Wolfram Wette: Woher kommt die Kraft zum Widerstand? (Teil 1)

Anlässlich der Ausstellung „Temporary Setup 1-6“ von Stefanie Höll – deren Großvater unter anderem 1937 in Freiburg als NS-Funktionär bereitwillig „entartete Kunst“ aussortierte – hielt der Militärhistoriker und Friedensforscher Wolfram Wette in Waldkirch den Vortrag „Woher kommt die Kraft zum Widerstand?“. Dass es selbst in der terroristischen NS-Diktatur und in der Gewaltmaschinerie der Wehrmacht Handlungsspielräume gab, aus denen sich extrem unterschiedliche Verhaltensweisen ergaben, zeigte Wette in seinem Vortrag, den wir hier ungekürzt in zwei Teilen veröffentlichen, anhand von Beispielen auf.

Warum gibt es zur Kunstausstellung den Vortrag eines Historikers?

Keine Sorge, meine Damen und Herren! Ich bin nicht unter die Kunstsachverständigen gegangen. Ich bin immer noch der Schuster, der bei seinen Leisten bleibt, also ein Historiker mit einem Schwerpunkt auf der deutschen Militärgeschichte. Es liegt auf der Hand, dass Sie sich fragen: Was hat das mit dieser Kunstausstellung zu tun?
In einer Vorbemerkung möchte ich Ihnen erzählen, wie es dazu kam: Über die Jahre hinweg hörte ich von Stephanie Höll immer mal wieder, dass sie sich sehr für meine historischen Forschungen interessierte, gerade auch für die über Litauen im Zweiten Weltkrieg. Im Vorfeld ihrer Ausstellung fragte sie bei mir an, ob ich bereit sei, im Begleitprogramm einen Vortrag zu halten, etwa über das Thema „Haltung“. Das sprach mich unmittelbar an. Denn ich stellte mir sogleich vor, dass man entlang dieses Begriffes unterschiedliche Haltungen würde schildern können, die von Deutschen in der Nazi-Zeit eingenommen wurden. Das konnte sogar gleichsam hautnah geschehen mit der Beleuchtung der Haltungen von Menschen, die in Waldkirch und im Elztal gut bekannt sind.

Mitschnitt des Vortrags, den Wolfram Wette am 27. Juni 2021 im Georg-Scholz-Haus in Waldkirch hielt. Dies Haus ist nach einem Mann benannt, der sich nicht anpasste: 1933 stuften die Nazis die Arbeiten des Malers Georg Scholz als „entartet“ ein und beraubten ihn seiner Professur an der Badischen Landeskunstschule in Karlsruhe.


Ich denke – erstens – an den aus Waldkirch stammenden SS-Standartenführer Karl Jäger, zweitens an den Freiburger Künstler Werner Höll, den Großvater von Stefanie Höll, der ein opportunistischer und aktiver Mitläufer war und der 1937 in Freiburg als NS-Funktionär „entartete Kunst“ aussortierte [1], und drittens an den Wehrmacht-Oberleutnant Heinz Drossel, der seinen Lebensabend in Simonswald verbrachte und uns als Judenretter bekannt geworden ist, als ein Mann des „aktiven Anstands“, um ein Wort des deutsch-amerikanischen Historikers Fritz Stern zu benutzen. Diese drei Männer decken ein breites Spektrum von möglichen Verhaltensweisen in der Zeit der Nazi-Herrschaft ab. Ihre unterschiedlichen „Haltungen“ lassen erkennen, dass es selbst in der terroristischen NS-Diktatur und in der Gewaltmaschinerie der Wehrmacht Handlungsspielräume gegeben hat. Aus den unterschiedlichen Haltungen ergaben sich extrem unterschiedliche Verhaltensweisen.

