„Gagenskandal“: Wenn Ethik zur Farce wird

Das Honorar, das Tobias Engelsing für seine Mitwirkung bei den Fasnachtskonzerten der Philharmonie erhalten hat, sorgt für Diskussionen und beschäftigt auch den Konstanzer Gemeinderat. Hinter diversen Nachfragen und Vermutungen versteckt sich aber etwas ganz anderes: Vor allem OB Horst Frank, eine Handvoll grüner Helferlein und auch die Südkurier-Chefetage fühlen die Zeit gekommen, Engelsing ans Bein zu tröpfeln. Denn mehr ist es nicht.

Die Fakten sind schnell aufgezählt: Seit vier Jahren bieten Tobias Engelsing, hauptberuflich städtischer Museumsleiter, und Florian Riem, hauptberuflich Intendant der Südwestdeutschen Philharmonie, ein kabarettistisches Musiktheater zur Fasnachtszeit. Eine echte Alternative zur muffig-provinziellen Konstanzer Fernsehfasnacht, die aus unerfindlichen Gründen Jahr für Jahr in qualvoller Länge vom SWR übertragen wird. Obwohl die Einschaltquoten gewaltig in den Keller rasselten und die Kritik an den Darbietungen verheerender kaum sein kann, will der Sender an der schmerzensgeldpflichtigen Ausstrahlung festhalten.

Die Kooperation Riem/Engelsing hingegen klappte von Anfang an bestens, die Konzerte waren rasch ausverkauft und entwickelten sich zum Highlight der Konstanzer Fasnacht. Nach Abzug aller Kosten konnten die Veranstalter für 2012 sogar ein finanzielles Plus in fünfstelliger Höhe verbuchen. Somit könnte man eigentlich entspannt und zufrieden zur Tagesordnung übergehen. Aber wie fast immer in Konstanz, gesellen sich zum Erfolg gerne Neider und in diesem Fall kann man sie und ihre wirklichen Motive auch klar benennen.

Engelsing bekam für sein diesjähriges Engagement – unter anderem Erstellung der Texte und Spielszenen, Drehbuch der Veranstaltung, Zusammenstellung der musikalischen Inhalte, Proben – ein branchenübliches Honorar von 10 000 Euro. Das rief einige StadträtInnen auf den Plan. Peter Müller-Neff (FGL) meinte, 2000 Euro hätten wohl auch gereicht und mahnte fehlendes ehrenamtliches Engagement an. Für diesen Stundensatz hätte der ehemalige Lehrer während seines Berufslebens wohl kaum einen Fuß vor die Türe gesetzt. Noch weiter ging seine Fraktionskollegin Charlotte Dreßen, die bislang eher ein rätliches Schattendasein pflegte. Ihre Bemühungen, Engelsings Gage in den Bereich Wulffscher Schnäppchenjägerei einzuordnen, waren hanebüchen. Zudem forderte die Rätin, die ihre Brötchen als freiberufliche Kulturmanagerin verdient, ethische Richtlinien für leitende Angestellte, die einer Nebentätigkeit nachgingen.

Nur soviel: Von Ethik war bei den Grünen nicht viel zu hören, als sie mehrheitlich der fristlosen Kündigung von Müller-Esch zustimmten und damit dazu beitrugen, der Stadt einen finanziellen Schaden von knapp 900 000 Euro zu bescheren. Über Ethik wurde bei den Grünen ebenso wenig gesprochen, als ihre Fraktionskollegin Jacobs-Krahnen eine der StrippenzieherInnen bei der fristlosen Kündigung des kurzfristigen vhs-Leiters Reiner Zahn war und die FGL das Schmierentheater aus missverstandener Kollegialität mit trug. Ethisch unbedenklich war für die Hälfte der FGL auch, in der Sogwelle von Frank mit zu surfen, als sich dieser mit dem KKH ein Denkmal setzen wollte und damit die Stadt in eine finanzielle Katastrophe getrieben hätte.

Engelsing hat sich seine publizistisch-künstlerische Nebentätigkeit als freier Autor (er schreibt regelmäßig in der ZEIT) schon bei Beginn seiner Dienstzeit als Museumsdirektor von Bürgermeister Claus Boldt genehmigen lassen. Das sollte Charlotte Dreßen wissen und das muss auch Oberbürgermeister Horst Frank längst gewusst haben. Er erklärte jedoch, schriftlich läge nichts vor und von einer mündlichen Vereinbarung habe er erst kürzlich erfahren. Das wiederum glaubt ihm kein Mensch, denn schon seit Wochen treibt ihn die Frage um, wie er gegen Ende seiner Amtszeit dem von ihm ungeliebten Engelsing noch in die Parade fahren kann. Dass dieser insgeheim den grünen Oberbürgermeister von Anfang an für einen politischen Leichtmatrosen gehalten hat, ist bekannt in der Stadt. Und er weiß sehr wohl: Horst Frank hat eine Charaktereigenschaft, die schon einige andere schmerzhaft zu spüren bekamen. Der Mann ist nachtragend und, wenn es um die Begleichung alter Rechnungen geht, nicht zimperlich bei der Wahl seiner Mittel.

