„Wir brauchen jede Wohnung!“

Fahrraddemo gegen WohnraumleerstandAm vergangenen Samstag fand in Konstanz die zweite Fahrraddemo gegen Wohnraumleerstand statt. Ziel der Aktion auf zwei, teils drei Rädern war es, auf die bestehenden Leerstände in Konstanz aufmerksam zu machen und durch die Präsenz vor Ort und das öffentliche Anprangern Druck auf die Verantwortlichen zu erzeugen. Denn, wie eine Rednerin die Situation in Konstanz pointiert zusammenfasste: „Wir brauchen jede Wohnung!“

Zum zweiten Mal wies das „Aktionsbündnis gegen Immobilienspekulation, Mietwucher und Wohnraumleerstand“, auf die bestehenden Leerstände in Konstanz hin, die ihren Teil zur hiesigen Wohnungsnot und den hohen Wohnkosten beitragen. Häuser, Stadtwillen und ganze Wohnanlagen stehen teils schon seit Jahren und Jahrzehnten leer. Die Gebäude verkommen, ihre Gärten verwildern, ihre Fassaden bröckeln. Aber nicht nur das: Durch den Leerstand zerfällt ihre Substanz und macht eine zukünftige Bewohnung wenn nicht unmöglich, ist aber dann doch mit einem hohen Aufwand an Renovierungskosten verbunden. In manchen Fällen wie beispielsweise in der Markgrafenstraße 10 bedrohen Wasserschäden selbst noch die benachbarten Gebäude.

Leerstände finden sich in Konstanz zuhauf, es konnten nur einige wenige angefahren werden: Neben der prominenten, sogenannten Nissenbaum-Villa im Musikerviertel wurde unter anderem das ehemalige Gebäude der Landeszentralbank an der Unteren Laube und die Wohnungen der Bima (Bundesanstalt für Immobilienaufgaben) in der Steinstraße besucht. Wie bei der ersten Raddemo wurden in kurzen Beiträgen die Hintergründe des jeweiligen Leerstands erklärt.

Das Schärfen stumpfer Schwerter

Leerstand führe in einer Stadt, in der eh schon Wohnungsnot herrscht, zu noch höheren Mieten, wie FGL-Rätin Anne Mühlhäußer in ihrem Redebeitrag anmahnte. Wohnen dürfe aber kein Objekt des Marktes und Gewinnstrebens sein, sondern sei ein Grundbedürfnis, das allen Menschen zur Verfügung stehen müsse. Wenn mitunter mehr als 50 Prozent des Einkommens für Mieten aufgewendet werden müssten, wäre dies eine unhaltbare Situation, die dringender Abhilfe bedürfe. Auch Zweit- und Ferienwohnungen entzögen der Stadt Wohnraum, da sie ja nur zu einem Bruchteil des Jahres bewohnt würden.

Winfried Kropp vom Mieterbund verwies wie bereits Anne Mühlhäußer auf das stumpfe Schwert der städtischen Zweckentfremdungsverordnung, der sich die EigenümerInnen leider nur allzu leicht entziehen könnten. Auch wenn also die Verwaltung durchaus schon versuche, dem Leerstand entgegen zu wirken, liefen deren Mühen oftmals ins Leere. Von luftigen Bauplänen bis hin zu fingierten Vermietungen reicht dabei die Palette kreativen Verzögerns. Laut dem Mieterbund müsste die Antwort sein, die gesetzlichen Regelungen auf den verschiedenen politischen Ebenen zu ändern, um so das kommunale Eingreifen zu erleichtern und den ImmobilienbesitzerInnen genug Anreize zu bieten, die Leerstände in bestenfalls bezahlbare Wohnräume zu überführen. Es bedürfe einer Rechtsgrundlage des Bundeslandes, zum Beispiel in Form der Bauordnung oder von Baugeboten, die es Kommunen ermöglichen, gegen Verzögerungen wirksam vorzugehen.

Sibylle Röth, Kreisrätin der LINKEN, nahm sich der spezifischen Situation in der Erstaufnahmeunterkunft für Geflüchtete in der Steinstraße an. Zwar wäre aufgrund des baulichen Zustands der Abriss und Neubau angebracht, die Unterbringung und Versorgung der Menschen müsse aber gewährleistet werden. Die Fortführung des bestehenden Kindergartens dürfe nicht an den unklaren Zuständigkeiten und etwaigen Befindlichkeiten scheitern. Letztlich zeige sich an den leeren Wohnungen in der Steinstraße, dass die Verteilungskämpfe um Wohnungen zwischen geflüchteten Personen und Menschen mit geringem Einkommen hausgemacht seien: Es gäbe Wohnraum, dieser müsse nur verteilt und zugänglich gemacht werden. Winfried Kropp ergänzte, dass zwar die bauliche Substanz der Bima-Wohnungen mangelhaft und daher ein Neubau sinnvoll sei. Gleichsam kritisierte er aber, dass die Leerstände unnötig wären und sich mit Hilfe befristeter Vermietungen und anschließenden Angeboten von Ersatzwohnungen vermeiden ließen.

Aussichten, Aufgaben und Allianzen

Das Aktionsbündnis selbst wurde neben Fridays For Future Konstanz und der hiesigen Freien Grünen Liste auch um den Mieterbund Bodensee e.V. vergrößert, der sich schon lange Zeit im Interesse der MieterInnen engagiert. Es macht Hoffnung, das Bündnis wachsen zu sehen.

Auch wenn sich die Wege im Einzelnen unterscheiden mögen, so ist doch das gemeinsame Ziel der beteiligten Gruppen im Bündnis, Leerstände deutlich zu machen und bezahlbaren Wohnraum zu fordern. Unter den Themen „Wohnraum“ und „lebenswerte Stadt“ lassen sich demnach Anliegen eines breiten Spektrums gesellschaftlicher Akteure und Gruppen verbinden, die sich gemeinsamen um eine echte sozial-ökologische Wende bemühen.

Allgemein wurde diese zweite RadlerInnendemo gegen Leerstand als gelungen bezeichnet. Eine dritte kann also folgen.

Text und Bilder: Tobias Braun