Fair statt prekär

20120323-213539.jpgGestern war Gleichbezahltag. Haben Sie etwas bemerkt? Auf der Konstanzer Marktstätte immerhin waren Frauen der ver.di-Gewerkschaft unterwegs, um über die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern in Deutschland zu informieren. Der Equal Pay Day fällt jedes Jahr auf einen anderen Kalendertag. Und auch das hat etwas mit den Einkommensunterschieden hierzulande zu tun.

Wussten Sie, dass der Entgeltunterschied zwischen Frauen und Männern in Deutschland bei 23 Prozent liegt, in Baden-Württemberg sogar bei 28 Prozent, in Europa bei 17 Prozent? Der Equal Pay Day (Gleichbezahltag) findet statt an dem Tag, bis zu dem Frauen nach Ablauf eines Jahres länger arbeiten müssten, um das durchschnittliche Vorjahresgehalt von Männern zu erreichen. Für das Jahr 2011 war das der gestrige 23. März 2012.

Wussten Sie, dass Frauen weniger verdienen, weil sie Frauenarbeiten verrichten, und Frauenarbeiten geringer bezahlt werden, weil sie von Frauen ausgeübt werden?

Wussten Sie, dass seit 1957 in Europa der Grundsatz gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit gilt? Seither verstößt Deutschland gegen diesen Artikel 141 des EG-Vertrages. Und obwohl Deutschland sich 1997 sogar ausdrücklich verpflichtet hat, Entgeltgleichheit herzustellen, klafft die Schere zwischen Männern und Frauen eher noch weiter auf: Bei den Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen trägt Deutschland in Europa die rote Laterne als Schlusslicht.

Wussten Sie, dass Akademikerinnen im Schnitt 21,5 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen? Das teilte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung aktuell mit.

Wussten Sie, dass Berufsanfängerinnen lediglich 2 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen, der so genannte Gender Pay Gap bei den 35- bis 39-Jährigen aber bereits bei durchschnittlich 21 Prozent liegt? Grund dafür seien die in Deutschland so verfestigten Rollenstereotypen, wonach Frauen als Hauptverantwortliche für Haus- und Familienarbeit und lediglich als „Hinzuverdienerinnen“ gesehen werden. Zudem seien die Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder und Schüler immer noch unzureichend, was Frauen eine Existenz sichernde Vollzeitbeschäftigung erschwert, so Dagmar Bischof, Präsidentin der Business and Professional Women (BPW) Germany.

Wussten Sie, dass 45,3 Prozent der Frauen in Deutschland teilzeitbeschäftigt sind, aber nur 8,5 Prozent der Männer? Und dass deshalb auch die durchschnittliche Rente der Frauen bei 650 Euro liegt, bei Männern aber doppelt so hoch ist?

Wussten Sie, dass 58 Prozent der prekär Beschäftigten im Dienstleistungsbereich Frauen sind? Deshalb auch die Gewerkschaftsforderung: Fair statt prekär.

Darüber und über vieles mehr kamen die ver.di-Frauen nicht nur mit Geschlechtsgenossinnen auf der Marktstätte ins Gespräch. Allerdings war der Einkaufsdrang bei vielen Frauen größer als die Diskussionsbreitschaft. Oder lag es einfach daran, dass die alleinerziehende, berufstätige Mutter noch etwas einkaufen musste, um den Abendbrottisch zu bestücken?

Autor: hpk