Traumata einer Kriegsenkelin

Zunächst möchte ich jedoch versuchen, die Arbeit der Künstlerin Stefanie Höll zu würdigen, indem ich sie in den Kontext der gesellschaftlichen Aufgabe von Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit stelle und damit unserer demokratischen Erinnerungskultur. Mit ihrer Ausstellung bietet die Künstlerin einen Kontrapunkt zum Verhalten jeder Menschen, die eine Auseinandersetzung mit der NS-Zeit ablehnen, was nicht selten mit der angstbesetzten Behauptung begründet wird: „Hier war doch nichts!“[2]. Im Hinblick auf ihren Großvater sagt sie nämlich: „Im meiner Familie war doch was!“, und das muss ans Tageslicht. Wir haben hier übrigens eine Parallele zum Kriegsenkel Heinz Jäger, der ebenso denkt. Stephanie Höll spürte, dass Unausgesprochenes und Unbekanntes auf der Familie lastete. Sie hat sich dieses Problem nicht ausgesucht, sondern es war ohne ihr Zutun da. Die Psychologen sprechen von einem intergenerationellen Trauma. Sie hat sich jahrzehntelang mit der NS-Vergangenheit ihres Großvaters herumgeplagt. In den letzten drei Jahren hat sie intensiv an dieser Ausstellung gearbeitet. Die gemalten, geschriebenen und fotografierten Exponate stellen das Ergebnis dieser Auseinandersetzung mit ihrer Familiengeschichte dar.
In der KZ-Gedenkstätte Neuengamme bei Hamburg und anderswo gibt es Seminare, in denen Kriegsenkel historische Familienforschung lernen können [3]. Aber auch im Hinblick auf die künstlerische Form der Auseinandersetzung mit dem Nazi-Großvater ist Stephanie Höll nicht die Einzige, die diesen Weg gewählt hat. Darauf hat mich die Kunsthistorikerin Mirl Redmann hingewiesen [4]. Aber sie ist gleichwohl eine der Wenigen, die sich an der überkommenen Last mit künstlerischen Mitteln abgearbeitet haben. Ich möchte ihr bei dieser Gelegenheit sagen: Diese spezifische Erinnerungsarbeit verdient unseren großen Respekt!

Aufmerksam machen möchte ich auf unsere Gewohnheit, wie selbstverständlich wir von der Kriegsgeneration sprechen, von der Nachkriegsgeneration, von den Kriegskindern und von den Kriegsenkeln. Ob demnächst auch von den Kriegsurenkeln die Rede sein wird, muss sich noch zeigen. Ich schließe es jedenfalls nicht aus. Denn einen Schlussstrich wird es nicht geben! Wir beziehen uns in unserer Zeiteinteilung also stets auf das extrem destruktive Großereignis Zweiter Weltkrieg, der auch die machtpolitischen Voraussetzungen für die Ermordung der europäischen Juden schuf. Es gibt, wie Sie sicher wissen, eine reichhaltige autobiographische und wissenschaftliche Literatur über Kriegskinder und Kriegsenkel. Sie kreist um die Bearbeitung von Traumata, die aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges herrühren [5].

Ist die Enkelin ein NS-Opfer oder eine „unschuldig Beladene“?

Ist die Enkelin ein Opfer des Nationalsozialismus? Der Opferbegriff wurde und wird in Deutschland bekanntlich inflationär verwendet. Wer sich als Opfer sieht, hofft, dem Stigma der Täterschaft oder der schuldhaften Mitläuferschaft entgehen zu können. Ohne Mitläufer keine Täter! Nach Kriegsende 1945 fühlte sich das Täter-Volk der Deutschen großenteils als ein Volk von Opfern des Krieges. Fraglos hatten auch die Deutschen viel zu erleiden, besonders in der zweiten Kriegsphase, als die von ihnen entfesselte Gewalt gegen sie zurückschlug. Wer jedoch in der Lage war, Ursachen und Folgen zu unterscheiden, konnte an der Trostformel „Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ [6] keinen Gefallen finden. Diese Formel wurde übrigens schon nach dem Ersten Weltkrieg vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Umlauf gebracht. Sie hört sich ausgewogen an, hat aber einen fehlerhaften Kern: Denn sie missachtet die Chronologie, ebnet die Schuldfragen ein und macht alle gleich, die durchaus ungleich waren.

