-Bäckereikette K&U berichtete die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) vergangene Woche. Vom 1. August an steigen demnach Entgelte und Ausbildungsvergütungen um 2,3 Prozent, eine weitere Steigerung in gleicher Höhe erhalten die Beschäftigten zum 1. Januar 2022. Doch nicht in erster Linie deshalb ist das Ergebnis der Tarifrunde bemerkenswert.
Der mit einer für das Bäckereigewerbe seltenen Härte erkämpfte Abschluss kann vielmehr als Musterbeispiel dafür gelten, dass sich kollektive Gegenwehr lohnt, auch unter widrigen Umständen. Denn die Tarifauseinandersetzung fand vor dem Hintergrund von Zerschlagungsplänen statt. Edeka Südwest will die rund 800 Bäckerei-Filialen loswerden, weil sie angeblich zu wenig Profit in die Kassen spülen. Entweder, so die Absicht der Konzernzentrale, finden sich lokale Pächter bereit, die Betriebe zu unternehmen, oder sie werden dicht gemacht. Das Nachsehen hätten in beiden Szenarien die Arbeiterinnen und Angestellten: Ihnen drohen entweder tariflose Jobs und damit weniger Einkommen gepaart mit schlechteren Arbeitsbedingungen oder gleich der Verlust des Arbeitsplatzes.
Dass sich ausgerechnet die nicht eben arbeitskampfgestählten Beschäftigten der Bäckereikette von dem Damokles-Schwert drohender Jobverluste nicht ins Bockshorn jagen ließen, dürfte in der Chefetage einiges Erstaunen ausgelöst haben und letztlich mit ein Grund für das Einlenken gewesen sein.
Munition für den unerwartet schwungvollen Arbeitskampf mag nicht zuletzt der Rekordgewinn von 61 Milliarden Euro geliefert haben, den Edeka im Corona-Jahr 2020 erzielte. Die Empörung über Kapitaleigner:innen, die schlechtverdienende Verkäuferinnen mit Job- oder Lohnverlust drohen, und gleichzeitig satte Dividenden kassieren, war nicht nur in den betroffenen Bäckereien deutlich spürbar. Oft zum ersten Mal in ihrem Arbeitsleben jedenfalls gingen in den vergangenen Wochen Verkäuferinnen und Bäcker:innen an mehreren Orten im Südwesten auf die Straße, verteilten Gewerkschaftsflyer, sammelten Unterschriften für ihre Forderungen. Und zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte überhaupt traten wie etwa in Überlingen die überwiegend weiblichen Lohnabhängigen in den Warnstreik.
Das Ergebnis ihres Engagements kann sich durchaus sehen lassen. Das Magerangebot der Unternehmerseite – sie wollte das K&U-Personal 2020 mit 1 Prozent und im Jahr danach mit 1,2 Prozent abspeisen – ist im Arbeitskampf zerbröselt. „Nach sehr schwierigen Entgeltverhandlungen“, gibt die NGG zu Protokoll, „ist es am Mittwoch, 21. Juni 2021, in Offenburg gelungen, einen neuen Entgelttarifvertrag für die rund 3.000 Beschäftigten der K&U Bäckerei GmbH (Edeka Südwest) zu erzielen. Darüber hinaus wurde ein Interessenausgleich/Sozialplan durchgesetzt, der die Beschäftigten sozial absichert.“
Laut Alexander Münchow, NGG-Landesbezirkssekretär und in der aktuellen Tarifrunde gewerkschaftlicher Verhandlungsleiter, steigen zum 1. August 2021 die Entgelte und Ausbildungsvergütungen um 2,3 Prozent. Eine weitere Erhöhung um erneut 2,3 Prozent gibt es vom 1. Januar 2022 an. „Darüber hinaus wird mit der August-Abrechnung eine Corona-Prämie in Höhe von 350 Euro ausbezahlt. Teilzeitbeschäftigte erhalten diese anteilig. Auszubildende erhalten 175 Euro“, informiert Münchow, der darauf hinweist, dass die Beschäftigten in den vergangenen Monaten bedingt durch die Corona-Pandemie unter deutlich erschwerten Arbeitsbedingungen gearbeitet haben und daher eine Prämie mehr als verdient hätten.
Der Gewerkschafter ist zufrieden: „Die vielen Aktionen, Kundgebungen und vor allem die Warnstreiks im Mai haben dazu geführt, dass sich die Arbeitgeberseite und die NGG-Tarifkommission in Bezug auf die Entgelttarife doch noch auf einen Kompromiss verständigen konnten.“ Einen positiven Einfluss auf das Ergebnis habe auch Unterstützung aus Politik und Gesellschaft gehabt.
Nicht vom Tisch freilich sind die Zerschlagungs-Pläne des Lebensmittelkonzerns. Immerhin, berichtet der Gewerkschafter, haben es die NGG-Verhandler gemeinsam mit dem K&U-Gesamtbetriebsrat geschafft, die Lohnabhängigen über einen Sozialplan abzusichern. „Die Beschäftigten bleiben auch nach Übernahme der Filialen durch einen tariflosen Einzelhändler in den sicheren Händen unserer NGG-Tarifverträge.“ Über die Tarifbindung hinaus habe man Edeka Südwest zudem ein „komplexes Sozialpaket“ abgetrotzt. Münchow zufolge umfasst es unter anderem einen betriebsbedingten Kündigungsschutz von drei Jahren, eine Wechselprämie von 500 Euro und faire Abfindungsregelungen für Beschäftigte, die nicht zu einem Einzelhändler überwechseln können.
„Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren“: Die Richtigkeit dieser simplen Weisheit hat sich in der aktuellen K&U-Auseinandersetzung einmal mehr bestätigt. Es ist zu hoffen, dass Kolleginnen und Kollegen sie branchenübergreifend in den kommenden Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit öfters beherzigen. Denn die drohen in Post-Pandemie-Zeiten hart zu werden.
jüg (Bild: NGG Südwest)