Es war also nur eine Frage der Zeit, bis der Noch-OB zur Attacke überging. Sein fast schon pathologischer Brass auf Engelsing ging sogar so weit, dass er eine dritte Amtszeit nicht mehr ausschließen wollte. Wenn der sich zur Wahl stelle, soll Frank trotzig in vertrautem Kreis erklärt haben, dann würde auch er sich überlegen, nochmals anzutreten. Das war im Herbst 2011, als Engelsing quer durch alle Bevölkerungsschichten und politischen Parteien als OB-Kandidat hoch gehandelt wurde, dann aber absagte. Da hat Horst Frank nochmal Glück gehabt und sich wahrscheinlich eine sichere Niederlage erspart.

Heckenschützen treten gerne im Rudel auf. So auch hier. Es ist noch nicht lange her, da stellte sich der Südkurier nach langem Zögern einer Kulturdebatte, in die sich auch der langjährige Südkurier-Lokalchef Tobias Engelsing kräftig einmischte. Dem cleveren Netzwerker war bereits im Vorfeld klar, dass er sich damit bei seinem früheren Arbeitgeber keine Sympathien erwerben würde. So kam es dann auch. Bei der Diskussion verwies er in einem Nebensatz darauf, dass die Stadt sich ja überlegen könnte, sollte die Unzufriedenheit mit der Südkurier-Berichterstattung über die lokale Kultur anhalten, ein eigenes Amtsblatt herauszugeben. Das brachte Südkurier-Geschäftsführer Rainer Wiesner postwendend auf eine ganz hohe Palme und er sprach von „Erpressung“. Dabei ist die Idee mit einem Amtsblatt alter Kaffee, wurde in den vergangenen Jahren in regelmäßigen Abständen von verschiedenen Leuten angedacht und dann aus Kostengründen wieder verworfen.

Dennoch glaubte Wiesner, Engelsing sei nun reif für einen Warnschuss. Für mediales Sperrfeuer aus dem Hinterhalt ist in der Regel Lokalredakteur Michael Lünstroth zuständig, der auch umgehend von der Kette gelassen wurde und auf Engelsings angeblich zu hohes Honorar verwies. Lünstroth macht das nicht ungeschickt: Er bauscht Themen gerne auf und skandalisiert sie. Wehren sich dann die von ihm Attackierten und werfen ihm unsauberen Journalismus vor, rudert er sachte zurück und relativiert seine ursprünglichen Aussagen so lange, bis von ihnen kaum mehr etwas übrig bleibt. Es ist zu vermuten, dass er dieses Vorgehen für kritischen Journalismus hält.

Zwar moderater im Ton, aber ähnlich in der Zielrichtung, werkelt der langjährige Südkurier-Redakteur Erich Gropper auf seinem Online-Portal dornroeschen. Immer wieder sind dort Texte zu lesen, die darauf hinweisen, dass Onkel Erich mit seinem ehemaligen Lokalchef Engelsing noch einige alte Wachteln zu rupfen hat. Doch über die Hintergründe der Nadelstiche erfährt der Leser nichts.

Der „Gagenskandal“, das pfeifen mittlerweile sogar die dümmsten Spatzen von den Dächern, ist keiner. Es geht lediglich um die Befriedigung niederer Instinkte einiger Figuren aus der Konstanzer Schlangengrube, in der sich bisweilen auch graue Nattern und Blindschleichen gerne als Königskobras aufspielen. Manche werfen dem umtriebigen Museumsdirektor vor, ihn treibe ein ausgeprägter Machtinstinkt, der die Spielräume anderer manchmal beschneidet, MitarbeiterInnen verunsichert oder sie schlichtweg überfordert. Mag sein, doch sind es nicht überzeugte Kulturmanager wie Nix und eben auch Engelsing, die dem kulturellen Rahmen der Stadt Konstanz ein neues und frisches Gesicht beschert haben?

Florian Riem und Tobias Engelsing sollten sich ihre kreativen und erfolgreichen Fasnachtskonzerte nicht vermiesen lassen. Im Gegenteil: Die momentan künstlich aufgeblasene Debatte liefert allerbesten Kabarettstoff für das nächste Jahr.

Autor: H.Reile