Die Kriegsenkelin Stephanie Höll hatte unter der Last zu leiden, dass ihr Großvater ein opportunistischer Mitläufer der Nazi-Diktatur war und dass er nicht die positive, widerständige „Haltung“ zeigte, die sich die Enkelin gewünscht hätte, ganz im Sinne des Buches von Harald Welzer u.a.: „Opa war kein Nazi“ [7]. Großvater Werner Höll hinterließ durch seinen Mangel an humaner Haltung und seine Mittäterschaft eine Last, die in der Familie Höll als eine diffuse Mitschuld empfunden wurde. Der jüdische Schriftsteller Ralph Giordano, mit dem ich befreundet war, durchschaute diese Problematik ganz genau. Daher widmete er sein bekanntes Buch „Die zweite Schuld. Von der Last Deutscher zu sein“ (1987) „den schuldlos beladenen Söhnen, Töchtern, Enkelinnen und Enkeln“ [8]. Sie tragen weder eine moralische noch eine juristische oder gar politische Schuld für das Tun und Lassen ihrer Altvorderen. Daher ist auch niemand berechtig, sie in eine Art Sippenhaft zunehmen [9]. Aber ihnen wurde eine Last aufgebürdet. Ich denke, die künstlerische Auseinandersetzung von Stephanie Höll mit ihrem Großvater ist korrekt definiert als die Erinnerungsarbeit einer „schuldlos Beladenen“.

Werner Höll, ein nationalsozialistischer Kunstfunktionär

Wer so blauäugig war oder ist, zu glauben, Kunst und Politik hätten nichts miteinander zu tun, weil die Kunst das Schöne und Gute verkörpere und es in der Politik um den rauhen Kampf der Interessen gehe, der kann am Beispiel des Werner Höll Einiges dazulernen. Höll war ein Nazi-Kunstfunktionär, der nicht nur nazi-konforme Bilder malte und in Nazi-Blättern entsprechende Artikel publizierte [10], sondern sich auch aktiv in der Rolle eines NS-Funktionärs an der Aussonderung von Bildern beteiligte, die er als „entartet“ einstufte [11]. Höll war auch ein Verwandlungskünstler, der nach 1945 auf einen jetzt opportunen Weg umschaltete, abstrakt malte und verkaufte und dafür unter der Demokratie Ehrungen einheimste.

Mit seiner NS-Nähe stand der Künstler Werner Höll nicht alleine da. Generell lässt sich sagen: Die meisten deutschen Künstler – nicht aber Georg Scholz und seine Gesinnungsgenossen – passten sich im Nationalsozialismus an: Die Maler, die Komponisten, die Musiker, die Theaterleute. Sie ließen die vom NS-Staat betriebene Ausgrenzung „undeutscher“ Kunst geschehen, die als „jüdisch-bolschewistisch“ verunglimpft wurde [12]. Sie beteiligten sich gar aktiv an der Ausgrenzung – so wie Werner Höll –, und sie profitierten von den frei werdenden Stellen.

Weil mein Vater zur Zunft der Komponisten und Musikpädagogen gehörte und ebenfalls ein Mitläufer Hitlers war, habe ich mich mit der Musik im Dritten Reich näher beschäftigt. Auch hier fand eine systematische Ausgrenzung alles „Undeutschen“ statt, sofern die Funktionäre in der Lage waren, das Eine vom Anderen zu unterscheiden. Fakt ist, dass 54 Komponisten, die als „entartet“ galten, von den Nazis ermordet wurden und dass eine vielfache Zahl von Komponisten ins Ausland vertrieben wurde.

Derzeit findet in unserem Lande eine breite Diskussion über Politik und Kunst statt, die sich mit den „braunen“ Flecken in der Geschichte der renommierten Kasseler Documenta befasst. Sie stilisierte sich seit ihrem Gründungsjahr 1955 als „Gegenschau“ zur berüchtigten Ausstellung „Entartete Kunst“ von 1937 [13]. Jetzt wurde die Nazi-Vergangenheit etlicher ihrer Macher entdeckt. Mirl Redmann hat sich hier mit ihren historischen Recherchen verdient gemacht. Viele waren überrascht, ich nicht.

Kriegsschauplatz Litauen 1941

Wie es der Zufall will, finden wir die eingangs erwähnten drei Männer – Jäger, Höll, Drossel – im Sommer 1941 allesamt in Litauen. Das kleine baltische Land wurde schon wenige Tage nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 von Truppen der deutschen Wehrmacht erobert [14]. In den nächsten Wochen etablierte sich eine deutsche Besatzungsverwaltung. SS-Standartenführer Karl Jäger traf mit seinem Einsatzkommando 3 in der damaligen Hauptstadt Kaunas ein und bereitete sich darauf vor, das Land „judenrein“ zu machen, wie er es ausdrückte. Im Juli 1941 übernahm er auch in der Stadt Wilna die sogenannte „sicherheitspolitische Verantwortung“. Der kleine Ort Paneriai (jiddisch: Ponary) in der unmittelbaren Nähe Wilnas wurde zum Schauplatz von Massenmorden [15].
Bereits im Jahre 1989 stieß ich bei meinen Archivstudien zum Fall Jäger [16] in der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg (heute eine Dienststelle des Bundesarchivs) auf einen Hauptmann Werner Höll aus Freiburg, der sich als Chef einer Kraftwagen-Kolonne zusammen mit seinen Soldaten in unmittelbarer Nähe des Erschießungsorts Ponary aufhielt [17].
Derweil erlebte Leutnant Heinz Drossel in der Stadt Dagda an der litauisch-lettischen Grenze ein von der SS durchgeführtes Judenmassaker. Drossel war entsetzt und kündigte dem Nazi-Staat, dem er zuvor schon kritisch gegenüber gestanden hatte, endgültig die Loyalität auf. Er wurde zum Judenretter.

Hauptmann Werner Höll in der Mordstätte Paneriai

In den Ludwigsburger Akten zum Fall Jäger findet sich das Vernehmungsprotokoll eines Feldwebels namens Paul Schmid. Der verheiratete Oberlehrer aus Konstanz hatte seine Jugend in Freiburg verlebt und kannte Werner Höll. Schmid sagte aus, dass er im Juli 1941 in der Nähe von Wilna von Judenexekutionen hörte, dann einer Judenkolonne gefolgt sei und Augenzeuge von Erschießungen geworden sei [18]. Schmid erinnerte sich auch daran, dass zu dieser Zeit eine Kraftwagen-Kolonne der 96. Infanterie-Division in Paneriai anwesend gewesen sei, zu der Hauptmann Höll und sein Fahrer Paul Graf, Bauunternehmer aus Singen/Hohentwiel, gehörte. Der Zeuge wusste, dass Höll Kunstmaler war, aus Freiburg kam, und dass seine Frau bei der AOK Freiburg beschäftigt war.
Etliche Wehrmachtsoldaten wurden in Ponary Augenzeugen der Erschießungen, Sie fotografierten auch [19]. Ein Zeuge namens Fritz Hamann glaubte auf einem der Fotos Karl Jäger zu erkennen, der in Paneriai an der Erschießung älterer Juden beteiligt gewesen sei [20]. Ein Oberleutnant namens Friedrich Moser, Gastwirt aus Stockach, gehörte ebenfalls zu einer der KW-Kolonnen, die Teil des Divisionsnachschubs der 96. Infanterie-Division waren. Er bestätigte, dass sich Hauptmann Höll mit seiner Kolonne in Paneriai befand. Nach dem Besuch der Exekutionsstätte habe er mit Hauptmann Höll über die Erschießungen gesprochen [21]. Ein anderer Soldat, der Maler Axel Pflüger, wusste zu berichten, dass die Einheit von Hauptmann Höll im Juli 1941 „am Waldrand von Paneriai Rast gemacht“ habe, wo er selbst, Pflüger, die Erschießung von 2 mal 400 Juden aus nächster Nähe mit angesehen habe [22].  Die Soldaten der am Waldrand von Ponary abgestellten Kraftfahr-Kolonnen erhielten den Befehl, sich nicht mehr an den Erschießungsstätten aufzuhalten [23].
Genauere Informationen sind diesem Quellenbestand nicht zu entnehmen. Spekulationen führen nicht weiter. Näheres ist noch nicht erforscht. So lässt sich lediglich sagen, dass Höll und seine Soldaten in Paneriai mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Augenzeugen von Massenerschießungen wurden. Sie waren also authentische Mitwisser des Mordgeschehens, so wie viele der „ganz normalen Männer“ aus Wehrmacht, SS und ziviler Besatzungsverwaltung.

Die ganz normalen Männer

Um den historischen Proportionen zu ihrem Recht zu verhelfen, möchte ich einen Blick auf diese „ganz normalen Männer“ (die Formulierung stammt von dem amerikanischen Historiker Christopher Browning) werfen, also die Millionen von deutschen Soldaten und Polizisten, die auch unter den Bedingungen des Vernichtungskrieges gehorsam blieben und die sich im Zweifelsfall auch an der Ermordung hilfloser Menschen beteiligten. An ihre Adresse gehen die folgenden Fragen: Konnten diese Männer in den Uniformen des NS-Staates denn nicht erkennen, welche Handlungsspielräume ihnen bei einer Portion Mut zur Verfügung standen? Fürchteten sie schwere Strafen für eine Gehorsamsverweigerung und sahen daher in der Anpassung die adäquateste Überlebensstrategie? Hatten sie Angst vor dem Spott der Kameraden? [24] Waren sie aus solchen Gründen gleichsam zur Handlungsunfähigkeit verdammt und daher gar nicht in der Lage, sich zu verweigern? Oder war es nochmals ganz anders herum: Stellte sich für die gehorsamen Soldaten und Polizisten die Frage nach eigenem Handlungsspielraum gar nicht? Standen sie dem rassenideologisch motivierten Vernichtungskrieg womöglich zustimmend gegenüber, aus eigener Überzeugung? Tatsächlich wissen wir längst, dass die meisten Deutschen jener Zeit nur allzu bereit waren, mit dem Strom zu schwimmen und dabei auch elementare Grundsätze der Humanität zu opfern. Die Widerständigen bewegen sich im Promille-Bereich. Umso wichtiger ist, sich im Rückblick mit jenen Menschen zu beschäftigten, welche die Kraft hatten, gegen den Strom zu schwimmen, was nicht selten bedeutete, das eigene Leben zu riskieren.

Vortrag von Professor Dr. phil. Wolfram Wette zur Ausstellung „Temporary Setup“ von Stefanie Höll am Sonntag, 27. Juni 2021 im Georg-Scholz-Haus, Waldkirch, Teil 1

Wolfram Wette, * 1940, Prof. Dr. phil., Historiker, Friedensforscher und freier Autor, 1971-1995 am Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg i.Br. tätig, seit 1998 apl. Professor an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie Ehrenprofessor der russischen Universität Lipezk, ist ein namhafter, kritischer Militärhistoriker; zahlreiche Veröffentlichungen u.a. zur Geschichte des Militarismus und Pazifismus in Deutschland, über den Reichswehrminister Gustav Noske, zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust in Litauen sowie zur Militärgeschichte von unten. Seine Bücher zur Wehrmacht und zum Militarismus in Deutschland sind Standardwerke. Eine Rezension zu seinem Buch „Ernstfall Frieden“ veröffentlichte Seemoz hier.

Anmerkungen:
[1] Siehe den wikipedia-Eintrag: https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Höll, sowie die Abhandlung von Jakobi
[2] Wolfram Wette (Hrsg,): „Hier war doch nichts!“ Waldkirch im Nationalsozialismus. Mit einem Geleitwort von Roman Götzmann. In Verbindung mit der Stadt Waldkirch und der Ideenwerkstatt Waldkirch in der NS-Zeit. Bremen, Donat 2020 (= Waldkircher Stadtgeschichte, Bd. 5)
[3] Siehe die DVD von Jürgen Kinter/Oliver v. Wrochem: Nationalsozialistische Täterschaft in der eigenen Familie. Herausgegeben von: KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Hamburg 2016.
[4] Siehe die Hinweise von Mirl Redmann, die auch zu den NS-Biografien der documenta-GründerInnen forschte (https://documenta-studien.de/media/1/documenta_studien_9_Mirl_Redmann.pdf) an mich.
[5] Lit. zu Kriegskinder in: https://de.wikipedia.org/wiki/Kriegsenkel. Zu beachten sind besonders die Bücher von Sabine Bode und Matthias Lohre.
[6] Vgl. Alexandra Kaiser: Von Helden und Opfern. Eine Geschichte des Volkstrauertags, Frankfurt/M., New York 2010; Bernd Ulrich, Christian Fuhrmeister, Manfred Hettling, Wolfgang Kruse: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Entwicklungslinien und Probleme. Berlin-Brandenburg 2019.
[7] Das ist die Kernaussage des Buches von Harald Welzer et al.: Opa war kein Nazi.
[8] Ralph Giordano: Die zweite Schuld. Von der Last Deutscher zu sein, Hamburg 1987
[9] Johannes Salzig: Die Sippenhaft als Repressionsmaßnahme des nationalsozialistischen Regimes. Ideologische Grundlagen – Umsetzung – Wirkung, München 2015.
[10] Zur Rolle Hölls in der nationalsozialistischen Kunstpolitik in Baden siehe die quellengesättigte Abhandlung von Walter Jacobi: Bildersturm in der Provinz. Die NS-Aktion „Entartete Kunst“ 1937 in Südbaden, Freiburg i. Br. 1966; zu Werner Höll ebda., S. 24 ff.
[11] Zur Vita siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_Höll
[12] Siehe den Eintrag „Kulturbolschewismus“ in: https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturbolschewismus
[13] Ingo Arendt: Geschichte der documenta: Aus dem mythischen Dunkel. Eine Ausstellung in Kassel und ein Symposium in Berlin erforschen die Geschichte der documenta. Einige Spuren führen in die NS-Vergangenheit. In: taz, 7.1.2020; siehe auch das SZ-Spezial: Documenta. Politik und Kunst. Eine eigene Welt. In: Süddeutsche Zeitung Nr. 135, 16.6.2021
[14] Zum historischen Kontext: Zwei Tage nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, am 24. Juni 1941, besetzte die Wehrmacht Wilna. Zu dieser Zeit lebten dort 57 000 Juden. 3000 konnten noch vor der Einnahme der Stadt ins sowjetische Landesinnere entkommen. Die Deutschen erließen sofort antijüdische Verordnungen. Im Juli 1941 trieb das Einsatzkommando 9 mit Unterstützung litauischer freiwilliger Kollaborateure 5000 jüdische Männer aus den Straßen und Häusern zusammen und brachte sie nach Ponary. Dort wurden sie ermordet. Siehe den Artikel „Wilna“ in: Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, Bd. III, München, Zürich 2. Aufl. 1998, S. 1599.
[15] Das Einsatzkommando 3 unter SS-Standartenführer Karl Jäger traf am 2. Juli 1941 in Kaunas ein und übernahm dort die sicherheitspolitische Gewalt (Wette, Jäger, S. 89). Erst später geschah dies auch in Wilna. Die Morde, die Hauptmann d.R. Werner Höll und andere Wehrmachtsoldaten im Juli 1941 in Wilna miterlebten, wurden demzufolge vom EK 9 durchgeführt, nicht vom EK 3. Laut Jäger-Bericht begannen die vom EK 3 zu verantwortenden Morde in Wilna am 12.8 1941. Siehe Jäger-Bericht vom 1.12.1941, Blatt 5. Faksimile in Wette, Jäger, Anhang.
[16] Akten zum Fall Jäger in: Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen Ludwigsburg. 5 AR-Z 14/1958. Beschuldigter: Jäger. Karl. Bd. III (Bl. 1001-1500).
[17] Ich zitiere aus meinen handschriftlichen Aufzeichnungen vom 18.9.1989 in Ludwigsburg.
[18] Wie Anm. 1, Bl. 1191 und 1199.
[19] Ebda., Bl. 1249 und 1275.
[20] Ebda., Bl. 1277.
[21] Ebda., Bl. 1285-1287.
[22] Ebda., Bd. IV, Bl. 1675-1695, besonders 1618.
[23] Ebda., Bd. III, Bl. 1286.
[24] Zu den Motiven der Täter siehe Christopher R. Browning: Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die „Endlösung“ in Polen (1992), Reinbek 6. Aufl. 2011.